Kapitalismus in Nöten

2025-04-18T12:05:03+02:0018.04.25, 8:12 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|Tags: , |

Greift der amerikanische PrĂ€sident wirklich der „Freiheit“, ja der Demokratie in den Schritt, wie das einst Lennart GĂ€bel in einer Karikatur genial auf den Punkt gebracht hat? GerĂ€t die Welt völlig aus den Fugen? Es ist nicht allein Trump, auch sonst mehren sich die Zeichen, dass unser politisches System zunehmend in große Turbulenzen gerĂ€t. Das angeblich „freie Spiel der KrĂ€fte“ in der Wirtschaft ist schon lĂ€ngst ein Spiel unvorstellbar reicher und mĂ€chtiger Oligarchen. In den Vorarlberger Nachrichten habe ich dazu unter dem Titel  einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Man kann es Ironie der Geschichte nennen, eine tragische Fehlentwicklung, das Resultat kapitalistischer Gier oder geplante Planlosigkeit. Großbritannien war jahrzehntelang fĂŒhrend in der Stahlherstellung. Doch ausgerechnet das Mutterland des modernen Kapitalismus musste nach einer langen Phase neoliberaler Wirtschaftspolitik befĂŒrchten, demnĂ€chst ohne Stahlproduzenten dazustehen. Das letzten Stahlwerk stand kurz vor dem Aus.

Doch das britische Parlament hat am letzten Samstag die Reißleine gezogen und beschlossen, die Schließung des Werks durch eine Art Enteignung des chinesischen Betreibers zu verhindern. Formal bleiben die EigentumsverhĂ€ltnisse zwar unangetastet. Der Staat ĂŒbernimmt aber die Kontrolle. Er muss aber auch fĂŒr die enormen Verluste – tĂ€glich ĂŒber 800.000 Euro – aufkommen.

Wieder einmal also mĂŒssen Steuerzahler:innen einspringen. Wir kennen das: Überreiche Profiteure des Systems fahren zwar die riesigen Gewinnen ein, stehlen sich aber in der Krise aus der Verantwortung. Einige wenige hĂ€ufen immense Vermögen an, wĂ€hrend andere nicht wissen, wie sie ihr tĂ€gliches Leben finanzieren sollen. Letztere mĂŒssen dann aber sogar noch ĂŒber ihre Steuern fĂŒr die Verluste der Konzerne aufkommen.

Wegen fehlender Finanzmittel sind die Staaten dann oft nicht in der Lage, genĂŒgend Geld fĂŒr Schulen, KindergĂ€rten, Soziales und die Krankenversorgung bereitzustellen oder Umweltprobleme und Klimaschutz angemessen anzugehen. Auch Vorarlberg exerziert diese Zukunftsvergessenheit derzeit vor. Gigantische Straßenprojekte wie die S18 oder die unsĂ€gliche Tunnelspinne scheinen kein Problem zu sein. Bei Kindern, armutsgefĂ€hrdeten Menschen, solchen mit Behinderung und der Versorgung von Kranken hingegen kann offenbar problemlos gespart werden. 

Die Folgen dieser Einstellung spĂŒren wir bei uns genauso wie weltweit seit Jahren: Erosion demokratischer Strukturen nicht zuletzt wegen der wachsenden Beeinflussung politischer Entscheidungen durch die wirtschaftlich MĂ€chtigen. Das gefĂ€hrdet die innenpolitische StabilitĂ€t und den sozialen Frieden.

War der Beschluss der britischen Regierung vom letzten Samstag trotz der gigantischen Kosten richtig? Man muss die Frage wohl mit Ja beantworten, denn in einer von Planlosigkeit geprĂ€gten instabilen Welt und dem amerikanischen Handelsprotektionismus wĂ€re die vollstĂ€ndige AbhĂ€ngigkeit Großbritanniens von Stahlimporten nicht zuletzt nach dem Austritt aus der EU viel zu riskant. 

Wenn der ehemalige Chef der Industriellenvereinigung angesichts der wirren und fast im Tagesrhythmus wieder zurĂŒckgenommenen Weisungen aus dem Weißen Haus kĂŒrzlich in der „Neuen“ gemeint hat „Fakt ist, Trump hat einen Plan“ erstaunt das zwar selbst hartgesottene Neoliberale. Allerdings gehört ja „Planlosigkeit als Plan“ zur anscheinend angestrebten Wirtschaftsform.