10. Januar 2017

Oberster Gerichtshof entscheidet gegen rechtsextreme Aula

2017-01-10T22:24:06+01:0010.01.17, 18:44 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , |

hofer_aula_kleinNun hat die Letztinstanz, der Oberste Gerichtshof (OGH), ĂŒber unseren Antrag auf eine Einstweilige VerfĂŒgung gegen die FPÖ-nahe Zeitschrift Aula entschieden: zugunsten der KlĂ€gerInnen. Wir freuen uns mit den KlĂ€gerInnen, acht Überlebende des KZ Mauthausen, Rudolf Gelbard als Überlebender des KZ Theresienstadt und Caroline Shklarek-Zelman, die Tochter des Mauthausen-Überlebenden Leon Zelman.

Ein kurzer Überblick: Die KlĂ€gerInnen fĂŒhren mit GrĂŒner UnterstĂŒtzung zwei Verfahren gegen die rechtsextreme Aula und deren Autor Manfred Duswald, der in einem Artikel KZ-Überlebende pauschal als Massenmörder und Landplage bezeichnete: ein medienrechtliches und zivilrechtliches. Im zivilrechtlichen Verfahren wurde nun der Antrag auf Unterlassung der Wiederholung dieser und Ă€hnlicher Aussagen bis zum Ende des Verfahrens in zwei Instanzen gewonnen. Der OGH bestĂ€tigte nun als Letztinstanz die vorhergehende Entscheidung.

Es wurde uns nicht nur in der Auslegung des Bedeutungsinhalts des Duswald-Artikels recht gegeben – also wie der Artikel inhaltlich zu verstehen ist –, sondern explizit auch die sogenannte „Aktivlegitimation“ der zehn KlĂ€gerInnen anerkannt: Bislang war es in der österreichischen Rechtsprechung sehr schwierig, eine Klagslegitimation von einzelnen Mitgliedern eines sehr großen beschuldigten Kollektiv zu bekommen. Im Fall der Mauthausen-Befreiten wĂ€ren das ca. 17.000 betroffene Mitglieder eines Kollektivs. Der OGH stellte in seiner stĂ€ndigen Rechtssprechung darauf ab, dass es einem so großen Kollektiv an der Überschaubarkeit und damit an der Betroffenheit der einzelnen Mitglieder mangle.

In unserem Fall ist es nun jedoch gelungen, fĂŒr alle KlĂ€gerInnen eine persönliche Betroffenheit von der konkreten Diffamierung durch den Aula-Artikel unter Beweis zu stellen, in dem deren jeweiliges Lebensschicksal (WiderstandskĂ€mpfer bzw. aus politischen oder rassischen GrĂŒnden Verfolgte bzw. eine Nachfahrin eines aus rassischen GrĂŒnden Verfolgten) ins Treffen gefĂŒhrt wurde. Diese persönliche Betroffenheit wurde vom OGH ausdrĂŒcklich anerkannt, womit das Kriterium der Überschaubarkeit in den Hintergrund rĂŒckte.

Wir gehen nun zusammen mit unserer AnwĂ€ltin Maria Windhager davon aus, dass wir auch das zivilrechtliche Hauptverfahren gewinnen werden, weil die entscheidende Rechtsfrage bereits vom OGH beantwortet wurde. Der Umstand, dass der OGH die persönliche Betroffenheit der KlĂ€ger anerkennt, hat wohl eine historische Dimension, denn dadurch wird es kĂŒnftig mehr Klagen in Ă€hnlich gelagerten FĂ€llen geben können.

Hochrangie FPÖ-PolitikerInnen, wie zuletzt der gescheiterte BundesprĂ€sidentschaftskandidat Norbert Hofer, sollten es sich zukĂŒnftig genau ĂŒberlegen, ob sie mit einer Zeitschrift posieren, ĂŒber deren Artikel zuletzt der OHG sagt, dass es hierbei „nicht nur in moralischer Hinsicht an Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus mangle, sondern es sich vielmehr um unwahre und an IntensitĂ€t kaum zu ĂŒberbietende VorwĂŒrfe von kriminellem Verhalten“ handelt.

