Lehren aus dem Ukraine-Desaster
Welche Lehren gilt es zu ziehen aus dem Desaster in der Ukraine? In einem Kommentar in den Vorarlberger habe ich unter dem Titel âWende in Europa?â einige Themen angeschnitten, die aus meiner Sicht intensiv diskutiert werden mĂŒssen. Brauchen wir die Vereinigten Staaten von Europa? Ist Ăsterreichs NeutralitĂ€t noch zeitgemĂ€Ă? Hier der Kommentar zum Nachlesen:
Schrecklichen Bilder aus der Ukraine: Tote und Zerstörung, Zehntausende und bald vielleicht Hunderttausende auf der Flucht â ausgelöst durch einen autokratisch entscheidenden Mann im Kreml. Was bedeutet das alles fĂŒr Europa? Was fĂŒr Ăsterreich?
Die EU gleicht einem schlafenden Riesen, wirtschaftlich eine GroĂmacht, politisch ein Zwerg, militĂ€risch abhĂ€ngig von der NATO und somit von den USA. In Krisensituationen ist die EU aufgrund ihres Aufbaus weitgehend handlungsunfĂ€hig und immer abhĂ€ngig davon, dass sich zumindest in den wesentlichen Fragen 27 LĂ€nder einig sind. Eigentlich ist es ein Wunder, dass dieses Gebilde funktioniert. Eine Diskussion ĂŒber eine Weiterentwicklung der EU ist allerdings ĂŒberfĂ€llig.
Ăsterreichs NeutralitĂ€t
Eine Diskussion benötigt auch Ăsterreich. Bislang galt: Nur ja nicht den Kopf hinausstrecken, wenn es drauĂen stĂŒrmt oder gar Raketen fliegen und Panzer rollen. Die âimmerwĂ€hrende NeutralitĂ€tâ hat uns jahrzehntelang ein gemĂŒtliches Dasein in einer ungefĂ€hrlichen Nische der Weltpolitik ermöglicht.
Das ist nicht lĂ€nger haltbar. Schon der Gesetzestext ist problematisch: âZum Zwecke der dauernden Behauptung seiner UnabhĂ€ngigkeit nach auĂen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklĂ€rt Ăsterreich aus freien StĂŒcken seine immerwĂ€hrende NeutralitĂ€t.â
âAus freien StĂŒckenâ? NatĂŒrlich stand vor der Beschlussfassung am 26. Oktober 1955 die ein halbes Jahr zuvor gegebene Zusicherung der NeutralitĂ€t an die vier SiegermĂ€chte. Sie war eine Voraussetzung fĂŒr deren Abzug. Ăsterreich sollte in der damals klar geteilten Welt weder dem östlichen noch dem westlichen MilitĂ€rbĂŒndnis beitreten und eine Art Pufferzone bilden. Nicht die schlechteste Lösung in der damaligen Situation!
Doch die Situation hat sich geĂ€ndert. Heute gibt es den Eisernen Vorhang an der Grenze unseres Landes nicht mehr und Ăsterreich ist Teil der EU.
Vereinigte Staaten?
Und diese EU muss sich fragen, ob sie ohne ein eigenes Heer ernstgenommen wird. Wenn es möglich ist, dass in den mĂ€chtigsten Staaten der Welt unberechenbare âFĂŒhrerâ wie zuletzt Donald Trump in den USA und Wladimir Putin in Russland das Sagen haben, sollte Europa darauf eine klare und demokratisch legitimierte Antwort parat haben.
Wir brauchen eine Diskussion ĂŒber die âVereinigten Staaten von Europaâ mit eigener Regierung und eigener AuĂenpolitik statt des oft dissonanten mehrstimmigen Chors von 27 Stimmen, ein Europa mit einem starken Heer, aber ohne GroĂmachallĂŒren, dafĂŒr ein Garant von Menschenrechten und dem Völkerrecht.
Es ist gut möglich und sogar wahrscheinlich, dass nicht alle 27 LĂ€nder mitmachen werden. Das werden die âwilligenâ Staaten verschmerzen können, solange Deutschland und Frankreich fixer Bestandteil sind.
Europa ist am Wendepunkt. Weiter von europĂ€ischen Werten reden, aber nichts tun und nichts bewirken? Oder doch eine groĂe Reformanstrengung?