Kostenloses verpflichtendes Kindergartenjahr? Nicht fĂŒr alle!
Seit 2010 gibt es in Ăsterreich ein verpflichtendes Kindergartenjahr. Laut Homepage des Familienministeriums ist der Besuch fĂŒr alle kostenlos: âKindergartenbesuch (mind. 16 Stunden pro Woche) ist fĂŒr alle Kinder, die bis zum 31. August das 5. Lebensjahr vollendet haben, von September bis Juni (mit Ausnahme der Schulferien) verpflichtend und kostenlos. Kostenlos ist der halbtĂ€gige Besuch fĂŒr maximal 20 Stunden.â
Stimmt leider nicht. Seit Jahren gibt es Probleme bei der Umsetzung des verpflichtenden Kindergartens in GrenzfĂ€llen. Obwohl wir GrĂŒnen und auch der Rechnungshof seit Jahren darauf in AntrĂ€gen und Berichten hinweisen, hat die zustĂ€ndige Ministerin Sophie Karmasin im gestrigen Familienausschuss wirklich zum ersten Mal (!) davon gehört – wie sie im Zuge der Diskussion ĂŒber einen von mir vor einem halben Jahr (!) eingebrachten Antrag freimĂŒtig zugegeben hat.
Es gibt Eltern, die ihr Kind nicht am Wohnort in den Kindergarten geben, sondern nahe zu ihrer Arbeitsstelle. Kompliziert wird es dann, wenn Eltern dabei die Grenzen ihres Bundeslandes ĂŒberschreiten. Wenn zum Beispiel die Eltern und Kinder in Niederösterreich wohnen und nach Wien pendeln – ein nicht so seltener Fall -, gibt es nĂ€mlich Probleme. Da beide Eltern in Wien arbeiten, ist es fĂŒr die Familie oft einfacher, wenn das Kind in der NĂ€he der Arbeitsstelle einen Kindergarten besucht.
Der Bund unterstĂŒtzt das verpflichtende Kindergartenjahr finanziell mit 70 Mio Euro jĂ€hrlich und zahlt die Förderung je nach dem Wohnort des Kindes an die BundeslĂ€nder aus. Die meisten BundeslĂ€nder haben untereinander bereits eine Vereinbarung fĂŒr diese FĂ€lle getroffen. Damit ist in der Regel sichergestellt, dass auch ein âgrenzĂŒberschreitenderâ Kindergartenbesuch fĂŒr Eltern kostenfrei bleibt. Ausnahme bleiben seit Jahren Wien und Niederösterreich. Die beiden BundeslĂ€nder können sich nicht einigen, wie sie in hierbei vorgehen. Leidtragende sind Eltern, die fĂŒr den Kindergartenbesuch zahlen mĂŒssen, obwohl der Besuch verpflichtend vorgeschrieben ist und daher kostenlos sein mĂŒsste.
Im letzten Familienausschuss war mein oben erwĂ€hnter Antrag zur Lösung dieses Problems auf der Tagesordnung. Wir haben die Familienministerin aufgefordert, eine bundesweite Lösung zu finden, dass die Kostenfreiheit fĂŒr alle Kinder im verpflichtenden Kindergartenjahr garantiert ist. Die Reaktion von SPĂ und ĂVP war ernĂŒchternd: FĂŒr die Ministerin ist das Problem allen Ernstes neu und anstatt es bei den bevorstehenden Verhandlungen ĂŒber das zweite verpflichtende Kindergartenjahr aufzunehmen, wurde unser Antrag mit Regierungsmehrheit vertagt. Mit einer Vertagung wird der Antrag somit aufs Abstellgleis befördert. Die Regierung sagt damit weder ja noch nein und muss sich damit auch nicht lĂ€nger beschĂ€ftigen.
Die betroffenen Eltern mĂŒssen daher weiter zahlen!
AlljĂ€hrlich zeigt uns die Statistik Austria in Zahlen, welche Folgen der Föderalismus fĂŒr Krippen und KindergĂ€rten in Ăsterreich hat. Kurz gesagt: jedes Bundesland macht, was es fĂŒr richtig hĂ€lt. Ob das im Interesse der Kinder, PĂ€dagogInnen und Eltern ist, bezweifle ich stark. Wie viele KrippenplĂ€tze es gibt, wie lange tĂ€glich geöffnet ist, und wie viele Kinder in einer Gruppe sind, entscheidet letztlich die Postleitzahl.