9. März 2020

Peinlich: Österreich und die Flüchtlinge

2020-03-09T13:58:40+01:0009.03.20, 11:50 |Kategorien: Gesellschaft, Integration|Tags: |

Es ist erschreckend, was derzeit an Hass und Gewalt zutage tritt. Auf den Ägäis-Inseln prügeln rechtsradikale Schläger Flüchtlinge krankenhausreif, Soldaten gehen an den türkischen Grenzen mit Tränengas und Waffengewalt gegen Schutzsuchende vor und die EU zeigt dafür sogar Verständnis. Bei uns sind Leserbriefseiten voll mit Angstmache und absurden Unterstellungen gegenüber Flüchtlingen. Die verbalen Hasskrieger werden immer lauter.

Kriegsrhetorik

Die Kurz-ÖVP segelt voll auf Linie des ehemaligen blauen Koalitionspartners. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verliert sich in Allgemeinplätzen und drückt sich trotz mehrmaliger Reporter-Nachfrage vor einem klaren Bekenntnis zu einer humanen Flüchtlingspolitik. Und die Grünen? Sie schlagen zwar andere Töne an, vom Durchsetzen der eigenen Position aber keine Spur. Man ergibt sich in das Koalitions-Schicksal.

Die FPÖ dreht wieder mal an der Eskalationsschraube: Ihr ehemaliger Innenminister Herbert Kickl spricht davon, „illegale Einwanderer“ würden alsbald Österreichs Grenze „attackieren“. Er fordert vorsorglich den Einsatz von Tränengas und „natürlich“ Waffeneinsatz gegen noch gar nicht vorhandene „Horden“ an unseren Grenzen. Kickl phantasiert eine Kriegssituation herbei, und kaum jemanden regt sich über diesen unsäglichen Sprachgebrauch auf. Das Gift des Hasses und der Angstmache ist mitten in unserer Gesellschaft.

Es gibt auch andere Stimmen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verlangt einen größeren Beitrag Österreichs zur Lösung der aktuellen Flüchtlingskrise. In Oberösterreich erklären 20 SPÖ-Bürgermeister bereit, Flüchtlinge aufnehmen. Der Grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi will 200 bedrohte Menschen Unterkunft geben. Auch ÖVP-Bürgermeister wie Lustenaus Kurt Fischer sehen „Möglichkeiten für einen Beitrag zur Menschlichkeit“.

Was kann man tun?

Am wichtigsten ist natürlich, bedrohte Menschen aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu bringen. Das gab es schon von 2013 bis 2017: Damals hat Österreich syrische Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet zu uns geholt – mit Zustimmung des jetzigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, der heute völlig andere Töne anklingen lässt.

Hilfe vor Ort leistet am besten das UNHCR, das UNO-Flüchtlingskommissariat. Dafür braucht es Geld. Letzte Woche wurden die heurigen Beiträge der einzelnen Staaten veröffentlicht: Mit Österreich vergleichbare Länder wie Dänemark (83 Millionen US-Dollar), Schweden (82 Millionen) und die Niederlande (73 Millionen) zahlen kräftig.

Deutschland beteiligte sich mit 127 Millionen und stellt jetzt darüber hinaus zusätzliche 100 Millionen Euro für die Region Idlib zur Verfügung, Österreich will aus dem Katastrophenhilfsfonds drei Millionen bereitstellen. An das UNHCR zahlte Österreich übrigens – wie das Nachrichtenportal „dieSubstanz.at“ aufgedeckt hat – ganze 23. Nein, nicht 23 Millionen, ganze 23.000 Dollar.

Man geniert sich für unser Land.

 

24. Februar 2020

Österreichs Flüchtlingspolitik

2020-02-24T09:16:59+01:0024.02.20, 8:58 |Kategorien: Gesellschaft, Integration|Tags: , , |

In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich Österreichs Positionierung zur EU-Mission „Sophia“ und zur Flüchtlingsthematik insgesamt kommentiert. Mein Resümee: eine Peinlichkeit!

Die EU-Mission „Sophia“ hat im Mittelmeer seit Juni 2015 knapp 50.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Zudem sollte sie den illegalen Waffenhandel überwachen. Nun musste sie beendet werden. Eine Verlängerung scheiterte vor allem an Österreich.

Warum sind Sebastian Kurz & Co. dagegen? Sie befürchten einen „Pull-Effekt“ und glauben, afrikanische Flüchtlinge machten sich deshalb auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer, weil dort vereinzelt EU-Schiffe patrouillieren, die sie dann retten. Eine gewagte These, die – wie ORF-Journalist Andreas Pfeifer in erfreulicher Deutlichkeit feststellte – „faktisch falsch“ ist: Seit Beginn der „Mission Sophia“ ist die Zahl der Flüchtlinge deutlich gesunken.

