17. August 2015

Mein ultimativer Tipp an Sebastian Kurz

2015-08-17T18:06:27+02:0017.08.15, 17:57 |Kategorien: Bildung, Integration|Tags: , |

mikl_kurz

Zur Forderung von Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek nach mehr Geld sagt Sebastian Kurz in einer Presseaussendung: „Ja, nur wenn wir das System Ă€ndern. Ich bin aber nicht dafĂŒr, mehr Geld in ein System zu pumpen, das nicht funktioniert.“

Sebastian Kurz droht nun also der Unterrichtsministerin und will eine schnelle Änderung des Schulpflichtgesetzes zur Einrichtung von FlĂŒchtlingsklassen. Nur wenn die Unterrichtsministerin gehorcht, kriegt sie mehr Geld fĂŒr Sprachförderung in den Schulen.

Ich habe nun beileibe nichts gegen sinnvolle VorschlĂ€ge, egal aus welcher Richtung sie kommen. Wie Kurz jedoch agiert, ist – ums freundlich auszudrĂŒcken – ĂŒberaus mutig. Beginnen wir einmal mit den KindergĂ€rten, die in der ZustĂ€ndigkeit von Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) liegen: Da wird ein Übereinkommen (eine sogenannte 15a-Vereinbarung) zwischen dem Integrations-, Familien- und Bildungsministerium sowie den BundeslĂ€ndern ausgehandelt, die einen Finanzierungsrahmen fĂŒr die vorschulische Sprachförderung festlegt. Das ist zeitlich auf drei Jahre begrenzt. Was danach kommt, wissen wir nicht. Vorgaben, wie die Sprachförderung auszusehen hat – wird auch als „QualitĂ€tsstandards“ bezeichnet –, gibt es nicht. Ist ja klar, denn das Personal, das den Sprachstand der Kinder erhebt, um dann Fördermaßnahmen festzulegen und durchzufĂŒhren, gibt es auch kaum. Warum? Unter anderem deshalb, weil vor allem die ÖVP befindet, dass es fĂŒr KindergĂ€rtnerInnen keine akademische Ausbildung benötigt. Und da diese ja keine akademische Ausbildung haben, kann die Entlohnung auch unter aller Kritik sein. Halten wir fest: Unterrichtet jemand Englisch an einer Sekundarschule, ist eine akademische Ausbildung in diesem Fach Voraussetzung. Begleitet jemand aber Kinder beim hochkomplexen Spracherwerbsprozess, von dem schließlich die weitere Bildungskarriere abhĂ€ngig ist, reicht eine allgemeine Ausbildung in einer Schule fĂŒr KindergartenpĂ€dagogik, die in der Regel im Alter von 19 Jahren abgeschlossen werden kann. Aber ich weiß, 1 + 1 zusammenzuzĂ€hlen, ist manchmal sehr schwierig, vor allem dann, wenn das Ergebnis gar nicht passen will.

Dann gibt es noch das von der ÖVP so hochgehaltene föderale Prinzip, das bedeutet, dass wir je nach Gusto der Landeshauptleute bzw. der Landesregierungen völlig unterschiedliche Regelungen in den KindergĂ€rten haben. Gleiches gilt ĂŒbrigens auch fĂŒr die Pflichtschulen. Um sicherzustellen, dass das Geld aus der 15a-Vereinbarung nicht versenkt wird, soll es eine Beurteilung der Konzepte und Schlussberichte der KindergĂ€rten geben.

Diese Beurteilung macht der Österreichische Integrationsfonds und somit jener Verein, der dem Integrationsminister untersteht und somit Maßnahmen seiner vorgesetzten Behörde beurteilen soll – Marke: Angestellte/r evaluiert eigenen Chef. Die Frage, woher der Integrationsfonds die Kompetenz nimmt, sprachliche FrĂŒhfördermaßnahmen zu beurteilen, stelle ich lieber nicht!

Und das Resultat? Die KindergartenpĂ€dagogInnen fĂŒhlen sich zu Recht ĂŒberfordert und klagen ĂŒber die schlechten Rahmenbedingungen. Die (ohnehin geringen) Gelder fĂŒr Sprachförderungen fließen weiterhin in ein System, das nur mehr schlecht als recht funktioniert.

Also wĂŒrde ich Sebastian Kurz den ultimativen Tipp – heutzutage „Protipp“ genannt, vielleicht versteht er das ja eher? – geben, den Mist im eigenen Stall auszukehren, bevor er den Besen an die Bildungsministerin weiterreicht.

