12. Juni 2021

Alles gut? Die „Aula“ und die Justiz

2021-06-12T11:13:15+02:0012.06.21, 11:13 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , |

Der Kampf gegen die Verunglimpfung von Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen („Landplage“, „Horde“, „Massenmörder“, …) durch die rechtsextreme „Aula“ scheint durch das gestern veröffentlichte Urteil Obersten Gerichtshof (OGH) endgültig gewonnen zu sein.

Auf diesem Blog kann diese fast unendliche Geschichte nachgelesen werden, beginnend im Februar 2016 („Aula-Affäre: Justizministerium top – Rechtsschutzbeauftragter flop?“) und in der Folge einer Vielzahl weiterer Beiträge. (Für Interessierte: In die Suchfunktion einfach „Aula“ eingeben.)

„Aula“ hin, „Aula“ her. Und auch ihre Verstrickung mit der FPÖ soll hier nicht weiter thematisiert werde; die wurde auf diesem Blog aber ebenfalls mehrfach dokumentiert. Das gilt auch für den angeblich so regierungsfähigen Norbert Hofer (Norbert Hofer: mit der Aula „auf Du und Du“).

Dass die „Aula“ als rechtsextrem einzustufen und nichts anderes zu erwarten war, ist eine Tatsache. Das größere Problem war der Umgang der Justiz mit diesem Skandal. Es begann damit, dass eine von mir eingebrachte Anzeige im Jahr 2015 von der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt worden war: Die Begründung sorgte international für Entsetzen, weil darin festgehalten wurde, dass sich die Bevölkerung 1945 durch die befreiten KZ-Häftlinge zurecht „belästigt“ gefühlt habe.

Insgesamt gab es zwei medienrechtliche Entscheidungen, die nun vom  als „rechtsfehlerhaft“ zurückgewiesen wurden. Jetzt stellt der OGH klipp und klar fest, dass das Landesgericht und das Oberlandesgericht in Graz das „Gesetz in vielfacher Weise verletzt“ haben.

Ein von zehn Überlebenden angestrengtes zivilrechtliches Verfahren wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung sowie auf Unterlassung hatte die Gruppe inzwischen gewonnen. Ich durfte damals in meiner Funktion als vergangenheitspolitischer Sprecher der Grünen diese Gruppe unterstützen und hatte in Maria Windhager die perfekte Rechtsanwältin, die mit großer Hartnäckigkeit an der Sache drangeblieben ist. Meine damalige Mitarbeiterin Andrea Stangl, eine studierte Historikerin, hat diese Causa mit unglaublichem Engagement weitergetrieben, Überlebende kontaktiert und sie zur Klage motiviert, Beweise gesammelt etc.

Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die Grazer Fehlurteile können auch durch den Spruch des OGH nicht revidiert werden, weil das österreichische Strafrecht ein Schlechterstellungsverbot kennt. Das bedeutet in diesem Fall: Da die „Aula“ in Graz rechtskräftig freigesprochen wurde, kann sie nicht im Nachgang verurteilt werden.

Aber die Tatsache, dass Österreich im Jahr 2019 in dieser Causa vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg verurteilt wurde, weil die Republik die Diffamierten − als Kläger trat der inzwischen verstorbene Aba Lewit auf − nicht vor der Verleumdung durch die Aula geschützt hat, müsste einen Nachdenkprozess einleiten.

„Alles gut“? Noch lange nicht!



10. Oktober 2019

EGMR rehabilitiert Mauthausen-Befreite!

2019-10-10T22:30:38+02:0010.10.19, 10:56 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , |

Das ist ein Riesenerfolg – und eine Watschen für die österreichische Justiz!

Jahrelang habe ich die unsagbare Hetze der FPÖ-nahen Zeitschrift „Aula“ gegen Überlebende des KZs Mauthausen angeprangert und prozessiert. Dafür musste ich über zehn Überlebende finden, in deren Namen die Klage eingebracht werden konnte. Es gab ein zivil- und ein medienrechtliches Verfahren. Nicht immer haben österreichische Gerichte in unserem Sinn entschieden.

Zu den Hintergründen der Klage: „Aula“-Skandal vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Zwar wurde in Österreich das zivilrechtliche Verfahren gewonnen, nicht aber das medienrechtliche. Daher haben wir einen betroffenen ehemaligen Mauthausen-Ex-Häftling, Aba Lewit, dabei unterstützt, Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einzubringen. Hier die Klagsschrift (EGMR-Beschwerde).