7. Juli 2016

Mauthausen-Überlebende klagen „Aula“: „Es reicht“

2016-07-08T09:27:34+02:0007.07.16, 16:14 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , |

harald_justizpalastWir haben den Artikel „Mauthausen-Befreite als Massenmörder“ in der Aula, dem aus meiner Sicht klar neonazistischen Zentralorgan der blauen Burschenschafter, in Erinnerung. Ich habe damals Anzeige erstattet. Die Grazer Staatsanwaltschaft hat das Verfahren im Dezember 2015 eingestellt, dies mit einer Skandal-BegrĂŒndung, die ihresgleichen sucht. Es ist ungeheuerlich: Vom Justizminister abwĂ€rts haben sich PolitikerInnen vom Artikel distanziert und die EinstellungsbegrĂŒndung der Grazer Staatsanwaltschaft als „menschenverachtend“ massiv kritisiert. Trotzdem waren meine juridischen Möglichkeiten, gegen die Impertinenz der Aula und des Autors Fred Duswald vorzugehen, ausgeschöpft.

Nun haben jedoch acht ehemalige HĂ€ftlinge des Lagerkomplexes Mauthausen Klage gegen die Aula eingereicht. Dem haben sich Rudolf Gelbard (ehemaliger HĂ€ftling Theresienstadt) und Caroline Shklarek-Zelman, die Tochter des Mauthausen-Überlebenden Leon Zelmann, angeschlossen. Möglich war dies, weil auch in Folgenummern der Aula und in Briefen an ihre Abonnenten die braune Diffamierungskampagne fortgesetzt wurde.

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Brief der Aula an Abonnenten (Febr. 2016, Ausschnitt)

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Jan Topolewski 1946

Da ist unter den KlĂ€gern beispielsweis Jan Topolewski: Verhaftet 1944 wĂ€hrend des Warschauer Aufstandes, fĂŒhrte sein Martyrium von Auschwitz ĂŒber Mauthausen nach Gusen, wo er am 5. Mai 1945 befreit wurde. Seine Mutter wurde in Auschwitz ermordet, sein Vater in Mauthausen. Er konnte nach einem lĂ€ngeren Krankenhausaufenthalt erst Ende 1946 nach Polen zurĂŒckkehren. „Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung bin ich entrĂŒstet ĂŒber den Inhalt des Artikels ‚Mauthausen-Befreite als Massenmörder‘ von Fred Duswald. (…) Ich fĂŒhle mich persönlich durch die Verallgemeinerungen im Artikel betroffen. In meinem Empfinden ist das eine historische Verdrehung der Geschichte und verletzt die WĂŒrde der unschuldig Ermordeten.“

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Jan Topolewski (re) in poln. Botschaft Wien

Oder Pavel Branko, dessen „KriminalitĂ€t“ darin bestand, in der Slowakei politischen Widerstand gegen das NS-Regime geleistet zu haben. Er verbrachte „nur“ die letzten drei Monate in der Hölle von Mauthausen und kehrte zehn Tage nach seiner Befreiung von 65 auf 39 Kilo abgemagert nach Bratislava zurĂŒck: „Meine Empörung gilt der unzumutbaren Aufbauschung und Verallgemeinerung, die der Autor des Beitrags ‚Mauthausen-Befreite als Massenmörder‘ Fred Duswald der Öffentlichkeit bietet. (…) Massenmord war die gezielte Vernichtungspolitik, die das KZ-System des Dritten Reiches gegen die Millionen von HĂ€ftlingen betrieb, wodurch sie Massenhaß erzeugte. Und noch grĂ¶ĂŸere Empörung erweckt in mir die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwalt in Graz, die hiermit der Neonaziszene Vorschub leistet.“

Wir GrĂŒne unterstĂŒtzen zusammen mit unserer RechtsanwĂ€ltin Maria Windhager diese Klage mit allen uns zur VerfĂŒgung stehenden Mitteln: Wenn Justitia – so wie in Graz – versagt, sehen wir es als unsere Verpflichtung an, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen – fĂŒr die Überlebenden und im Gedenken an die Ermordeten.

1. April 2016

Gastbeitrag: Wo die Republik beginnt und endet. (Wolfgang Schmutz)

2016-04-01T16:32:15+02:0001.04.16, 16:21 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , |

uebergabe_mauthausenAls ehemaliger pĂ€dagogischer Mitarbeiter in Mauthausen habe ich es mit Geschichte, also möchte ich gerne von vorne beginnen, am Beginn der Zweiten Republik, in der GrĂŒndungszeit der GedenkstĂ€tte. In der UnabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung vom 27. April 1945, wurde unter der FederfĂŒhrung Karl Renners festgehalten, dass es Adolf Hitler gewesen sei, der „das macht- und willenlos gemachte Volk Österreichs in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg gefĂŒhrt hat, den kein Österreicher jemals gewollt hat, jemals vorhergesehen oder gutzuheißen instand gesetzt war, zur Bekriegung von Völkern, gegen die kein wahrer Österreicher jemals GefĂŒhle der Feindschaft oder des Hasses gehegt hat“. (1).

