Gemeinsame Schule âauf Eisâ gelegt?
Die Hoffnungen waren groĂ, als sich 2015 der Vorarlberger Landtag mit Stimmen aller (!) Parteien zur Gemeinsamen Schule bekannt hat (siehe Symbolfoto).
Inzwischen hat eine Projektgruppe eine detaillierte Studie dazu verfasst, um das Projekt umzusetzen. Und nun?
Nun hat der höchste Beamte im Unterrichtsministerium erklĂ€rt, das Projekt sei âauf Eisâ gelegt. Ein Beamter overruled die Politik? Der Vorgang an sich ist nicht unĂŒblich, das öffentlich zu sagen schon.
In Sachen âModellregion Gemeinsame Schuleâ in Vorarlberg ist das passiert. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel âWo bleibt der Aufschrei?â. Hier zum Nachlesen:
Am Samstag hat Martin Netzer, aus Vorarlberg stammender höchster Beamter im Bildungsministerium, in den âVorarlberger Nachrichtenâ die âModellregion Gemeinsame Schuleâ de facto zu Grabe getragen: Das mit den Stimmen aller Vorarlberger Landtagsparteien beschlossenen Projekt sei âauf Eis gelegtâ. Ein Beamter legt âauf Eisâ, was die Politik beschlossen hat?
Wird das diese Woche zu einem Aufschrei jener fĂŒhren, die sich sonst âvon Wienâ angeblich ânichts sagenâ lassen? Wir werden sehen.
Warum keine Modellregion?
Warum hĂ€lt Netzer nichts von einer grundsĂ€tzlichen Reform? Er meint, die Mittelschule sei keine âRestschuleâ und zudem brĂ€uchte unsere Wirtschaft ja mehr Lehrlinge.
Einmal davon abgesehen, dass man eine Lehre bekanntlich erst mit 15 Jahren antreten kann und die Modellregion fĂŒr die Zehn- bis VierzehnjĂ€hrigen konzipiert ist: Die Ausbildungsbetriebe beklagen, dass unser Schulsystem zunehmend weniger ausbildungsfĂ€hige Jugendliche entlĂ€sst. Wer da den Reformverweigerer spielt, gefĂ€hrdet die Zukunft unseres Landes.Die LehrkrĂ€fte an unseren Mittelschulen sind nicht zu beneiden, ihnen fehlen vor allem in stĂ€dtischen Brennpunktschulen leistungsstarke SchĂŒler_innen, die andere mitziehen. Die moderne Gemeinsame Schule in SĂŒdtirol zeigt, dass Lernschwache und Hochbegabte profitieren. Dort gibt es deutlich weniger Kinder im Problembereich und wesentlich mehr Spitzenleistungen als in Ăsterreich.
Soziale Komponente
Zudem: Der zukĂŒnftigen Ărztin schadet es nicht, wenn sie schon in der Schulbank Kontakt mit der zukĂŒnftigen Krankenschwester hat. Und auch der Herr Architekt sollte vom Leben des Maurers schon vor dem Aufeinandertreffen auf der Baustelle Bescheid wissen.
Der Schriftsteller Arno Geiger hat in seiner groĂartigen Rede bei der Russ-Preis-Verleihung zurecht kritisiert, dass Ăsterreich in Sachen Chancengleichheit weit hinter vergleichbaren Staaten hinterherhinkt. Keines dieser LĂ€nder trennt die Kinder so frĂŒh wie wir. Zudem verschĂ€rft die ĂŒppige Finanzierung von Privatschulen mit Ăffentlichkeitsrecht das Problem staatlicher Schulen zusĂ€tzlich.
Fehlendes Leistungsprinzip
Wenn es um Privatschulen geht, verweisen Konservative gern auf das âLeistungsprinzipâ. Netzer selbst bestĂ€tigt aber mit dem Verweis auf viele Studien, dass Privatschulen nicht besser abschneiden als staatliche â im hinteren Leistungsbereich sind sie sogar ĂŒberreprĂ€sentiert. Daran liegt es also nicht, dass schon private Volksschulen derartigen Zulauf haben.
Das liegt wohl eher daran, was mir bei einer hitzigen Bildungsdiskussion ein Primararzt einmal entgegengeschleudert hat, nachdem ihm die sachlichen Argumente ausgegangen waren: âSo weit kommtâs noch, dass mein Sohn in der Schule neben einem TĂŒrken sitzt!â
Genau das hÀtte der Entwicklung des Herrn Sohnes gutgetan. Und genau deshalb braucht es einen Aufschrei zu den Aussagen von Martin Netzer!