Ein österreichisches Nachkriegsschicksal: Hermann Neubacher
âDie Anstaltâ ist ein politisches Kabarett-Format des ZDF und legt gezielt den Finger auf jene Wunden der Gesellschaft, wo es ziemlich wehtut. Das Lachen findet in den pointierten BeitrĂ€gen sehr oft ein jĂ€hes Ende. So geschehen auch in einer Folge, in der sich die Sendungsmacher dem in Deutschland heiklen Thema Griechenland, den heiĂ diskutierten Reparationszahlungen und einem Massaker, das eine SS-Division im Juni 1944 in Distomo angerichtet hatte, widmeten. Sehen Sie sich den Beitrag unbedingt bis zum Schluss an:
Was wir im Beitrag nicht sehen, ist der österreichische Anteil an den NS-Verbrechen in Griechenland. Mehrfach habe ich hier bereits ĂŒber Alexander Löhr, Oberbefehlshaber der in Griechenland stationierten Heeresgruppe E, berichtet. Weitgehend unbekannt ist die Rolle des in Wels geborenen Hermann Neubacher. Nach seinem Studium wurde Neubacher im Roten Wien Generaldirektor der GemeinnĂŒtzigen Siedlungs- und Baustoffanstalt (GESIBA). Ab 1933 optierte er fĂŒr den Anschluss Ăsterreichs an Deutschland, tauchte als (zeitweise fĂŒhrendes) Mitglied der illegalen NSDAP nach dem Putschversuch im Juli 1934 unter, wurde verhaftet und dann 1936 wieder freigelassen. Der âFĂŒhrerâ bedankte sich fĂŒr seine Dienste nach dem Anschluss und ernannte ihn bereits am 13. MĂ€rz 1938 zum Wiener BĂŒrgermeister. Ende 1940 wurde Neubacher in den diplomatischen Dienst ĂŒbernommen und hier ab 1942 zum âSonderbeauftragten des Reiches fĂŒr wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenlandâ und ab 1943 auch zum âSonderbevollmĂ€chtigtem des AuswĂ€rtigen Amts fĂŒr SĂŒdostenâ befördert. In diesen Funktionen koordinierte Neubacher nicht nur die wirtschaftliche Ausblutung Griechenlands, sondern auch eine Reihe von MaĂnahmen, die den griechischen Widerstand gegen die Okkupanten brechen sollten. Taktik war es vor allem, unter der griechischen Bevölkerung möglichst viele Kollaborateure anzuwerben, die bĂŒrgerkriegsartig gegen die eigene Bevölkerung vorgehen sollten. Die Massaker, die an der griechischen Zivilbevölkerung verĂŒbt wurden, waren Teil und Ergebnis dieser auch von Neubacher zu verantwortenden Politik in Griechenland.
Nach 1945 wurde Neubacher an Jugoslawien ausgeliefert, im Jahr 1951 zu 20 Jahren GefĂ€ngnis verurteilt, jedoch aufgrund einer Intervention bereits 1952 wieder entlassen. Ăsterreichisches Nachkriegsschicksal: Neubacher avancierte trotz internationalen Protests ab 1958 zum Berater der Austrian Airlines (mit dem damals nicht unbetrĂ€chtlichen monatlichen SalĂ€r von 20.000 ĂS, das ĂŒber jenem von damaligen Regierungsmitgliedern lag) und zum Vorstandsvorsitzenden der Wienerberger Ziegelwerke. Sein GroĂneffe, Marcus J. Carney, verarbeitete die Familiengeschichte im sehenswerten Film âThe End of The Neubacher Projectâ.
