Schreit alles nach Neuwahlen?

2020-04-27T10:58:30+02:0027.04.20, 10:56 |Kategorien: Allgemein, Parteien|Tags: |

Das meint zumindest Johannes Huber in einem Kommentar. Der in diese Richtung interpretierte Vorstoß des Vorarlberger Landeshauptmannes zuletzt war jedenfalls entbehrlich.

Hier mein Kommentar zum Thema in den „Vorarlberger Nachrichten“:

Demokratische Zumutung

Auf Angela Merkel ist in schwierigen Zeiten Verlass. Die deutsche Bundeskanzlerin findet meist nicht nur die richtigen Worte, sondern lĂ€sst auch Taten folgen. Die derzeitige Situation beschreibt sie als „demokratische Zumutung“, die vorsichtig, aber stetig in Richtung NormalitĂ€t zu verĂ€ndern sei.

Und Österreich? „RĂŒckkehr zur NormalitĂ€t: Regierungssprengung ab 15. Mai wieder möglich!“ Das hat am vergangenen Mittwoch das Satireportal „Die Tagespresse“ geschrieben. Landeshauptmann Markus Wallner hat am nĂ€chsten Tag in einem „VN“-Interview die tĂŒrkis-grĂŒnen RegierungsĂŒbereinkommen in Land und Bund infrage gestellt. Wallner sprach von einer „neuen Agenda“ und kĂŒndigte Einsparungen im Sozialbereich und beim Klimaschutz an.

Wallners Vorpreschen hat österreichweit Aufsehen erreget, Neuwahlspekulationen waren in vielen Medien die logische Folge. Johannes Huber („All das schreit nach Neuwahlen“) schrieb in einem Gastkommentar sogar schon von einem möglichen „Superwahltag 11. Oktober“ mit Nationalrats- und Wiener Gemeinderatswahlen. Keine Satire also, wie „Die Tagespresse“ gemeint hat?

Keine neue NormalitÀt!

Doch nicht nur Wallners Vorstoß verunsichert viele. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz wandelt politisch auf gefĂ€hrlichen Pfaden. In einer seiner zahllosen Pressekonferenzen hat er zu verstehen gegeben, dass es „kein ZurĂŒck in die NormalitĂ€t“ geben werde, sondern eine „neue NormalitĂ€t“. Umgehend sprach Christian Rainer im „profil“ zurecht von einer „gefĂ€hrlichen Drohung“.

Demokratie und Rechtsstaat funktionieren auf der Grundlage von Verfassung und Gesetzen. Man mag es dem Zeitdruck zuschreiben, dass die Regierung in den letzten Wochen einige ErlĂ€sse veröffentlicht hat, die einer rechtlichen ÜberprĂŒfung nicht standgehalten haben. Das wurde von Opposition und Medien zurecht kritisiert.

Sebastian Kurz hingegen hat diese notwendige Kritik lapidar als „juristische Spitzfindigkeit“ abgetan. Das hat Verfassungsrechtler und sowohl den amtierenden als auch den Alt-BundesprĂ€sidenten auf den Plan gerufen. In wohltuend unaufgeregter Weise hat Heinz Fischer in einem ZiB2-Interview ein verfassungs- und gesetzeskonformes Handeln eingemahnt. Und Alexander van der Bellen stellte unmissverstĂ€ndlich klar, dass die jetzigen EinschrĂ€nkungen der Grundrechte „mit einem Ablaufdatum versehen sein“ mĂŒssen. Nix da mit „neuer NormalitĂ€t“!

Ungarische VerhÀltnisse?

Man muss die „neue NormalitĂ€t“ zwar nicht gleich mit „Ausnahmezustand“ ĂŒbersetzen, wie das FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl getan hat. GefĂ€hrlich aber ist das Spiel mit solchen Begriffen allemal, wie das Beispiel Ungarn zeigt. „Ungarische VerhĂ€ltnisse“ wollen bei uns wohl die wenigsten.

Der „Corona-Schock“ hat in den letzten Wochen viele vom eigenstĂ€ndigen Denken abgehalten. Dazu beigetragen haben auch einige Medien, die statt kritischer Berichterstattung auf Huldigung umgestellt haben. Es ist zu hoffen, dass beides kein Dauerzustand wird.