Schießt Gott daneben?

2024-07-17T18:27:48+02:0017.07.24, 18:20 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , , |

Nach dem Attentat und seiner nur leichten Verletzung hat Donald Trump bei seiner Anhängerschaft endgültig die Stellung eines „Gottgesandten“ erreicht. Gott habe Trump geschützt. Wer aber schützt uns vor Trump? Unter dem Titel „Schießt Gott daneben?“ habe ich dazu in einem Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen:

Wurde Donald Trump am Sonntag von Gott vor seinem Attentäter gerettet? Der republikanische Abgeordnete Mike Collins ließ wissen: „Gott hat Ronald Reagan aus einem bestimmten Grund verschont. Gott verschonte Donald Trump aus einem bestimmten Grund. Gott schießt nicht daneben.“ Auch Trump selbst sieht das so: „Es war Gott allein, der das Undenkbare verhindert hat.“ Die für Trump bestimmte Kugel tötete den Mann hinter ihm. Für Gott aus Sicht der zitierten Herren offenkundig ein akzeptables Opfer.

Wirklich religiöse Menschen sind angewidert ob solcher Sichtweisen. Sie verweisen darauf, dass „Gott“ auch nicht eingegriffen hat, als SS-Männer Kleinkinder an den Füßen gepackt und ihre Schädel an Hausmauern zertrümmert haben, als im NS-Staat oder der Sowjetunion Millionen Unschuldiger ermordet wurden und als sogar im Namen Gottes gemordet wurde. Man denke etwa an die Kreuzzüge im Mittelalter, an Hexenverbrennungen oder an die Untaten im Namen des Islam heute. Nie hat Gott eingegriffen, aber jetzt zur Rettung von Donald Trump? Er rettet einen notorischen Lügner, der fast einen blutigen Staatsstreich verursacht hat?

Religiöser Fanatismus war selten hilfreich für das Zusammenleben von Menschen. Eine der großen Errungenschaften der Französischen Revolution war daher die Trennung von Staat und Kirche. Lange wehrten sich die großen christlichen Kirchen dagegen. In Österreich endete die unheilige Allianz zwischen Staat und Kirche im austrofaschistischen Staat.

Die katholische Kirche hat aus dieser Geschichte die richtigen Schlüsse gezogen. Dasselbe gilt für die evangelischen Kirchen. In islamisch dominierten Staaten gilt das weniger. Zwar hat in der Türkei Staatsgründer Mustafa Kemal, genannt „Atatürk“, im Jahr 1923 die strikte Trennung von Staat und Religion verordnet, aber in den letzten Jahrzehnten haben seine Nachfolger diese Regelung immer stärker aufgeweicht. Von anderen muslimisch geprägten Staaten gar nicht zu reden. Der politische Islam ist allerorten auf dem Vormarsch.

Auch in der „jüdisch-christlichen Welt“ scheint sich der Wind zu drehen. In den USA wird die in der Verfassung verankerte Trennung von Staat und Kirche aufgeweicht – etwa in den Schulen. Und was würde beispielsweise Theodor Herzl, der geistige Ahnherr des Zionismus, zur Entwicklung in Israel sagen? Für ihn war der „Judenstaat“ kein religiöses Werk, sondern ein politisches Konzept. Der erklärte Laizist hatte die Trennung von Staat und Religion gefordert, einen Staat für alle Menschen unabhängig von deren Religion. „Nur Fundamentalisten aller Art sind ausgeschlossen“, schrieb er.

Österreichs Bundeskanzler Kurt Schuschnigg hat im März 1938 vor dem Einmarsch deutscher Truppen gerufen „Gott schütze Österreich“. Genützt hat es nichts. Und auch heute schützt Gott weder Trump noch schützt er uns vor ihm und anderen „Gottgesandten“. Das werden wir selbst tun müssen.