P.S.: Falls Minister Kurz der Republik einen Gefallen tun will, sollte er sich mit seiner Parteikollegin Johanna Mikl-Leitner zusammensetzen und mit ihr erörtern, dass der Bruch von Menschenrechten, wie er tĂ€glich in Traiskirchen stattfindet, den österreichischen Werten denn doch sehr widerspricht. WĂ€re sonst unglaubwĂŒrdig, stĂ€ndig hinauszuposaunen, dass Zugewanderte unsere Werte inhalieren mĂŒssen, um hier bleiben zu können.

(Foto: http://www.bmi.gv.at/cms/cs03picturesbmi/BMI_NEWS_WWW%20-%20OEFFENTLICHKEITSARBEIT/TAGDEROFFENENTUER13/L_12560.jpg)

16. August 2015

Sprachförderung: „Integration statt Ausgrenzung!“

2015-08-17T18:39:24+02:0016.08.15, 10:21 |Kategorien: Bildung, Gesellschaft, Integration|Tags: , , , , |

Bildung_Kind_ChancengerechtigkeitWir wollen Integration statt Ausgrenzung, wir wollen Kinder zusammenfĂŒhren statt sie zu trennen, und wir wollen ihnen die bestmögliche Sprachförderung ermöglichen – so wĂŒrde ich meine heute im Ö1-Morgenjournal prĂ€sentierten GrĂŒnen VorschlĂ€ge fĂŒr eine umfassende Sprachförderung zusammenfassen.

Sebastian Kurz betreibt mit seiner undifferenziert vorgebrachten Forderung nach separierten Sprachklassen ein populistisches Spiel (Debatte ĂŒber Deutschklassen: Ministerium zurĂŒckhaltend). Dabei mĂŒsste er wissen, dass eine solche Maßnahme ausschließlich fĂŒr schulische QuereinsteigerInnen und dies auch nur fĂŒr einen möglichst kurz gehaltenen Zeitraum empfohlen wird. Damit biedert sich Kurz auf unverantwortliche Weise an eine auf Ausgrenzung bedachte FPÖ-Klientel an und schafft so jene Parallelgesellschaften, vor denen er immer warnt. Die ÖVP will mit der frĂŒhen Trennung die soziale und auch eine ethnische Selektion bereits im Vorschulbereich festschreiben.

Meine VorschlĂ€ge basieren auf einem in Hamburg entwickelten und mittlerweile auf breiter Ebene praktizierten erfolgreichen Modell (Förmig), das eine durchgĂ€ngige, additive Sprachförderung von der Vorschule bis zum Ende der Pflichtschulzeit vorsieht, auf Einbindung der Eltern und auf regelmĂ€ĂŸige Sprachstandserhebungen setzt. Eine gezielte, individualisierte Förderung der Bildungssprache setzt allerdings angemessene Arbeitsbedingungen in den Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sowie beginnend mit dem Kindergarten eine deutlich bessere Ausbildung der PĂ€dagoginnen und PĂ€dagogen voraus. Im Moment wird ins Blaue hineininvestiert, weil die Fördermaßnahmen oft konzeptlos erfolgen und nicht genĂŒgend Fachpersonal in den KindergĂ€rten und Schulen zur VerfĂŒgung steht. Es ist allerhöchste Zeit, hier anzusetzen. Gefordert sind Maßnahmen, die eine gute Ausbildung der Lehrenden garantieren und die Implementierung von bundeseinheitlichen QualitĂ€tsstandards, um eine kompetente Förderung der Kinder sicherzustellen.

19. Juli 2015

Österreich, eine Nation von BildungsexpertInnen?

2015-07-19T17:42:55+02:0019.07.15, 17:28 |Kategorien: Bildung, Integration, Parteien|Tags: , , |

kindergruppeIntegrationsminister Sebastian Kurz hat sich wieder zu Wort gemeldet. AnlĂ€sslich der PrĂ€sentation des „Integrationsberichtes 2015“ formulierte er nicht zum ersten Mal die Forderung nach Vorbereitungsklassen fĂŒr – ja fĂŒr wen denn eigentlich? Einmal heißt es fĂŒr schulische QuereinsteigerInnen (also Kinder, die nicht die traditionelle Schullaufbahn ab der ersten Klasse Volksschule bei uns durchlaufen, sondern eben spĂ€ter einsteigen) – und damit entsprĂ€che diese Ansicht jener des von Kurz selbst eingesetzten Integrationsbeirats –, andere Male (besonders in Vorwahlzeiten, wenn der Diskurs in Richtung Populismus gehen soll) meint er, „es brauche eine Änderung des Pflichtschulgesetzes, in der ‚klar hervorgeht’, dass jedes Kind in Deutsch fit sein mĂŒsse, bevor es in das Regelschulsystem wechselt.“ (http://derstandard.at/2000019324545)

