Integration ganz ohne Strafen: der Campus RĂŒtli in Berlin!
Gestern saĂen wohl einige Bildungsinteressierte erstaunt vor dem Fernseher. In Zuge der Debatte um die angebliche oder vermeintliche Integrationsunwilligkeit von Kindern aus zugewanderten Familien lud die ZiB 2 die Direktorin einer Berliner Schule in die Sendung. Sie wusste Erstaunliches zu berichten.
Im Jahr 2006 richteten LehrerInnen der Berliner RĂŒtli-Schule aus dem âProblembezirkâ Neukölln einen Aufschrei mittels eines Briefes an die Schulverwaltung: âTĂŒren werden eingetreten, Papierkörbe als FuĂbĂ€lle missbraucht, Knallkörper gezĂŒndet und Bilderrahmen von den FlurwĂ€nden gerissen. GegenstĂ€nde fliegen zielgerichtet gegen LehrkrĂ€fte durch die Klassen, Anweisungen werden ignoriert. Einige Kollegen/innen gehen nur noch mit dem Handy in bestimmte Klassen, damit sie ĂŒber Funk Hilfe holen können.“
Der Brief zeigte Wirkung. Die ehemalige Brennpunktschule mit einem Anteil von 80% Kindern mit Migrationshintergrund wurde komplett umgekrempelt: Ein Team von ArchitektInnen plante das bauliche Umfeld fĂŒr ein modernes und freundliches Bildungsquartier, den Campus RĂŒtli â CRÂČ. Das Bildungsprinzip dahinter: Vom Kindergarten bis zur Matura gibt es an der Schule Lernen aus einem Guss. Die vormalige Hauptschule wurde abgeschafft zugunsten des möglichst langen gemeinsamen Lernens. Der Campus versucht, âin einem innovativen und ganzheitlichen Ansatz viele KrĂ€fte und Kompetenzen, die es in einem Sozialraum gibt, zu verschmelzen. Es wurde ein Verbund geschaffen, in dem kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit als Chance begriffen und gelebt werden. An diesem Ort, an dem Bildungsbiografien bis in den Beruf oder die UniversitĂ€t begleitet werden, soll ein WertegerĂŒst als Grundlage fĂŒr ein selbstverantwortetes Leben gelegt werden, die gesellschaftliche Teilhabe fĂŒr Menschen verschiedenster Herkunft möglich macht.â
Die Direktorin Cordula Heckmann erlÀutert im GesprÀch mit Armin Wolf (bis 16.2. online) einige Eckpfeiler der Schule:
âą Lernen im Klassenverband mit stark individualisierter Förderung, um auf unterschiedliche Begabungen eingehen zu können: Lernstationen, LerntagebĂŒcher, Reflexion von Lernprozessen
⹠Sprachgruppen, um Kinder auf die Bildungssprache Deutsch vorzubereiten (nach dem in Hamburg entwickelten FörMig-Konzept) in Verbindung mit einem gemeinsamen Zusatzangebot
âą Förderung der Familiensprachen; TĂŒrkisch und Arabisch als zweite lebende Fremdsprache
âą breites Angebot fĂŒr Eltern (EinzelgesprĂ€che, Gruppenveranstaltungen, Freizeitprogramm), das fast alle Eltern gerne in Anspruch nehmen. Strafen sind nicht notwendig.
âą âIntegrationsunwilligkeitâ, wie sie hierzulande beklagt wird, ist am Campus RĂŒtli kein Problem: Sensibilisierung erfolgt durch GesprĂ€che und durch ein gezieltes Angebot, das Soziales Lernen befördert.
âą Der Erfolg: Im letzten Jahr legten die ersten SchĂŒlerInnen die Matura ab. Der Anteil jener, die keinen Schulabschluss erreichen, ist stark gesunken, der Anteil an SchĂŒlerInnen, die eine weiterfĂŒhrende Schule besuchen oder eine Arbeitsstelle finden, hat sich vervielfacht. Der Campus RĂŒtli wurde zur inzwischen begehrten Vorzeigeschule.
Und nicht zuletzt: âDie ErstklĂ€ssler spiegeln wieder, was sich in Neukölln um den RĂŒtli-Campus herum tut. Der einst berĂŒchtigte Problembezirk ist inzwischen gefragt. Mieten steigen, es gibt angesagte Bars, BiolĂ€den und die eine oder andere Kunstgalerie. Bis der Wandel alle JahrgĂ€nge erreicht, ist es nur eine Frage der Zeit.â (http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2014-02/ruetli-schule-berlin-brandbrief/seite-2)
Die GrĂŒne Schule ist also schon lĂ€ngst erfolgreiche RealitĂ€t. Fragt sich nur, wann es die verantwortlichen PolitikerInnen in Ăsterreich ernst damit meinen, die âbeste Schuleâ schaffen zu wollen.