23. Juli 2023

Abnormale „NormalitĂ€t“

2023-07-23T17:02:09+02:0023.07.23, 17:02 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , , , |

Unermesslicher und zugleich ĂŒberproportional steigender Reichtum bei einer verschwindend kleinen Minderheit – und gleichzeitig zunehmende Armut bei einer immer grĂ¶ĂŸeren Gruppe von Menschen: Das darf nicht als „NormalitĂ€t“ akzeptiert werden! Unter dem Titel „Obszöne ‚NormalitĂ€t‘“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Die USA gelten gemeinhin als das „kapitalistische Kernland“. Umso bemerkenswerter, dass letzte Woche US-PrĂ€sident Joe Biden von einer „fehlgeleiteten Wirtschaftsphilosophie“ gesprochen hat: „Kapitalismus ohne Wettbewerb ist kein Kapitalismus. Es ist Ausbeutung. Die Leute sind es leid, fĂŒr dumm verkauft zu werden.“

Wer diese Entwicklung stoppen will, muss Kontrollen installieren und den Monopolen an den Kragen. Biden hat daher Gesetzesinitiativen gestartet, die strengere Vorgaben fĂŒr FirmenĂŒbernahmen und Fusionen vorsehen. Ob die USA dazu angesichts der Macht großer Konzerne noch in der Lage sein werden, wird die Zukunft zeigen. An Vermögenssteuern oder höhere Steuern fĂŒr Bestverdiener traut er sich jedenfalls – noch – nicht.

Obszöner Reichtum

Der österreichische Ökonom Kurt Bayer warnt allerdings davor, in höheren Steuern fĂŒr Vermögen und Erbschaften ein Allheilmittel zu sehen, denn die Reichen seien mit ihren Steuerberatern den Steuerbehörden immer mindestens einen Schritt voraus. Er plĂ€diert dafĂŒr, das Problem grundsĂ€tzlicher anzugehen.

Der ehemalige Direktor der Weltbank verweist darauf, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen der GeschĂ€ftsfĂŒhrer von S&P-500-Technologie-Unternehmen wĂ€hrend der Coronakrise um 17 Prozent auf 15 Milliarden US-Dollar gestiegen ist – bei gleichzeitiger Stagnation der GehĂ€lter der Angestellten. Man mĂŒsse das Entstehen obszön hoher Einkommen und die Kapitalkonzentration in den HĂ€nden weniger verhindern, statt nachtrĂ€glich ĂŒber eine Besteuerung nachzudenken. Gleichzeitig lehnt er aber höhere Vermögens- und eine Erbschaftssteuer keineswegs ab.

Alle Statistiken zeigen, dass sich Einkommens- und Vermögensverteilungen in den letzten Jahrzehnten massiv zugunsten der Reichen verschoben haben. Seit 1990 konnten Aktienbesitzer ihren Reichtum um den Faktor fĂŒnf vermehren, das Bruttoinlandsprodukt stieg nur um den Faktor zwei.

Politik ist gefordert

Das ist doppelt problematisch: Zum einen gerÀt der gesellschaftliche Zusammenhalt ins Wanken, wenn die einen Milliarden und die anderen fast nichts besitzen. Zum anderen gewinnen politische RattenfÀnger massiv an Zuspruch.

Letztere verwenden ebenso einfache wie falsche Parolen und treiben die Spaltung der Gesellschaft in angeblich „normal Denkende“ und offensichtlich „Abnormale“ voran, statt ĂŒber die wahren Probleme zu sprechen. BundesprĂ€sident Alexander van der Bellen hat das bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele zurecht angeprangert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den USA einen enormen Wirtschaftsaufschwung. Profitiert haben jahrzehntelang alle, weil hohe Einkommen mit bis zu 90 Prozent besteuert wurden und der Staat dafĂŒr sorgen konnte, dass fĂŒr alle etwas abfĂ€llt. Ab 1986 Ă€nderte sich das unter Ronald Reagan. Der Höchststeuersatz sank schrittweise auf 28 Prozent. Joe Biden stimmte damals als Abgeordneter dieser Entwicklung zu. Heute leiden er und die Bevölkerung darunter. „Normal“ ist das nicht. DarĂŒber sollten Nehammer, Mikl-Leitner & Co. nachdenken.


