kindergruppeIntegrationsminister Sebastian Kurz hat sich wieder zu Wort gemeldet. Anlässlich der Präsentation des „Integrationsberichtes 2015“ formulierte er nicht zum ersten Mal die Forderung nach Vorbereitungsklassen für – ja für wen denn eigentlich? Einmal heißt es für schulische QuereinsteigerInnen (also Kinder, die nicht die traditionelle Schullaufbahn ab der ersten Klasse Volksschule bei uns durchlaufen, sondern eben später einsteigen) – und damit entspräche diese Ansicht jener des von Kurz selbst eingesetzten Integrationsbeirats –, andere Male (besonders in Vorwahlzeiten, wenn der Diskurs in Richtung Populismus gehen soll) meint er, „es brauche eine Änderung des Pflichtschulgesetzes, in der ‚klar hervorgeht’, dass jedes Kind in Deutsch fit sein müsse, bevor es in das Regelschulsystem wechselt.“ (http://derstandard.at/2000019324545)

In der wissenschaftlichen Community werden getrennte Klassen de facto einhellig abgelehnt, weil sich aus diversen Studien ablesen lässt, dass Kinder in einem gemischten Klassenverband die Unterrichtssprache viel schneller lernen als in einer Gruppe, in der sich keine „MuttersprachlerInnen“ befinden. Zudem sind Kinder in separierten Gruppen schon vor Schuleintritt mit dem Stigma behaftet, ein Defizit mitzubringen. Sie beginnen ihre Schullaufbahn also bereits mit dem Rucksack eines symbolischen „Nicht genügend“.

Die Wiener Boulevardzeitung „Heute“ fasste nun die Statements der verschiedenen Parteien (in Wien) zusammen, und daraus lassen sich auch grob die bildungspolitischen Zielsetzungen der Parteien im Allgemeinen ablesen: Die SPÖ spricht sich gegen separierte Vorbereitungsklassen aus – gut so! In der Theorie weiß sie ja, wohin das österreichische Schulsystem gehen müsste. Die ÖVP stellt sich dagegen und unterstützt Sebastian Kurz, der schon im Hintergrund zündelt, indem er bedeutungsschwanger droht, er wolle „in dieser Sache ‚weiterbohren, weil es notwendig ist’.“ Wir kennen das schon aus anderen Diskussionen: Die ÖVP setzt Bildungsministerin Heinisch-Hosek unter Druck, die sich aufgrund des Budgetlochs, das sich in ihrem Ressort zunehmend auftut, und der mangelnden Unterstützung aus ihrer eigenen Partei in der Defensive befindet.

Die FPÖ sieht in diversen Statements ihre langjährige Forderung nach Ghettoklassen bestätigt, legt aber noch ein Schäuferl drauf, um die fremdenfeindliche Spirale nach oben zu drehen und erregt sich über Prüfungen abnehmende Sprachkursanbieter, „die wahlweise der SPÖ oder den Grünen nahe stehen“. Ganz abgesehen davon, dass die angesprochenen Sprachkurse nichts mit der schulischen Situation zu tun haben, unterschlägt die FPÖ, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF), der die Zertifizierungsvorgaben für die Anerkennung von Deutschprüfungen macht, ÖVP-Minister Kurz unterstellt ist und auch als verlängerter Arm seiner Politik agiert. Das FPÖ-Motto lautet: Null Kompetenz in Bildungsfragen, dafür maximale Xenophobie.

Neos agiert nach dem Prinzip: Jede/r entscheidet, was er/sie will, was unter dem Label der „Schulautonomie“ verkauft wird. Neos übersieht dabei, dass Bildungspolitik die Aufgabe hat, nicht nur für die finanziellen Mittel zu sorgen, die an den Schulen verteilt werden, sondern in wesentlichen Eckpunkten auch zu steuern. Es geht hier nicht um die Frage, ob der Turnsaal renoviert oder die Schul-EDV aufgerüstet wird, was freilich von den Schulen autonom entschieden werden kann, sondern um pädagogische Weichenstellungen, die inzwischen 25% aller österreichischen SchülerInnen betreffen.

Und weil wir nicht nur eine Nation mit Millionen von FußballtrainerInnen sind, sondern auch mit etwa gleich vielen BildungsexpertInnen, lässt „Heute“ darüber abstimmen, ob „Zuwandererkinder“ zuerst Deutsch lernen sollen, „bevor sie mit österreichischen Kindern zusammengelegt werden“ oder ob „die Integration (…) am besten in der Kombination mit österreichischen Kindern von Anfang an“ funktioniert. Nur, wie es am besten „funktioniert“, ist halt kein Abstimmungsgegenstand, sondern ein belegbares Resultat, das sich aus der realen Lernsituation ergibt.

(Foto: woodleywonderworks, http://piqs.de/fotos/163131.html)