„profil“ 10/2017 vom 06.03.2017, S. 15

Walter Seledec hat viel Verständnis: etwa für Abfangjäger, die wie geschmiert bei uns hereinflogen und bei deren Ankauf er als leitender ORF-Mitarbeiter im eigenen Unternehmen lobbyiert haben soll. Seledec hat jedoch Gedächtnisausfälle, denn seine Mails aus dieser Zeit seien ihm „nicht erinnerlich“.

Seledec hat aber auch viel Verständnis für die Geschichte, recht viel sogar für die NS-Zeit und die darin verwobenen Täter. Und weil er in diesem Feld so verständnisvoll ist, soll er vom ORF damit betraut worden sein, eine Dokumentation über die österreichischen Generäle in der deutschen Wehrmacht für das Gedenkjahr 2018 zu machen. Und dafür habe ich kein Verständnis.

Walter Seledec war bis 2010 beim ORF. Seine Nähe zur FPÖ war schon damals kein Geheimnis, auch lange, bevor er unter der schwarz-blauen Regierung im ORF zum Chefredakteur aufstieg. Einen Eklat samt nachfolgender Beurlaubung lieferte Seledec 2005 mit seiner Teilnahme als Ehrengast an einer braungetönten Kranzniederlegung am Grab des hochdekorierten NS-Jagdfliegers Walter Nowotny.

Nach seiner Pensionierung wurde er von Andreas Mölzer als Chefredakteur der rechtsextremen Hetzpostille „Zur Zeit“ und dann als Mitherausgeber geholt. Dort empörte er sich u.a. über das Deserteursdenkmal und beklagte, „‚dass ‚die Deserteure […] aus den Reihen der ehemaligen deutschen Wehrmacht […] knapp vor ihrem Ziel’ seien, der Enthüllung eines Denkmales zu Ehren der ‚fahnenflüchtigen Überläufer’. (Zur Zeit 37/2014, S. 59) Seledec fragt sich, wo er lebt, und meint, dass solche Würdigungen nur in Deutschland und Österreich möglich seien.“*

Auch die Entfernung der Ehrentafel für den NS-Kriegsverbrecher Alexander Löhr aus der Wiener Stiftskirche erregte Seledec: „In welch schrecklicher und moralisch fragwürdiger Zeit und Gesellschaft wir leben, wird uns immer wieder durch barbarische Einzelaktionen im öffentlichen Leben bewusst. Die schweigende ‚öffentliche Meinung‘ trägt an diesen beispiellosen Aktionen Mitschuld, ja sie fordert die Geschichtsfälscher und selbsternannten Gutmenschen geradezu heraus, uns ihre Sicht der Dinge und der Geschichtswahrnehmung aufzuzwingen. So wird die Zahl der Motivation jener Handlungen, mit welchen versucht wird, die Geschichte neu zu schreiben und mit der Brandfackel der Rache durch unser Land zu ziehen, immer größer.“**

Bei der Nationalratswahl 2013 kandidierte Seledec für die FPÖ auf einem hinteren Listenplatz, seit der Wiener Gemeinderatswahl 2015 fungiert er in Döbling als blauer Bezirksrat und Klubomannstellvertreter. Dass nun ein aktiver politischer Mandatar der FPÖ einen ORF-Auftrag bekommt, ist schon per se äußerst dubios. Dass Seledec aber just zum Thema der Wehrmachtsgeneräle keine neutrale, sondern sogar eine geschichtsrevisionistische Sichtweise einnimmt, zeigen seine Aktivitäten und Äußerungen auf vielfältige Weise. Es besteht zweifellos die große Gefahr, dass die geplante Dokumentation zum Reinwaschungsversuch der beteiligten NS-Generäle gerät. Das wäre gerade im Gedenkjahr 2018 schlichtweg eine Katastrophe. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat jedenfalls Erklärungs- und Handlungsbedarf. Das sieht auch der pensionierte Bundesheer-General Hubertus Trauttenberg so, der Seledec in einem Brief an Wrabetz bescheinigt, dass dieser „die notwendige ideelle und emotionale Distanz und Neutralität“ zum Thema der Dokumentation vermissen lasse.

*zit. nach http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/september-2014/vorbild-fuer-oesterreich

**zit. nach https://pronoever.com/2015/03/01/fpo-nr-wendelin-molzer-last-fur-kriegsverbrecher-alexander-lohr-lugen