Damit schlĂ€gt die Geburtsstunde des Opfermythos zu einem Zeitpunkt, als das KZ Mauthausen noch eine weitere Woche existiert, Morde und Tote sieht. Doch die Externalisierung der TĂ€terschaft funktioniert, auch in der bald als „Öffentliches Denkmal“ entstehenden KZ-GedenkstĂ€tte Mauthausen. Im Juni 1947, bei der Übergabe der baulichen Überreste durch die Sowjetbesatzer an die Republik, fand die Geschichtsklitterung ein erstes bauliches Echo. Die EhrentribĂŒne fĂŒr die Zeremonie zimmerte man kurzerhand aus den Überresten des SS-Kinos, das unweit des Lagertors zusammenfiel.

In der Folge verschwanden die meisten Baracken des ehemaligen Lagers, im ehemaligen SS-Bereich verschwand so gut wie alles und damit auch die bauliche Manifestation der eigenen TĂ€terschaft. Das GelĂ€nde zwischen Lagertor und Steinbruchkante mutierte zu jener tabula rasa, auf der spĂ€ter der Denkmalpark errichtet werden konnte. Fortan war es möglich, im Gedenken an die Verbrechen an der „guten“ Seite, jene der „auslĂ€ndischen“ Opfer zu stehen.

Nach und nach klappte es aber auch, die „eigenen“ Opfer zu instrumentalisieren. WĂ€hrend diese zunĂ€chst immer um ihre Anerkennung rangen, gelang es, sobald diese einmal erfolgt war, die Opfer in das gesamtstaatliche Opfernarrativ zu inkorporieren. Gerade an Mauthausen lĂ€sst sich nachvollziehen, dass daran nicht zuletzt auch die (politischen) OpferverbĂ€nde ihren Anteil hatten, als sie beispielsweise dem Abriss der Baracke 5 („Judenbaracke“) und des Block 20 (Ausgangspunkt der Massenflucht sowjetischer HĂ€ftlinge) zustimmten – im Abtausch mit einem zu installierenden Museum, das dann 1970 von Bruno Kreisky eingeweiht wurde.

einweihung_figl-denkmal_mauthausenAnlĂ€sslich des 110. Geburtstagstages von Leopold Figl richtete die ÖVP Niederösterreich am 2. Oktober 2012 eine Feier an der GedenkstĂ€tte Mauthausen aus. Dabei wurde eine freistehende Skulptur geweiht, die darin erinnert, dass der nachmalige Bundeskanzler und Außenminister einige Monate in Mauthausen inhaftiert war.
Die feierliche Zeremonie am Appellplatz wurde, wie am Bild zu sehen ist, von zahlreichen Abordnungen des NÖ Kameradschaftsbundes flankiert. Zum Nachkriegsnarrativ der Veteranen wurde von heimischen Historiker_innen Beachtenswertes geschrieben, zum 2. Oktober 2012 blieben die einschlĂ€gigen Stimmen stumm. Die Skulptur wurde zudem entgegen der Empfehlungen des Neugestaltungsbeirates aufgestellt, doch auch der schwieg sich öffentlich dazu aus. Die Leserin, der Leser mag es erahnen: Es gab personelle Überlappungen.

mitterlehner_befreiungsfeier_mauthausenSeit 2012 hat die ÖVP jedenfalls einen neuen Kundgebungsort in Mauthausen, prominent in der NĂ€he der Krematorien und der Gaskammer, wie man an diesem Foto aus dem Mai 2015 erkennen kann.

Die GedenkstĂ€tte als BĂŒhne und ProjektionsflĂ€che, das war und ist sie seit ehedem sowohl politisch als auch hinsichtlich hegemonialer gesellschaftlicher ErzĂ€hlungen. Der gegenwĂ€rtige akademische Diskurs ĂŒber gesellschaftliche Netze rund um die Konzentrationslager, die damit einhergehende Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung ist jedoch bislang nur in Bruchteilen in einer breiteren österreichischen Gesellschaft angekommen.

modell_kz-mauthausen
Noch immer versteht man Mauthausen landlĂ€ufig als isolierten Ort, so wie in diesem Modell aus den 60er-Jahren, ein KZ in der Mitte des Nirgendwo, unter einem Glassturz, einer Glocke. Dem versucht das pĂ€dagogische Konzept der GedenkstĂ€tte Mauthausen entgegenzuwirken, also sich an diesem Modell eben nicht anzulehnen, sondern die mitgebrachten Vorstellungen und das „Ich“ in Dialog mit widersprĂŒchlichen historischen Situationen und Begebenheiten, in Widerspruch zu nach wie vor gĂ€ngigen ErzĂ€hlmustern zu bringen.

