Wo gibt es die größte „Wirtschaftskompetenz“? Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer sehen sie bei sich. Fachleute von den Wirtschaftsunis, WIFO und anderen unabhängigen Organisationen haben aber wohl deutlich die Nase vorn. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten:
Seit Monaten drängen Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKÖ) im Bund und den Ländern vehement auf eine Koalition von ÖVP und FPÖ. Sie wollen mehr „Wirtschaftskompetenz“. Letzteres wäre auch dringend notwendig, zumal es weltweit Krisensymptome und hierzulande Milliardenpleiten wie jene von Signa und KTM gibt.
Das Ergebnis der letzten schwarz-blauen Regierungen allerdings stimmt skeptisch für eine Neuauflage. In Erinnerung bleiben eine vernachlässigte Infrastruktur und jede Menge Korruptionsfälle – Homepage-Affäre, Novomatic, Terminal-Tower und Tetron, Eurofighter, Telekom, BUWOG.
Das Beispiel BUWOG stimmt in Sachen „Kompetenz“ besonders nachdenklich: Der Verkauf der Wohnbaugesellschaft war nicht nur begleitet von Meldungen über massive Korruption, auch die Verkaufssumme erstaunte: 60.000 Wohnungen wurden en gros um 961,2 Millionen Euro verscherbelt, also rund 16.000 Euro pro Wohnung. Fachleute schätzen, dass bei einem Einzelverkauf zumindest eine Milliarde Euro mehr erzielt worden wäre. Unser Geld!
Darüber spricht man bei IV und WKÖ lieber nicht. Dort spricht man lieber von „Bürokratieabbau“ und fordert – so wörtlich – eine „Vollbremsung in der Klimaschutzpolitik“. Schon vor der Wahl haben Karl Nehammer und Herbert Kickl das geplante Verbrenner-Aus im Jahr 2035 (!) allen Ernstes als Ursache für die Misere der heimischen Autozulieferindustrie ausmachen wollen.
Experten hingegen verweisen darauf, dass die Elektrifizierung von der deutschen Autoindustrie schlicht verschlafen wurde. Auch bei KTM übrigens, weshalb Wifo-Chef Gabriel Felbermayr dem Motorradhersteller wenig Chancen gibt.
Mit dem „Produktivitätsrat“ stehen der Regierung kompetente Fachleute zur Verfügung. Fiskalratspräsident Christoph Badelt, der Vorsitzende, stellte letzte Woche der heimischen Wirtschaftspolitik aber kein gutes Zeugnis aus. In Deutschland sind die „Wirtschaftsweisen“ das Pendant zum Produktivitätsrat. Mit Achim Truger stieß eines der fünf Mitglieder letzte Woche im Interview mit dem „Mittagsjournal“ ins selbe Horn wie Badelt und Felbermayr.
Truger verlangt einen Innovationsschub, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen und den Abstand zur führenden Konkurrenz in China und anderen Standorten zu verringern. Von einem Stopp der Ökologisierung – wie von IV und WKÖ gefordert – hält er nichts und verweist darauf, dass diese sogar wesentlich konsequenter betrieben hätte werden müssen.
Das „profil“ hat einen Artikel einst so überschrieben: „Schwarz-Blau. Wie Österreich unter der ÖVP-FPÖ-Regierung zum Selbstbedienungsladen wurde.“ Von der hier angedeuteten Korruption ganz abgesehen: Wer Wirtschaftskompetenz will, sollte also eher auf Fachleute wie Felbermayr, Badelt und Truger hören als auf IV und WKÖ.