12. MĂ€rz 2023

Modellregion Gemeinsame Schule?

2023-03-13T08:59:08+01:0012.03.23, 13:45 |Kategorien: Bildung|Tags: , , , |

Seit Jahrzehnten kĂ€mpfen Bildungsbewegte in ganz Österreich fĂŒr eine Gemeinsame Schule, in der Kinder mit Freude – und daher auch viel – lernen können. Besonders intensiv war und ist die Auseinandersetzung in Vorarlberg. Doch der ÖVP gelingt es immer wieder, die ReformansĂ€tze im Keim zu ersticken. Waren wir zu optimistisch (siehe Bild)? Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Ungleiche Bildungschancen“. Hier zum Nachlesen:

Bildung wird in Österreich vererbt. Wenn man von den ideologiegetriebenen Vertretern des jetzigen Schulsystems absieht, ist das angesichts der Jahr fĂŒr Jahr erhobenen Zahlen allen klar: Fast 60 Prozent der Kinder aus Akademikerhaushalten kommen zu einem Hochschulabschluss, aber nur 6,6 Prozent jener Kinder, deren Eltern höchstens einen Pflichtschulabschluss haben.

Auch die OECD warnt seit Jahren, dass in Österreich die Bildungschancen im internationalen Vergleich besonders ungleich verteilt sind. Da ist eigentlich klar: Eine Reform ist ĂŒberfĂ€llig!

ReformbemĂŒhungen

„Vorarlberg kurbelt Schulreform an!“ Über eine Überschrift wie diese in der „Wiener Zeitung“ freut man sich natĂŒrlich. Das Ziel war und ist klar – eine leistungsstarke Schule, in der Kinder mit Freude und daher viel lernen. Das Problem: Die Schlagzeile ist weit ĂŒber zehn Jahre alt. Damals hat das Land schulpolitisch auf faktenbasierte Politik gesetzt.

Vom Land wurde eine Projektgruppe mit Fachleuten aus der Wissenschaft und erfahrenen Praktikerinnen und Praktikern zusammengestellt. Die kam nach intensiver Arbeit zum Ergebnis, dass dieses Ziel nur mit einer modernen Gemeinsamen Schule bis zumindest zum 14. Lebensjahr zu verwirklichen ist. Schullandesrat Siegi Stemer hat sich daraufhin vom entschiedenen Gegner einer grundlegenden Reform zu einem vorsichtigen BefĂŒrworter gewandelt.

Der Vorarlberger Landtag hat dann mit nur einer einzigen Gegenstimme einer Neos-Abgeordneten die flĂ€chendeckende Umsetzung der Gesamtschule gefordert. Und noch 2017 lautete eine Überschrift in den Vorarlberger Nachrichten: „Land besteht auf Modellregion!“

Die Idee war ansteckend: Plötzlich trat mit Tirols Landeshauptmann GĂŒnter Platter ein weiterer Verfechter der Gemeinsamen Schule auf. Er forderte seine  eigenen Parteifreunde in Wien auf, â€žĂŒberholte Positionen“ aufzugeben und die Gemeinsame Schule anzugehen.

Reformblockaden

Doch die GegenkrĂ€fte waren zu stark. Der aufsteigende und inzwischen schon wieder verblasste ÖVP-Stern Sebastian Kurz und Landeshauptmann Markus Wallner haben realistische Rahmenbedingungen fĂŒr eine Umsetzung des Modellversuchs massiv behindert und das Fortbestehen der 150 Jahre alten Strukturen unseres Schulsystems zementiert. Die Retrorede von ÖVP-Obmann Karl Nehammer vom vergangenen Freitag lĂ€sst auch kĂŒnftig fĂŒr die Schule keine Fortschritte erwarten.

Zudem verschĂ€rft derzeit ausgerechnet die katholische Kirche das Problem zusĂ€tzlich. Sie betreibt in Bregenz eine private Volksschule. Das fĂŒhrt zu noch frĂŒherer Selektion als mit zehn Jahren. Mit einem „durchgehenden Konzept“ von „sechs bis 18 Jahren“ soll in Bregenz zudem ein weiteres – das dritte katholisch gefĂŒhrte – Gymnasium eröffnet werden und somit die frĂŒhe Selektion ebenfalls verstĂ€rken.

Der Begriff katholisch kommt aus dem Griechischen und bedeutet „allumfassend“. Diese schulischen Initiativen der Kirche bewirken das genaue Gegenteil!

4. Juli 2022

Martin Polaschek: peinliche Performance!