12. Dezember 2022

Demokratie in Gefahr

2022-12-16T15:26:11+01:0012.12.22, 8:42 |Kategorien: Gesellschaft, Menschenrechte, Parteien|Tags: , , |

Das DemokratieverstĂ€ndnis hierzulande wir nie besonders ausgeprĂ€gt. Wolfgang SchĂŒssel und Sebastian Kurz haben es zudem weiter unterminiert und diesbezĂŒglich weiteren und leider wohl nachhaltigen Schaden angerichtet. Unter dem Titel „Demokratie in Gefahr“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Viele schĂŒttelten letzte Woche unglĂ€ubig den Kopf: Eine Großrazzia bei Rechtsextremen in Deutschland, Österreich und Italien förderte zutage, dass es konkrete Putsch-PlĂ€ne gegeben hat. Involviert sind Personen aus der „besseren Gesellschaft“, aus Politik, MilitĂ€r und der Polizei. Der deutsche Verfassungsschutz spricht von einer sehr realen Gefahr und mehreren zehntausend Menschen, die in organisierter Form der „Szene“ angehören. Verwiesen wird auch auf enge Verbindungen nach Österreich.

Leute wie die Möchtegern-Putschisten sind eine Gefahr. Die noch grĂ¶ĂŸere Gefahr aber ist eine schleichende Entwicklung, von der bereits die „Mitte der Gesellschaft“ erfasst ist. Auch dort machen sich inzwischen autoritĂ€res Denken und eine allmĂ€hliche Abkehr von demokratischen Werten breit.

„Skandalrepublik“

Als Ursache dieser Entwicklung auf „Ibiza“, Korruption, die unsĂ€glichen Chat-Protokolle oder die vielen anderen Skandale zu verweisen, greift zu kurz. Wie Viktor OrbĂĄn, der „Trumpismus“ in den USA und andere national-populistische Bewegungen belegen, handelt es sich um kein rein österreichisches, sondern um ein weit verbreitetes PhĂ€nomen. Aber es gibt heimische „Spezifika“.

Bei uns waren es politische Provokateure wie Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache, die antiliberales Denken mehrheitsfĂ€hig gemacht haben und mit der Schaffung von Feindbildern erfolgreich waren. Wolfgang SchĂŒssel und Sebastian Kurz, sein nachgeborener und inzwischen ehemaliger Superstar, haben dieses Denken durch ihre Mesalliancen mit der FPÖ politisch salonfĂ€hig gemacht. Heute will die ÖVP sogar die Menschenrechtskonvention â€žĂŒberdenken“. Das alles hat das Vertrauen in unser Wertesystem unterminiert und autoritĂ€res Denken gefördert.

„Starker FĂŒhrer“

Seit Jahren erhebt das SORA-Institut, wie sich in unserem Land die Einstellung der Menschen zur Demokratie entwickelt. Die letzte Woche prĂ€sentierten Ergebnisse des „Österreichischen Demokratie Monitor“ können daher zwar kaum ĂŒberraschen, sind aber dennoch erschreckend: Erstmals wird ein „starker FĂŒhrer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kĂŒmmern muss“ an der Spitze des Staates nicht mehr mehrheitlich abgelehnt. 26 Prozent wĂŒnschen sich diesen „starken FĂŒhrer“ sogar ausdrĂŒcklich.

Nur noch 34 Prozent glauben zudem, dass unser politisches System gut funktioniert, vor fĂŒnf Jahren waren es mit 64 Prozent fast doppelt so viele. Die Forscherinnen und Forscher des SORA-Instituts halten daher in der gebotenen Deutlichkeit fest: „Die Demokratie erlebt eine Vertrauenskrise und ist ernsthaft bedroht.“

Rechten GewalttĂ€tern und GefĂ€hrdern der Demokratie kann und muss der Staat mit polizeilichen Mitteln entgegentreten. Aber das schleichende Gift des autoritĂ€ren Denkens aus den Köpfen eines immer grĂ¶ĂŸer werdenden Teils unserer Gesellschaft zu bekommen, ist wesentlich schwieriger. Da ist neben dem Staat vor allem die Zivilgesellschaft gefordert.

