Profiteure der Angst

2022-08-22T08:24:23+02:0022.08.22, 8:24 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: |

Uns stehen wohl unruhige Zeiten bevor. Die Krisen der letzten Zeit haben eine soziale Schieflage erzeugt. Die Armen sind Ă€rmer, die Reichen reicher geworden. Soziale Proteste sind dagegen sind nicht nur berechtigt, sondern notwendig. Die Gefahr besteht allerdings, dass ein zu befĂŒrchtender „Wutwinter“ Wasser auf die MĂŒhlen der extremen Rechten sein könnte. Unter dem Titel „Profiteure der Angst“ habe ich in den „Vorarlberger Nachrichten“ einen Kommentar dazu verfasst. Hier zum Nachlesen:

Der Höhepunkt der teilweise militanten Coronaproteste dĂŒrfte ĂŒberschritten sein. Aber von einer Beruhigung und Versachlichung der Diskussion ĂŒber dieses und die vielen anderen Probleme sind wir weit entfernt.

Und Krisen gibt es genug. In ganz Europa steigen die Inflationszahlen auf Rekordhöhen, die Energiekrise zeichnet sich dĂŒster am Horizont ab, Corona ist alles andere als ĂŒberwunden, und auch die immer deutlicher zutage tretende Klimakrise schĂŒrt Ängste. Das alles bereitet das Feld fĂŒr rechte politische RattenfĂ€nger.

Gibt es einen „Wutwinter“?

„Rechtsextreme Netzwerke planen ‚Wutwinter‘ wegen Teuerung“, titelte zuletzt „Der Standard“. Deutsche QualitĂ€tsmedien und politisch Verantwortliche warnen: „Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten“, meint etwa die deutsche Innenministerin Nancy Faeser.

Schon jetzt stellen wir fest, dass das gesellschaftliche Klima immer aggressiver wird: Fachleute vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands berichten, dass sich speziell auf Telegram tausende Chat-Gruppen gebildet haben, die im Kern mit Fake-News den Hass auf „die da oben“ schĂŒren. Die Zahlen haben sich innerhalb weniger Monate verfĂŒnffacht. Und auch in der Mehrheitsgesellschaft bricht das Vertrauen in die Politik ein, wie zuletzt eine Sora-Umfrage bestĂ€tigt hat. Die Politik knickt immer stĂ€rker ein und ĂŒbernimmt vielfach die Parolen der Straße statt ihnen entschieden entgegenzutreten.

Auch in Vorarlberg drohen Demonstranten dem BundesprĂ€sidenten mit dem Tod und bringen eigens einen Galgen mit zur Veranstaltung, eine von rechtsextremen Corona-Leugnern gemobbte Ärztin begeht verzweifelt Suizid, zwei Gesundheitsminister und zwei Landeshauptleute treten zurĂŒck und beklagen dabei allesamt den ihnen entgegenschlagenden Hass, dem sie sich nicht mehr ausliefern wollen.

Profiteure der Angst?

Viele Menschen, die politisch keineswegs rechtsextrem sind, haben kein Problem damit, bei regierungskritischen Demonstrationen hinter Neonazis mit eindeutigen Parolen hinterherlaufen. Leute wie Martin Sellner von der IdentitĂ€ren Bewegung oder der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried KĂŒssel nutzen die Ängste fĂŒr ihre Zwecke schamlos aus. Im November waren in Wien mehr als 40.000 Menschen gegen die angebliche „Corona-Diktatur“ auf der Straße. Da lĂ€uft gerade etwas gewaltig aus dem Ruder.

Die diversen Krisen haben die soziale Schieflage verstĂ€rkt. Die Reichen sind reicher, die Armen Ă€rmer geworden. Proteste dagegen sind nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme allerdings dĂŒrfen aber nicht zu Profiteuren der Angst werden!