Österreich ist weltweit Spitze – wenn es um Zugangshürden im Bildungsbereich geht. Im Rahmen einer Pressekonferenz habe ich heute zum „Konzept“ einer „mittleren Reife“ Stellung bezogen.

Was bedeutet die „mittleren Reife“ für eine Familie, die ein Kind in der Unterstufe hat? Was passiert, wenn die mittlere Reife nicht bestanden wird? Lehre statt Uni? Wird das eine standardisierte Prüfung, bei der auch die Elitekinder durchfallen können (weil der Einfluss der Eltern ausgeschaltet wird), oder wird es wieder so wie in nicht wenigen Fällen am Beginn und Ende der Volksschule: wessen Eltern erfolgreich intervenieren, der oder die besteht?

Statt Hürden abzubauen, bauen wir in Österreich immer weitere Hürden auf und legen insbesondere Kindern aus bildungsfernen Schichten Steine in den Weg. Kein einziges unserer vielen bildungspolitischen Probleme wird durch die Mittlere Reife gelöst. Im Gegenteil: Es werden neue Probleme geschaffen.

• Kein Land trennt die Kinder so früh wie wir, also mit neuneinhalb Jahren. Deutschland folgt mit zehn Jahren, die anderen Länder trennen teilweise erst mit 16 Jahren.

• Und jetzt soll mit der „mittleren Reife“ eine weitere Hürde aufgebaut werden. Auch hier wären wir dann weltweit Spitze. In keinem anderen Land gibt es eine „mittleren Reife“ bereits mit 14 Jahren. Am ehesten noch in der Slowakei, wo die Aufnahme ins Gymnasium nur nach einer erfolgreichen Aufnahmeprüfung mit 14 Jahren erfolgt. Wollen wir uns wirklich an einem Land orientieren, dass bei dem letzten PISA-Test in der Lesefähigkeit nur knapp vor Österreich liegt (mit 477 Punkten, Ö: 470 Punkte)? Oder wäre es nicht doch besser, sich an europäischen Spitzenländern wie Finnland zu orientieren?

Von einem Konzept kann bei diesem Vorschlag von Schmied und Karl nicht gesprochen werden.

• Noch ist völlig unklar, wie diese Prüfung ausschauen soll. Schmied spricht von einem Zeugnis mit „verbalen Ergänzungen“. Dann haben wir ja wieder subjektive Einschätzungen von Lehrkräften. Dass LehrerInnenurteile bei gleicher SchülerInnenleistung oft sehr unterschiedlich ausfallen, ist hinlänglich bekannt. Wie werden künftig wohl die Zeugnisse jener SchülerInnen ausschauen, bei denen sich die Eltern bei der Lehrerin stark machen und jene, bei denen die Arbeiter/Hausfrauen-Eltern nie einen Schritt in die Schule setzen?

• Noch ist völlig unklar, warum es die „mittleren Reife“ braucht. Nach der ÖVP-Logik haben wir die Besten der Besten ja bereits mit neuneinhalb Jahren aussortiert und in eine Eliteschule gesteckt. Nimmt die ÖVP und mit ihr offensichtlich auch BM Schmied jetzt an, dass die Besten der Besten nach vier Jahren Eliteschule jenen Stand nicht erreichen, den die meisten in der Hauptschule bzw. Neuen Mittelschule erreichen sollten?

• Schmied meint, es sei „naheliegend“, dass Bildungsstandards, die es für die achte Schulstufe ab dem Schuljahr 2012 gibt, „eine Rolle spielen werden“. Ich war von Anfang an mit meiner Schule bei der Entwicklung dieser Standards beteiligt. Es handelt sich dabei um „Regelstandards“ und nicht um „Minimal-Standards“ – und somit um ein völlig anderes Kompetenz-Konzept.

Ein modernes pädagogisch-didaktisches Konzept muss im Gegensatz dazu gerade die Doppelrolle von Lehrenden – Coach und Richter – auflösen und nicht noch verstärken. Schmied macht sich aber zur Erfüllungsgehilfin der bildungspolitischen Retropolitik von Pröll sen., Pröll jun., Neugebauer & Co. Aus Koalitionsraison wird Steuergeld in einem viergliedrigene Schulsystem mit der gesamten dahinterliegenden Verwaltung verschwendet, obwohl aus Sicht der Ministerin darin kein Vorteil zu finden ist!

Ich habe die Ministerin aufgefordert, diesen teuren pädagogischen Unsinn umgehend zu stoppen, mit der Geldverschwendung durch die inzwischen viergliedrige Sekundarstufe zu beseitigen und endlich nachvollziehbare Schritte in Richtung Schulreform zu setzen. Was wir jetzt haben, ist teuer und zudem kontraproduktiv.

Wir können es uns nicht leisten, Begabungen verkümmern zu lassen.

Das oberste Prinzip unserer Bildungspolitik hat zu lauten: „Kein Kind zurücklassen!“