Was ist nur los mit der ÖVP? Sie ist offenkundig in Panik und irrlichtert politisch seit Monaten. Unter dem Titel „Vernunft steht Kopf!“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar veröffentlicht. Hier zum Nachlesen:

Bundeskanzler Karl Nehammer mobilisierte am Montag für den Verbrennermotor. Seine indirekte und gegen alle Wissenschaft formulierte Botschaft: Österreich soll das auf EU-Ebene beschlossene Aus für den Verbrennermotor ab 2035 wieder kippen. Dabei gibt es dieses Aus gar nicht. Die von Nehammer so vehement geforderte „Technologieoffenheit“ ist gewährleistet. Beschlossen ist nur, dass Antriebsmotoren CO2-neutral sein müssen. Wasserstoffantriebe sind also durchaus möglich.

In Wirklichkeit will Nehammer kurz vor den Wahlen politisches Kleingeld lukrieren, der FPÖ einige Stimmen abspenstig machen und Diesel-Aficionados vermitteln, er wolle die „Stinker-Autos“ retten. Steht die Vernunft Kopf?
In den großen Auto-Konzernen weiß man ebenso wie auf internationalen Börsen: Die Zukunft des Individualverkehrs heißt E-Mobilität. In diesem Bereich ist die Infrastruktur – vor allem Ladestationen – inzwischen weitgehend vorhanden. Der Chef des größten deutschen Autokonzerns VW verlangt daher, dass das auch die Politik klarstellt. Europas Konzerne brauchen Sicherheit, um gegenüber China und den USA nicht noch weiter in Rückstand zu gelangen.

Ökonom als Mahner

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat am Samstag im Ö1-Mittagsjournal betont, der Ausstieg aus fossiler Energie sei unabdingbar und zudem wirtschaftlich eine große Chance. Die E-Mobilität ist die Technologie der Zukunft. Daran wird auch die ÖVP nichts ändern können.

In einem anderen Bereich aber kann ihre Blockade fatale Folgen haben. Über 80 Prozent der Lebensräume in Europa sind ökologisch in einem schlechten Zustand. Auf EU-Ebene will man daher bis 2030 kranke Wälder wieder klimafit machen, Moore wieder bewässern und als CO2-Speicher nutzen, zahlreiche „Flussautobahnen“ renaturieren. Die Mehrheit ist dafür, es braucht aber eine „qualifizierte“ Mehrheit. Österreich ist das Zünglein an der Waage, blockiert den Beschluss aber.

Bei uns wollen Landeshauptleute und Wirtschaftskammer-Funktionäre noch immer mit Methoden des 20. Jahrhunderts die wirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern. Das gefährdet den wirtschaftlichen Fortschritt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dabei gibt es hierzulande schon einige Vorzeigeprojekte. Man denke etwa an den renaturierten Emmebach entlang der Autobahn bei Altach, das sanierte Hochmoor Schollenschopf in Hohenems oder die geplante Renaturierung des Rheins im Zuge des Hochwasserschutzprojektes „Rhesi“. Das reicht aber natürlich nicht. Es braucht auf EU-Ebene das für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Renaturierungsgesetz.

Das von den ÖVP-Landeshauptleuten – in der SPÖ scheint ein Umdenken inzwischen möglich – zu verantwortende Nein zu diesem Gesetz verhindert derzeit die notwendige Mehrheit auf EU-Ebene. Kann es sein, dass Landeshauptleute aus Österreich einen für den ganzen Planeten wichtigen Beschluss auf EU-Ebene verhindern? Es kann sein. Es dürfte aber nicht sein!