2022-07-04T09:03:55+02:0004.07.22, 9:01 |Kategorien: Bildung|Tags: , , |

Der Reformbedarf des österreichischen Schulsystems ist unter Fachleuten unbestritten. Bildungsminister Martin Polaschek sieht das merkwĂŒrdigerweise anders und erklĂ€rt beispielsweise das in Vorarlberg langsam keimende, aber noch sehr zarte PflĂ€nzchen „Gemeinsame Schule“ fĂŒr abgestorben. Es gab vehemente Proteste im Land. Der Minister hat ja auch in anderen Fragen unter Beweis gestellt, dass er bildungspolitisch nicht auf der Höhe der Zeit agiert.

Unter dem Titel „Bildungsnotstand“ haber ich den Reformstau in unserer Bildungspolitik und die peinliche Performance von Martin Polaschek thematisiert. Hier zum Nachlesen:

Ferien! Kinder und LehrkrĂ€fte haben sich nach dem dritten herausfordernden „Corona-Schuljahr“ die Erholungsphase wahrlich verdient. Die politisch Verantwortlichen im Bildungsbereich auch? Da ist auf Bundesebene leider anhaltende Reformverweigerung angesagt.

Betroffen davon sind Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. Aber auch die Wirtschaft stöhnt, weil nach neun Jahren Schulpflicht viele angehende Lehrlinge massive Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben. Das Problem ist zwar schon alt, hat sich zuletzt aber verschĂ€rft. Und damit sind wir bei ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek.

LĂ€ndle als Reformmotor

In Vorarlberg gab es schon vor einem Jahrzehnt öffentliche Diskussionen ĂŒber Reformnotwendigkeiten. Der damalige Schullandesrat Siegi Stemer handelte und bestellte Expertinnen und Experten mit dem Auftrag, eine umfassende Studie ĂŒber notwendige VerĂ€nderungen zu erstellen. Die Empfehlungen dieser Kommission waren eindeutig: Unser Schulsystem behindert LehrkrĂ€fte bei ihrer Arbeit, nimmt Kindern Bildungschancen und fĂŒhrt zu unnötigem und kontraproduktivem Stress.Das Erfreuliche: Daraufhin beschloss der Landtag vor inzwischen sieben Jahren einstimmig (!), in Vorarlberg eine Modellregion fĂŒr eine Gemeinsame Schule anzustreben. Sogar die FPÖ stimmte zu, weil damals mit der Schuldirektorin Silvia Benzer noch eine erfahrene Bildungsexpertin die Linie vorgab. Mit der Erarbeitung der Details wurden die UniversitĂ€t Innsbruck und die PĂ€dagogische Hochschule in Feldkirch beauftragt. Inzwischen könnte man an die Umsetzung gehen.

Reformstau dank Polaschek

Letzte Woche aber behauptete Bildungsminister Polaschek im VN-Interview, die „Diskussion ĂŒber die Gemeinsame Schule“ habe „sich erĂŒbrigt“? Das gĂŒltige RegierungsĂŒbereinkommen fĂŒr die Modellregion verschweigt der Herr Minister. Es gab daher zurecht heftige Reaktionen, zumal Polascheks Haltung bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen ebenso zuwiderlĂ€uft wie der erfolgreichen Praxis in SĂŒdtirol: Dort zeigen sie uns nĂ€mlich seit Jahrzenten, wie eine moderne Gemeinsame Schule funktioniert und haben all das schon umgesetzt, was die Stemer-Kommission vorgeschlagen hat.

Und in SĂŒdtirol freut man sich: Die Kinder haben vor allem in der Volksschule weniger Stress, behalten daher viel stĂ€rker die naturgegebene Freude am Lernen und erzielen bei allen internationalen Testungen wesentlich bessere Ergebnisse als etwa die Nordtiroler: Es gibt deutlich mehr Spitzenleistungen als in unseren Gymnasien und wesentlich weniger ungenĂŒgende Leistungen als in unseren Mittelschulen. „Sonderschulen“ sind abgeschafft, die Sozialkompetenz bei allen im Schulbetrieb gestĂ€rkt. Es schadet dem Architekten nĂ€mlich keineswegs, wenn er schon in der Schule mit dem spĂ€teren Maurer zu tun hat.

Polaschek selbst – ganz Fan von Ziffernnoten – beurteilte seine bisherige Perfomance trotz Reformstau mit „Gut“. Willi Witzemann als Vertreter der Vorarlberger LehrkrĂ€fte konnte ob dieser FehleinschĂ€tzung nur milde den Kopf schĂŒtteln.

13. September 2021

Gemeinsame Schule „auf Eis“ gelegt?

