Aufrüsten für den Frieden?
Die Losung „Frieden schaffen ohne Waffen“ war in den 70er- und 80er-Jahren omnipräsent. Sie mag realitätsfern gewesen sein, aber auch die derzeit in Gang gesetzte und von früher kritischen Geistern geradezu euphorisch begrüßte Aufrüstungsspirale wird die Welt nicht sicherer machen. Dazu einige kritische Anmerkungen von mir in einem Kommentar für die Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Allheilmittel Aufrüstung?“:
„Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor“, lautet ein lateinisches Sprichwort. Lässt sich das bei einem Blick in die Geschichte bestätigen? Meist hat verstärkte militärische Aufrüstung die Spannungen zwischen den Staaten verstärkt. Der jeweilige Nachbarn hat sich bedroht gefühlt und ebenfalls aufgerüstet. Gegenseitiges Misstrauen aber ist Gift für staatliche Beziehungen. Aufrüstung ist – um eine passende Metapher zu verwenden – ein zweischneidiges Schwert.
Die Statistik über die Militärausgaben für das Jahr 2023 sieht die USA mit insgesamt 916 Milliarden weit vorne, gefolgt mit riesigem Abstand von China (296 Milliarden) und Russland (109 Milliarden). Russlands Ausgaben sind im Jahr 2024 auf 126 Milliarden hochgeschnellt – liegen aber noch immer meilenweit hinter jenen von China oder gar den USA.
Amerikas aufgeblähte Rüstungsindustrie braucht kaufwillige Kundschaft. „Dealmaker“ Donald Trump fordert daher von seinen europäischen Bündnispartnern in der NATO gewaltige Rüstungsanstrengungen. Die meisten Mitgliedsstaaten in Europa sind bereit dazu. Die EU hat auf einem Sondergipfel Mehrausgaben von 800 Milliarden angekündigt. Das ist eine deutliche Botschaft, aber noch kein sicherheitspolitisches Konzept. In den meisten Medien wurde allein schon die Ankündigung trotzdem als Überwindung der „militärischen Ohnmacht“ Europas gefeiert.
Doch ist diese Ohnmacht wirklich auf zu geringe Militärausgaben der EU-Mitglieder zurückzuführen? Immerhin liegen sie zusammengerechnet ja annährend in der Größenordnung Chinas und sind mehr als doppelt so hoch wie jene Russlands. Nach „Ohnmacht“ schaut das nicht aus. Eher nach zu wenig Koordination wegen unterschiedlicher nationaler Interessen.
Eines sollten die Verantwortlich zudem immer im Auge behalten: Ein nachhaltiger Frieden erfordert neben militärischer Stärke auch gegenseitiges Vertrauen. Das kann nur durch Dialog und Diplomatie geschaffen werden. Wer beispielsweise das Töten in der Ukraine beenden will, muss bereit sein zu verhandeln. Ob das zu einem für alle Seiten akzeptablen Ergebnis führen kann, ist offen. Verantwortungsvolle Politik aber muss es zumindest versuchen.
Das derzeitige konzeptlose Drehen an der Rüstungsspirale wird von besonnenen Stimmen aus Wissenschaft und Politik kritisch gesehen. Momentan gibt es nämlich mehr Fragen als Antworten: Wie will die EU künftig ihre Sicherheit – auch die Cybersicherheit – gewährleisten? Wie will sie sich aus der sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA lösen? Wie sollen die Beziehungen mit Russland ausschauen?
Auch uns in Österreich sollte klar sein: Wir brauchen mehr und nicht weniger EU. Die europäische Staatengemeinschaft muss künftig zudem nicht nur politisch, sondern auch militärisch deutlicher mit einer Stimme sprechen (können). Aufrüsten allein ist zu wenig.