Der straf- und medienrechtliche Schutz hat in dieser Angelegenheit von Anfang an schon mit der Einstellungsbegründung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Graz komplett versagt, auch die Begründungen für die Verweigerung des Rechtsschutzes im medienrechtlichen Verfahren wegen § 6 MedienG waren nicht akzeptabel. Das bestätigt nun der EGMR in einem einstimmig zustandegekommenen Urteil. Hier der Link zum Urteil.

Ich danke allen Beteiligten – vor allem Aba Lewit, der stellvertretend für die anderen im Medienverfahren Betroffenen die Beschwerde auf sich genommen hat, unserer Rechtsanwältin Maria Windhager, meiner ehemaligen Mitarbeiterin Andrea Stangl für ihre unermüdliche Arbeit und den Grünen für die finanzielle Unterstützung bei dieser Klage.

21. Februar 2018

Anerkennung von sogenannten „Berufsverbrechern“ und „Asozialen“ als Opfer im Nationalsozialismus

2018-05-21T10:27:53+02:0021.02.18, 9:54 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , |

Es ist kaum zu glauben, aber 80 Jahre nach dem „Anschluss“, 73 Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrorregimes haben wir noch immer eine durch die Republik nicht anerkannte Opfergruppe. Wären wir Grüne nicht aus dem Nationalrat geflogen, wäre daher eines meiner Vorhaben in dieser Legislaturperiode gewesen, die Anerkennung von sogenannten „Berufsverbrechern“ und „Asozialen“ als Opfer im Nationalsozialismus in Verhandlungen mit anderen Parlamentsparteien anzuregen und möglichst durchzusetzen.

Auslöser meiner Intention war der Aula-Skandal, in dem bekanntermaßen Mauthausen-Überlebende pauschal als Kriminelle diffamiert wurden. Das Erschütternde dabei war nicht, dass dies in der Aula zu lesen war, denn von dort erwarte ich mir nichts anderes – auch wenn der von uns angezeigte und dann geklagte Artikel alle erträglichen Maße weit überschritten hatte. Aber die Begründung, mit der das Verfahren nach meiner ersten Anzeige seitens der Grazer Staatsanwaltschaft im Dezember 2015 eingestellt wurde, war schlichtweg erschütternd: Dort wurde nämlich indirekt die NS-Judikatur fortgeschrieben, indem die während der NS-Zeit als „Kriminelle“ internierten KZ-Häftlinge nach der „allgemeinen Lebenserfahrung“ – so die zuständige Staatsanwältin – aufgrund ihrer kriminellen Energie Straftaten wohl auch nach der Befreiung verübt hätten.

Seit Jahren belegte Tatsache ist jedoch, dass genau diese Opfergruppe die erste nach dem „Anschluss“ war, die in das bereits 1938 errichtete KZ Mauthausen eingeliefert wurde, und das einzig aufgrund von kleineren Vergehen, die zuvor bereits bestraft wurden. Sie wurden präventiv verhaftet und ins KZ deportiert. Vielfach getroffen hat es Personen aus den widerständigen Arbeiterbezirken aus Wien, Menschen, die unangepasst waren, die fürs gleichgeschaltete gehorsame Menschenbild der Nazis nicht „brauchbar“ waren: Sie waren sozial schlichtweg nicht gewünscht und sollten vernichtet werden. Der Wiener Soziologe Andreas Kranebitter, der uns im Zuge unserer Klagen gegen die Aula wissenschaftlich unterstützt hatte, folgerte daher, es sei an der Zeit, die fortgesetzte NS-Stigmatisierung dieser womöglich letzten tabuisierten Häftlingsgruppen zu beenden.

Nun darf ich – wenn schon nicht als Nationalratsabgeordneter in Österreich – dann wenigstens als engagierter Bürger und Historiker als Erstunterzeichner eine Petition an den Deutschen Bundestag unterstützen: „Anerkennung von ‚Asozialen’ und ‚Berufsverbrechern’ als Opfer des Nationalsozialismus“. Ich wünsche dieser Petition viel Erfolg und hoffe, dass sie nach Österreich ausstrahlen wird. Meine Erwartung an diese Regierung, deren Juniorpartner – die FPÖ – von einem braunen Skandal in den nächsten stolpert, an einen Kanzler, der dazu bestenfalls wirkungslose Plattitüden von sich gibt, geht gegen Null. Aber vielleicht schaffen wir es zumindest, im Bewusstsein auch hierzulande zu verankern, dass wir noch eine Bringschuld zu erledigen haben, nämlich posthum tatsächlich alle Opfer der NS-Zeit zu rehabilitieren und damit auch deren Nachfahren von einer historischen Last zu befreien.

Bitte unterzeichnen auch Sie diese Petition. Vielen Dank!

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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