2021-09-17T14:19:06+02:0013.09.21, 9:52 |Kategorien: Bildung|Tags: , , |

Die Hoffnungen waren groß, als sich 2015 der Vorarlberger Landtag mit Stimmen aller (!) Parteien zur Gemeinsamen Schule bekannt hat (siehe Symbolfoto).

Inzwischen hat eine Projektgruppe eine detaillierte Studie dazu verfasst, um das Projekt umzusetzen. Und nun?

Nun hat der höchste Beamte im Unterrichtsministerium erklĂ€rt, das Projekt sei „auf Eis“ gelegt. Ein Beamter overruled die Politik? Der Vorgang an sich ist nicht unĂŒblich, das öffentlich zu sagen schon.

In Sachen „Modellregion Gemeinsame Schule“ in Vorarlberg ist das passiert. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Wo bleibt der Aufschrei?“. Hier zum Nachlesen:

Am Samstag hat Martin Netzer, aus Vorarlberg stammender höchster Beamter im Bildungsministerium, in den „Vorarlberger Nachrichten“ die „Modellregion Gemeinsame Schule“ de facto zu Grabe getragen: Das mit den Stimmen aller Vorarlberger Landtagsparteien beschlossenen Projekt sei „auf Eis gelegt“. Ein Beamter legt „auf Eis“, was die Politik beschlossen hat?

Wird das diese Woche zu einem Aufschrei jener fĂŒhren, die sich sonst „von Wien“ angeblich „nichts sagen“ lassen? Wir werden sehen.

Warum keine Modellregion?

Warum hĂ€lt Netzer nichts von einer grundsĂ€tzlichen Reform? Er meint, die Mittelschule sei keine „Restschule“ und zudem brĂ€uchte unsere Wirtschaft ja mehr Lehrlinge.
Einmal davon abgesehen, dass man eine Lehre bekanntlich erst mit 15 Jahren antreten kann und die Modellregion fĂŒr die Zehn- bis VierzehnjĂ€hrigen konzipiert ist: Die Ausbildungsbetriebe beklagen, dass unser Schulsystem zunehmend weniger ausbildungsfĂ€hige Jugendliche entlĂ€sst. Wer da den Reformverweigerer spielt, gefĂ€hrdet die Zukunft unseres Landes.

Die LehrkrĂ€fte an unseren Mittelschulen sind nicht zu beneiden, ihnen fehlen vor allem in stĂ€dtischen Brennpunktschulen leistungsstarke SchĂŒler_innen, die andere mitziehen. Die moderne Gemeinsame Schule in SĂŒdtirol zeigt, dass Lernschwache und Hochbegabte profitieren. Dort gibt es deutlich weniger Kinder im Problembereich und wesentlich mehr Spitzenleistungen als in Österreich.

Soziale Komponente

Zudem: Der zukĂŒnftigen Ärztin schadet es nicht, wenn sie schon in der Schulbank Kontakt mit der zukĂŒnftigen Krankenschwester hat. Und auch der Herr Architekt sollte vom Leben des Maurers schon vor dem Aufeinandertreffen auf der Baustelle Bescheid wissen.

Der Schriftsteller Arno Geiger hat in seiner großartigen Rede bei der Russ-Preis-Verleihung zurecht kritisiert, dass Österreich in Sachen Chancengleichheit weit hinter vergleichbaren Staaten hinterherhinkt. Keines dieser LĂ€nder trennt die Kinder so frĂŒh wie wir. Zudem verschĂ€rft die ĂŒppige Finanzierung von Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht das Problem staatlicher Schulen zusĂ€tzlich.

Fehlendes Leistungsprinzip

Wenn es um Privatschulen geht, verweisen Konservative gern auf das „Leistungsprinzip“. Netzer selbst bestĂ€tigt aber mit dem Verweis auf viele Studien, dass Privatschulen nicht besser abschneiden als staatliche − im hinteren Leistungsbereich sind sie sogar ĂŒberreprĂ€sentiert. Daran liegt es also nicht, dass schon private Volksschulen derartigen Zulauf haben.

Das liegt wohl eher daran, was mir bei einer hitzigen Bildungsdiskussion ein Primararzt einmal entgegengeschleudert hat, nachdem ihm die sachlichen Argumente ausgegangen waren: „So weit kommt’s noch, dass mein Sohn in der Schule neben einem TĂŒrken sitzt!“

Genau das hÀtte der Entwicklung des Herrn Sohnes gutgetan. Und genau deshalb braucht es einen Aufschrei zu den Aussagen von Martin Netzer!

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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