In der wissenschaftlichen Community werden getrennte Klassen de facto einhellig abgelehnt, weil sich aus diversen Studien ablesen lĂ€sst, dass Kinder in einem gemischten Klassenverband die Unterrichtssprache viel schneller lernen als in einer Gruppe, in der sich keine „MuttersprachlerInnen“ befinden. Zudem sind Kinder in separierten Gruppen schon vor Schuleintritt mit dem Stigma behaftet, ein Defizit mitzubringen. Sie beginnen ihre Schullaufbahn also bereits mit dem Rucksack eines symbolischen „Nicht genĂŒgend“.

Die Wiener Boulevardzeitung „Heute“ fasste nun die Statements der verschiedenen Parteien (in Wien) zusammen, und daraus lassen sich auch grob die bildungspolitischen Zielsetzungen der Parteien im Allgemeinen ablesen: Die SPÖ spricht sich gegen separierte Vorbereitungsklassen aus – gut so! In der Theorie weiß sie ja, wohin das österreichische Schulsystem gehen mĂŒsste. Die ÖVP stellt sich dagegen und unterstĂŒtzt Sebastian Kurz, der schon im Hintergrund zĂŒndelt, indem er bedeutungsschwanger droht, er wolle „in dieser Sache ‚weiterbohren, weil es notwendig ist’.“ Wir kennen das schon aus anderen Diskussionen: Die ÖVP setzt Bildungsministerin Heinisch-Hosek unter Druck, die sich aufgrund des Budgetlochs, das sich in ihrem Ressort zunehmend auftut, und der mangelnden UnterstĂŒtzung aus ihrer eigenen Partei in der Defensive befindet.

Die FPÖ sieht in diversen Statements ihre langjĂ€hrige Forderung nach Ghettoklassen bestĂ€tigt, legt aber noch ein SchĂ€uferl drauf, um die fremdenfeindliche Spirale nach oben zu drehen und erregt sich ĂŒber PrĂŒfungen abnehmende Sprachkursanbieter, „die wahlweise der SPÖ oder den GrĂŒnen nahe stehen“. Ganz abgesehen davon, dass die angesprochenen Sprachkurse nichts mit der schulischen Situation zu tun haben, unterschlĂ€gt die FPÖ, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF), der die Zertifizierungsvorgaben fĂŒr die Anerkennung von DeutschprĂŒfungen macht, ÖVP-Minister Kurz unterstellt ist und auch als verlĂ€ngerter Arm seiner Politik agiert. Das FPÖ-Motto lautet: Null Kompetenz in Bildungsfragen, dafĂŒr maximale Xenophobie.

Neos agiert nach dem Prinzip: Jede/r entscheidet, was er/sie will, was unter dem Label der „Schulautonomie“ verkauft wird. Neos ĂŒbersieht dabei, dass Bildungspolitik die Aufgabe hat, nicht nur fĂŒr die finanziellen Mittel zu sorgen, die an den Schulen verteilt werden, sondern in wesentlichen Eckpunkten auch zu steuern. Es geht hier nicht um die Frage, ob der Turnsaal renoviert oder die Schul-EDV aufgerĂŒstet wird, was freilich von den Schulen autonom entschieden werden kann, sondern um pĂ€dagogische Weichenstellungen, die inzwischen 25% aller österreichischen SchĂŒlerInnen betreffen.

Und weil wir nicht nur eine Nation mit Millionen von FußballtrainerInnen sind, sondern auch mit etwa gleich vielen BildungsexpertInnen, lĂ€sst „Heute“ darĂŒber abstimmen, ob „Zuwandererkinder“ zuerst Deutsch lernen sollen, „bevor sie mit österreichischen Kindern zusammengelegt werden“ oder ob „die Integration (…) am besten in der Kombination mit österreichischen Kindern von Anfang an“ funktioniert. Nur, wie es am besten „funktioniert“, ist halt kein Abstimmungsgegenstand, sondern ein belegbares Resultat, das sich aus der realen Lernsituation ergibt.

(Foto: woodleywonderworks, http://piqs.de/fotos/163131.html)

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Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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