Chancengleichheit in der Schule? Fehlanzeige!

2021-07-05T11:36:36+02:0005.07.21, 11:33 |Kategorien: Bildung|Tags: , , |

Wir wissen es seit Jahrzehnten: Eine grundlegende Bildungsreform ist in Österreich ĂŒberfĂ€llig. Wir wissen aber auch: Unter den derzeitigen politischen Konstellationen ist das praktisch unmöglich. Zu stark sind sie, die beharrenden KrĂ€fte.

Immerhin aber sollten die kleinen Maßnahmen, die gesetzt werden, die Situation etwas verbessern. Das ist leider oft nicht der Fall, wie zwei Reformen aus dem heurigen Schuljahr zeigen. Ich habe das in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ unter dem Titel „Zeugnisverteilung“ thematisiert.

Hier mein Text zum Nachlesen:

Am Freitag ist auch in Westösterreich Schulschluss und die Zeugnisse werden verteilt. Sie sollten die erbrachten Leistungen im vergangenen Schuljahr widerspiegeln. Wie aber schaut ein Zeugnis fĂŒr unsere Bildungspolitik aus?

Wie reagiert „das System“ auf Herausforderungen wie Corona-Krise oder die vielen Kinder mit Sprachdefiziten? Eröffnet es allen Kindern eine Chance? Schauen wir uns zwei „FĂ€cher“ genauer an: Sprachförderung und „Sommerschule“.

Kinder kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in unsere KindergÀrten und Schulen. Viele beherrschen die Unterrichtssprache nur mangelhaft. Sprachförderung ist genauso im Interesse dieser Kinder wie der gesamten Gesellschaft. Wir brauchen qualifizierte Menschen, die nach der Schule studieren oder eine Lehre absolvieren können.

Sprachförderung: GenĂŒgend

Im Juni ist ein – medial praktisch nicht beachteter – Rechnungshofbericht erschienen, der den Verantwortlichen ein verheerendes Zeugnis ausstellt: Sprachförderung funktioniert nicht. Das gilt fĂŒr KindergĂ€rten genauso wenig wie fĂŒr die Schulen. Schuld daran sind nicht die LehrkrĂ€fte und ElementarpĂ€dagog:innen, sondern das System.

Demnach gibt es kein klares Konzept. Die angekĂŒndigte verpflichtende Sprachstandsfeststellung existiert vielfach nicht, das Ausmaß der Förderung ist uneinheitlich, Fachaufsicht oder QualitĂ€tssicherung versagen. Laut Rechnungshof hat sich die Situation teilweise sogar verschlechtert. Das Hauptproblem: Wenn Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen zusammengefasst werden, fehlen die Sprachvorbilder. Fehlerhaftes Deutsch wird so weiter verfestigt.

Sommerschule: GenĂŒgend

Nun sollen diese VersĂ€umnisse und die zusĂ€tzlich durch Corona-Krise und Schulschließungen aufgetretenen Probleme durch die „Sommerschule“ gemindert werden. Sie gab es schon im letzten Jahr, die Ergebnisse wurden aber nicht evaluiert.

Bildungsexpert:innen bemĂ€ngelten schon damals, dass der Unterricht hauptsĂ€chlich von Studierenden erteilt wird, denen Praxis und Erfahrung fehlen. Wirklich helfen könnten den Betroffenen Kindern LehrkrĂ€fte, die Deutsch als Zweitsprache studiert haben. Die aber werden in Österreich kaum ausgebildet und wenn, dann nur mangelhaft.

Was es zudem brĂ€uchte, wĂ€re ein verschrĂ€nktes und ganztĂ€giges Lern- und Freizeitangebot, damit Erlerntes auch eingeĂŒbt werden kann.

Gesamtnote?

Unser Bildungssystem ist veraltet und leidet zudem unter der viel zu frĂŒhen Trennung von Kindern. KĂŒnftig werden dabei sogar schon die Noten der dritten Klasse Volksschule eine Rolle spielen − das ist weltweit einzigartig und fĂŒhrt zu kontraproduktivem Stress fĂŒr Kinder und deren Familien.

Wenn wir schon an einer dringend notwendigen Gesamtreform des Bildungssystems scheitern, sollten wenigstens Einzelmaßnahmen zur Linderung der Probleme beitragen. Die zwei geschilderten tun das nicht. Wenn es dafĂŒr ein Zeugnis gĂ€be, mĂŒssten sich die Verantwortlichen fĂŒrchten!