FĂŒr oder gegen Europa?

2020-05-25T10:12:02+02:0025.05.20, 10:12 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , |

Die EU steht am Scheideweg: Geht es weiter als solidarische Gemeinschaft oder geht es nicht mehr weiter? Unter dem Titel „Schrebergarten-MentalitĂ€t?“ habe ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ die Haltung der „geizigen Vier“ – die sich selbst „sparsame Vier“ nennen – thematisiert. Gerade das Beispiel USA nach dem Zweiten Weltkrieg (Stichwort „Marshall-Plan“) sollte Sebastian Kurz & Co zu denken geben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Europa in TrĂŒmmern. In vielen Staaten sympathisierte ein Teil der Menschen mit dem sowjetischen Modell, der andere hatte wenig Hoffnung auf ein „Auferstehen aus Ruinen“. Wie sollte es weitergehen?

Da entwickelte der amerikanische Außenminister den nach ihm benannten „Marshallplan“. Es war ein riesiges Konjunkturprogramm. Die USA schickten Lebensmittel, Rohstoffe, Maschinen und Fahrzeuge nach Europa und vergaben zudem Milliarden-Kredite. Österreich bekam sogar Geld geschenkt. Die USA handelten dabei auch (!) eigennĂŒtzig, denn der Einfluss der UdSSR wurde zurĂŒckgedrĂ€ngt, die EuropĂ€er kauften amerikanische Waren und kurbelten so die US-Wirtschaft an.

Merkel-Macron-Plan

Eine Ă€hnliche Idee bewog Angela Merkel und Emanuel Macron zu ihrem Programm fĂŒr den Wiederaufbau nach der Corona-Krise: 500 Milliarden Euro sollen in Form von ZuschĂŒssen zur VerfĂŒgung gestellt werden.

Der Plan hat eine SchwĂ€che, weil er die Klimakrise ignoriert: Das Geld soll an Automobilindustrie, zivile Luftfahrt und Massentourismus gehen. Weiter mit Vollgas auf die Wand zu? Das kann nicht sinnvoll sein. Investitionen mĂŒssen ein Umdenken signalisieren und die Situation fĂŒr ein Comeback des sozialen Gedankens in der Politik und den versprochenen „Green Deal“ nĂŒtzen. Die EU-Kommission fordert daher zurecht bis zu 60 Milliarden Euro fĂŒr emissionsfreie Antriebe sowie weitere Mittel fĂŒr ElektroladesĂ€ulen usw. Das Geld ist dringend nötig. Den reicheren Staaten nördlich der Alpen blieben so zentrale Handelspartner erhalten. Hochverschuldete LĂ€nder hingegen könnten ihre Wirtschaft wieder mit zukunftsweisenden Investitionen in Schwung bringen und somit Staatseinnahmen sichern. Ansonsten droht der wirtschaftliche Kollaps, der schlussendlich alle mit in einen AbwĂ€rtsstrudel ziehen wĂŒrde.

Woche der Wahrheit

Doch was passierte? Bundeskanzler Sebastian Kurz preschte im BĂŒndnis mit Schweden, DĂ€nemark und den Niederlanden (die „geizigen Vier“) vor. Sie fordern „Kredite statt ZuschĂŒsse“ und könnten den Vorschlag noch scheitern lassen. Wie auch Deutschland „zahlen“ sie ja derzeit teilweise Minus-Zinsen – bekommen also bei Kreditaufnahmen Geld geschenkt. Aber Italien, Griechenland oder Spanien? Wie sollen sie weitere Zinsbelastungen stemmen?

Wirtschaftswissenschaftler weisen seit Jahren darauf hin, dass die frĂŒheren HartwĂ€hrungs-LĂ€nder auf Kosten der sĂŒdlichen Staaten vom Euro profitieren und die wirtschaftliche Schere immer weiter auseinandergeht. Hilfe fĂŒr diese LĂ€nder ist angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtungen zum Nutzen aller. Immerhin ist beispielsweise Italien Österreichs zweitwichtigster europĂ€ischer Handelspartner.

Diese Woche geht’s in BrĂŒssel ans Eingemachte. Die EU-Kommission muss ein konsensfĂ€higes Modell prĂ€sentieren. Es ist zu hoffen, dass es zu einem vernĂŒnftigen Kompromiss kommt und die europĂ€ische SolidaritĂ€t Oberhand gewinnt vor einer verhĂ€ngnisvollen Schrebergarten-MentalitĂ€t.