Also doch Fortschritte in Mauthausen? Ja, aber entgegen der großen Linie. Man darf den Rahmen nicht aus den Augen verlieren. Sehr spĂ€t, aber doch orientiert sich Mauthausen mit dem „Neugestaltungsprozess“ an den Entwicklungen, die deutsche GedenkstĂ€tten schon davor genommen haben, in der PĂ€dagogik hat sie Pionierleistungen erbracht, die zurĂŒck nach Deutschland ausstrahlen. Klingt doch gut? Ja, aber die entscheidende Frage ist, ob dahinter Attitude oder nur AttitĂŒde steckt. Wenn man genauer hinsieht – das kann man zum Beispiel anhand des Online-Pressespiegels der Vermittlerinnen-Initiative – ist zu erkennen: Es geht um letzteres. Man ist vor allem Beifallsheischend darum bemĂŒht, die MĂ€ngelliste aus der Vergangenheit abzuarbeiten. Die VersĂ€umnisse in einer an vergangenheitspolitischen Unterlassungen nicht gerade armen Republik, sie werden am Kulminationspunkt Mauthausen abgearbeitet, aber nicht aufgearbeitet. Die PhĂ€nomene, die sich hinter den MĂ€ngel verbergen, die zugrundeliegende Systematik, sie bleiben dabei tendenziell ausgespart.

Das aber könnte doch in einer ausgelagerten GedenkstĂ€tte anders werden, oder? Ja, wenn die Auslagerung tatsĂ€chlich eine wĂ€re. Was derzeit stattfindet, ist jedoch eine Auslagerung zum Schein, denn die Staatsquote wird nicht gesenkt, sondern einzementiert. Die brennende Frage ist: Wen kĂŒmmert’s? Nach Jahrzehnten des Kampfes um die Erinnerung an sich, mit durchwachsenem Ergebnis, scheinen nun so gut wie alle Beteiligten froh, dass sich die GedenkstĂ€tte endlich „bewegt“; dabei wird aber kaum mehr diskutiert, was und wer die GedenkstĂ€tte bewegen sollte. Die Mahner sind offenbar saturiert geworden. Das scheint mir jedoch fahrlĂ€ssig, aufgrund des oben skizzierten Umgangs seit 1947, mit all seinen schauderhaften Echos bis in die Gegenwart. Das Delegieren von Verantwortung an die Politik mĂŒsste aus diesen Erfahrungen heraus beendet, gesinnungspolitisch motivierte Deutungshoheiten so weit wie möglich ausgeklammert werden und damit der Ort freigemacht fĂŒr offene, zivilgesellschaftliche Interpretationen.

 

Der Artikel folgt im Kern einem Kurzvortrag vom 15. MĂ€rz 2016, gehalten im Depot Wien, anlĂ€sslich der BuchprĂ€sentation „Erinnerungsorte In Bewegung“ (Transcript-Verlag). Der darin erschiene Beitrag ist die Grundlage dieser AusfĂŒhrungen und beschĂ€ftigt sich ausfĂŒhrlich mit dem erinnerungspolitischen Rahmen fĂŒr die Vermittlung an der GedenkstĂ€tte Mauthausen.

(1) StGBl. Nr. 1, 1. Mai 1945, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/ BgblPdf/1945_1_0/1945_1_0.pdf

Bildnachweis:
1. Die feierliche Übergabe der GedenkstĂ€tte, 20. Juni 1947. Quelle: Fotoarchiv der GedenkstĂ€tte Mauthausen/Sammlung BHÖ
2. Abordnungen des NÖ Kameradschaftsbund bei der Einweihung des Figl-Denkmals. Ehemaliger Appellplatz, 2. Oktober 2012. Quelle: OKB Niederösterreich
3. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hÀlt eine Rede am Figl-Denkmal. Befreiungsfeier, 10. Mai 2015. Quelle: BM.I/Michael Dietrich
4. Modell des Konzentrationslagers im Besucherzentrum der GedenkstÀtte. Quelle: Privat.

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Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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