„GlĂŒcksfall EU!“

2024-09-12T10:58:56+02:0012.09.24, 9:44 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|Tags: , , |

Was wĂ€re, wenn wir die vielgescholtene EU nicht hĂ€tten? Europa wĂ€re nicht nur (wie schon jetzt) ein politischer Zwerg, sondern zusĂ€tzlich auch noch ein wirtschaftlicher. In diesem Bereich aber zeigt die Kommission – unterstĂŒtzt von der unabhĂ€ngigen Justiz im EuGH – zunehmend ZĂ€hne und weist auch scheinbar allmĂ€chtige Großkonzerne in die Schranken. Und zwar mit Erfolg. Neben anderen Vorteilen ist auch dasein wichtiger Pluspunkt, den unser Land ohne die EU nicht fĂŒr sich verbuchen könnte.

Unter dem Titel „GlĂŒcksfall EU!“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar geschrieben. Hier zum Nachlesen:

Am Dienstag hat der EuropÀische Gerichtshof eine von der EU-Kommission verhÀngte Geldstrafe in Höhe von 2,4 Milliarden Euro gegen den amerikanischen Google-Konzern bestÀtigt. Damit nicht genug: Auch der Apple-Konzern verlor seinen Kampf um SteuernachlÀsse in Irland und muss insgesamt 13 Milliarden nachzahlen.
Das sind keine EinzelfĂ€lle. Allein wegen WettbewerbsverstĂ¶ĂŸen hat die EU in den letzten Jahren eine ganze Reihe an Milliardenstrafen gegen Banken, Auto- und Chemiekonzerne etc. ausgesprochen. Die Einzelstaaten der EU hĂ€tten dazu wohl kaum genĂŒgend Kraft. Das sollte all jenen zu denken geben, die „BrĂŒssel“ stets fĂŒr alle möglichen MissstĂ€nde verantwortlich machen.

Der Richterspruch in Luxemburg ist auch eine schallende Ohrfeige fĂŒr das EU-Mitglied Irland. Das Steuerparadies hatte Apple eine Steuerquote von 0,005 Prozent (!) eingerĂ€umt und dadurch die EU-Beihilferichtlinien verletzt. Damit ist es vorbei. Der iPhone-Hersteller muss die saftige Steuernachzahlung leisten.

Wo wĂ€re Österreich ohne die EU? Ein kleines Land inmitten des weltweit aggressiver werdenden Raubtierkapitalismus? Ein Land wie die reiche Schweiz, die sich in zunehmend komplizierterer AbhĂ€ngigkeit von der EU befindet, unzĂ€hlige Abkommen schließen muss, um am Binnenmarkt teilnehmen zu können, aber nicht mitbestimmen darf und dennoch mitzahlen muss? Kleine LĂ€nder können von global agierenden Konzernen leicht gegeneinander ausgespielt werden – zumal wenn deren BIP deutlich niedriger ist als der Jahresumsatz der Unternehmen.

Freilich ist es fĂŒr hiesige Politiker einfach, die Verantwortung fĂŒr unliebsame Entscheidungen oder gar eigenes Versagen nach Europa abzuschieben. Dass diese populistischen Angriffe auf „BrĂŒssel“ bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden fallen liegt auch in der Verantwortung der Medien. Sie greifen allzu oft europapolitische Debatten mit der „wir gegen die“-MentalitĂ€t auf. Die zur Zeit stattfindende Diskussion um die Schließung nationalstaatlicher Grenzen ist ein gutes Beispiel dafĂŒr.

Dass ein „Öxit“ wie der Brexit ein Spiel mit dem Feuer ist und auch jenen Unternehmen großen Schaden zufĂŒgen wĂŒrde, die populistische Parteien mit ihren Attacken gegen die EU finanziell teilweise krĂ€ftig unterstĂŒtzen, haben die Briten – mit ihrer deutlich grĂ¶ĂŸeren Wirtschaftskraft als Österreich – leidvoll erfahren.

Aber zurĂŒck zum Optimismus: Der politische Zwerg Europa zeigt zumindest wirtschaftlich ZĂ€hne. Unser Kontinent ist diesbezĂŒglich nĂ€mlich eine Großmacht und obsiegt gegen scheinbar allmĂ€chtige Riesenkonzerne. Die Regeln der EU werden daher weltweit grĂ¶ĂŸtenteils umgesetzt. Das sollte Ansporn sein, statt nach weniger nach mehr Europa zu rufen und eine politische Union Wirklichkeit werden zu lassen. Kleinstaaterei ist nicht der Weg aus der, sondern in die Krise. SolidaritĂ€t dagegen wirkt – auch gegen scheinbar ĂŒbermĂ€chtige Gegner wie Google oder Apple.