28. November 2022

Politische Heuchelei

2022-11-28T08:23:31+01:0028.11.22, 8:12 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , , |

Nein, in meinem Kommentar geht es nicht um Sebastian Kurz, sondern ein generelles Problem unserer Geselschaft und eine zentrale Frage: Wann mĂŒssen oder können die Verantwortlichen in der Politik moralische MaßstĂ€be anlegen und wann nicht? Eindeutig beantworten lĂ€sst sich die Frage wohl nicht. Es gibt aber offenkundige Heuchelei. Unter dem Titel „Moral und Politik“ habe ich in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar dazu verfasst.

Zurecht ist die Empörung groß: Der verbrecherische russische Angriffskrieg ist ein eklatanter Bruch des Völkerrecht. Er bringt Tod und Elend in die Ukraine. Auch in Russland selbst fĂŒhrt der Krieg zu immer stĂ€rkeren Repressionen gegen wirkliche oder auch nur vermutete Gegner des Putin-Regimes. In ganz Europa, vor allem aber im Osten unseres Kontinents, ist die Angst vor einer Ausweitung des Kriegs groß.

Ob die vor allem von den USA, der EU und Großbritannien verhĂ€ngten Sanktionen wirklich die beabsichtige Wirkung erzielen, sei dahingestellt. Als Ausdruck moralischer EntrĂŒstung sind sie allemal verstĂ€ndlich. Oder steckt etwas anderes dahinter? Ist die EntrĂŒstung glaubwĂŒrdig?

Zweierlei Maß

Im Jemen tobt seit sieben Jahren ein von Saudi-Arabien angezettelter Krieg. Mit dabei sind LĂ€nder wie Ägypten, Bahrain, Kuwait, die Arabischen Emirate und weitere Staaten der Region. Ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Laut UN sind bislang fast 250.000 Tote zu beklagen, darunter viele Kinder. Ziel ist es, die sunnitischen KrĂ€fte gegen die schiitischen zu unterstĂŒtzen.

Es war daher konsequent, dass das EU-Parlament in einer Resolution ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien gefordert hat. Das bleibt allerdings seit Jahren weitgehend folgenlos. Im Gegenteil: Die Angreifer werden durch die USA und europĂ€ische Staaten wie Frankreich oder Großbritannien sogar unterstĂŒtzt.
Wo bleibt der Aufschrei in Europa? Ist der Jemen schlicht zu weit entfernt, um bei uns trotz des unglaublichen Elends im Land die EntrĂŒstungsspirale in Gang zu setzen? Oder sind LĂ€nder wie Saudi-Arabien oder die Golfstaaten als Lieferanten von Öl und Gas schlicht zu wichtig?

Beispiel TĂŒrkei

Zuwenig Beachtung findet bei uns derzeit auch der seit einigen Tagen stattfindende völkerrechtswidrige Angriff der TĂŒrkei auf die weitgehend autonomen kurdischen Gebiete in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Als BegrĂŒndung gibt die TĂŒrkei an, aus diesen Regionen hĂ€tten jene UnterstĂŒtzung erhalten, die fĂŒr den Terroranschlag mit sechs Toten in einer Istanbuler Einkaufsstraße verantwortlich seien. Beweise oder auch nur Indizien dafĂŒr gibt es nicht einmal ansatzweise.
Politische Beobachter halten innenpolitische GrĂŒnde als Ursache fĂŒr die Angriffe fĂŒr viel wahrscheinlicher: PrĂ€sident Recep Tayyip Erdoğan wolle angesichts der im nĂ€chsten Jahr stattfindenden PrĂ€sidentenwahl von der katastrophalen Wirtschaftslage mit einer Inflationsrate von ĂŒber 85 Prozent ablenken. Mehrere hundert Tote durch die tĂŒrkischen Bombardements fallen da offensichtlich nicht so ins Gewicht.

In der Presseschau der deutschen Bundeszentrale fĂŒr politische Bildung war dazu zu lesen: „Zynismus und Heuchelei. Doppelte Standards. Die TĂŒrkei tut das, was Russland in der Ukraine tut, nur in kleinerem Maßstab.“ Moral in der Politik?

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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