Alle RĂ€der stehen still, wenn …
Kommt es in Ăsterreich zu einem âheiĂen Herbstâ mit lang andauernden Streiks? Das provokante Angebot der Arbeitgeber bei den Lohnverhandlungen lĂ€sst nichts Gutes erwarten. Die Gewerkschaft ist jedenfalls gefordert und darf nicht klein beigeben. Unter dem Titel âHeiĂer Herbst?â habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:
In der Vergangenheit wurde die Streikstatistik in Ăsterreich in Minuten, teilweise sogar in Sekunden angegeben: âĂsterreicher streikten 27 Sekundenâ. Ein wesentlicher Garant fĂŒr den sozialen Frieden war die Sozialpartnerschaft. Gewerkschaften und Wirtschaftskammer sorgten dafĂŒr, dass es bei Verhandlungen fĂŒr beide Seiten akzeptable Kompromisse gegeben hat und der erwirtschaftete Wohlstand halbwegs gerecht verteilt wurde. Damit könnte es vorbei sein.
Seit der ersten schwarz-blauen Regierung wurde der Einfluss der Gewerkschaften nĂ€mlich stetig schwĂ€cher â und zwar nicht nur selbstverschuldet. Die zwangsweise Fusion der Gebietskrankenkassen zur österreichischen Gesundheitskasse unter Sebastian Kurz ist da nur das letzte Beispiel. Sie hat nicht die versprochene âPatienten-Milliardeâ gebracht, sondern im Gegenteil sogar höhere Verwaltungskosten im dreistelligen Millionenbereich. Ein Ziel hat die damalige Regierung aber erreicht: die SchwĂ€chung der Arbeitnehmervertretung in der Selbstverwaltung.
Moderate Forderung
Das schwĂ€cht auf Dauer die Sozialpartnerschaft und gefĂ€hrdet den sozialen Frieden. Dieser schwindende Einfluss zeigt sich in vielen Bereichen. Ein Beispiel ist das Auseinanderdriften der Einkommen von Top-Managern und ArbeitskrĂ€ften. Vor 20 Jahren hat ein Vorstandsmitglied eines groĂen Unternehmens etwa 24-mal so viel verdient wie ein durchschnittlicher BeschĂ€ftigter. Inzwischen sind die Manager-GehĂ€lter auf das 64-Fache geradezu explodiert! Gleichzeitig werden die Reallöhne in Ăsterreich heuer laut EU-Kommission um vier Prozent sinken.
Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Ein kleiner Schritt dazu können die gegenwĂ€rtigen Lohnverhandlungen sein. Die jetzige Forderung der Gewerkschaft ist â entgegen dem öffentlichen Framing â moderat und verantwortungsbewusst: 11,6 Prozent. Das wĂ€re eine Abgeltung der Inflation plus ein Anteil am ProduktivitĂ€tszuwachs.
Dass die Metall-Unternehmen bei einer Inflation von 9,6 Prozent eine durchschnittliche Lohn- und Gehaltserhöhung von 2,5 Prozent plus einer nicht nachhaltigen Einmalzahlung angeboten haben, ist dagegen eine offene Provokation. Die meisten Unternehmen sind dank ĂŒppig ausgefallener staatlicher Hilfen durch die Corona-Krise getragen worden. Was fĂŒr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hingegen geblieben ist, sind höhere Preise und Mieten.
Vorbild USA?
In den USA geschah heuer Historisches. Die Gewerkschaft forderte von den groĂen Auto-Konzernen eine Lohnerhöhung von 40 Prozent â bei einer deutlich niedrigeren Inflationsrate als bei uns. Die durchaus nachvollziehbare BegrĂŒndung: Das Top-Management habe genau diese 40 Prozent mehr verdient. Warum sollten ArbeitskrĂ€fte schlechter gestellt sein? Es folgten Streiks ĂŒber mehrere Wochen hinweg.
SchlieĂlich haben alle US-Autoriesen einer Lohnerhöhung von bis zu 33 Prozent bei einer Laufzeit von vier Jahren zugestimmt. Ein Vorbild fĂŒr Ăsterreich? Oder wollen einige einen âheiĂen Herbstâ provozieren?