Nur noch peinlich

Den Vertretern anderer Staaten blieb da nur peinlich berührtes Kopfschütteln, zumal Österreich zuerst sogar den Einsatz von Schiffen ablehnte. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn kommentierte sarkastisch: Man könne ja für die Überwachung im Mittelmeer eine „Radarstation auf dem Großglockner“ errichten.
Der nach Österreichs Veto letzte Woche beschlossene EU-Kompromiss schaut jetzt so aus, dass nur die Waffenlieferungen nach Libyen überwacht werden dürfen. Wenn auf dem Meer Flüchtlinge gesichtet werden, muss die Aktion abgebrochen werden. Außenminister Alexander Schallenberg wird im ORF so zitiert: Es darf keine humanitäre Rettungsaktion geben.

Scham für Österreichs internationale Positionierung löste auch ein anderes Ereignis aus. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz waren sich die Vertretungen anderer Staaten nämlich weitgehend darin einig, dass die „illiberale Demokratie“ in Ungarn, die Entwicklung in den USA oder die Bedrängung des Justizsystems durch die polnische Regierung den Westen unglaubwürdig machen. Kanzler Kurz hingegen stellte sich auf deren Seite.

Falsche Migrationspolitik

Als er dann den kanadischen Premierminister Justin Trudeau für die dessen Einwanderungspolitik lobte, wies dieser das Lob zurecht als „vergiftet“ zurück. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb: „Trudeau konnte gar nicht deutlich genug machen, dass Kurz die kanadische Politik falsch darstelle.“ Kanada investiert nämlich massiv in die Ausbildung von Migranten, Österreich hingegen kürzt genau in diesem Bereich.

Unser Umgang mit Migration ist kontraproduktiv. Die UNO kritisierte zuletzt, dass es in Österreich Mängel in der Einbindung der Zivilgesellschaft gibt. Die Deutschförderung für Kinder und Jugendliche in der Schule ist mangelhaft. Es wird an allen Ecken und Enden gespart, was sich später rächt. Nach der Schule haben diese Jugendlichen dann Schwierigkeiten, sich auf eigene Beine zu stellen. Sie fehlen der Wirtschaft und fallen dem Staat zur Last, statt einen Beitrag leisten zu können.

Diese Flüchtlingspolitik im Inland ist dumm. Das Verhalten im Zusammenhang mit der „Mission Sophia“ aber treibt einem sogar die Schamesröte ins Gesicht.

17. Februar 2020

Geht beides? Ziffernnote und Alternative?

2020-02-17T14:29:34+01:0017.02.20, 14:29 |Kategorien: Bildung|Tags: |

Konservative Kritiker der alternativen Leistungsbeurteilung bis hin zum Minister geben sich gerne großzügig und „erlauben“ zusätzlich zur verpflichtenden Ziffernnote in der Volksschule eine alternative Beurteilung. Völlig abgesehen davon, dass ich es für unzumutbar halte, dass Pädagog*innen genötigt werden, doppelte Arbeit zu leisten, habe ich eine interessante Zusendung quasi „aus der Praxis“ bekommen.

Johanna Aschbacher ist Lehrerin an der Volksschule Rankweil-Brederis und hat mir Folgendes geschrieben. Gerne drucke ich es – mit ihrer Erlaubnis – hier ab:

Mein Name ist Johanna Aschbacher und ich bin seit über 25 Jahre im Schuldienst in der Volksschule, heute Primarstufe, tätig. Seit über 15 Jahren arbeite ich an verschiedenen Standorten mit, eine alternative Beurteilung für Kinder bis 10 Jahre zu entwickeln. Von diversen Kompetenzrastern über „Pensenbuch“ und direkte Leistungsvorlage haben wir alles angeschaut, verglichen, ausgewählt und für den jeweiligen Standort adaptiert. Das Thema ist uns Pädagog_inn_en so wichtig, dass wir unsere Modelle immer wieder überarbeitet haben, um die Aussagekraft zu optimieren und Leistung sichtbar zu machen. In unzähligen Stunden ist es uns gelungen, die Eltern von den Vorteilen der alternativen Beurteilungsformen zu überzeugen.

In der Diskussion über Notenzwang bzw. Wiedereinführung der Ziffernnoten ab der zweiten Schulstufe im 2. Semester, vermisse ich ein grundlegendes Argument, nämlich jenes der Unvereinbarkeit der beiden Beurteilungsmodelle. Erlauben Sie mir, dazu Stellung zu beziehen:

Die Ziffernnote ist für mich ein defizitorientiertes Beurteilungsmodell, defizitär gegenüber von 100%. Dabei spielt auch der Zeitpunkt der Lernziel-Erreichung eine große Rolle. Im Jahreszeugnis findet sich ein Mittelwert der Leistungsbeurteilung für das ganze Schuljahr.

Eine alternative Leistungsbeurteilung hingegen schaut auf die positive Entwicklung der Kindes. Sie macht Erfolge sichtbar vom (Schul)Anfang bis zum Zeitpunkt z.B. des KEL- Gesprächs. Es werden auch Lehrstoff-Themen angesprochen, die vom Kind noch nicht ausreichend bearbeitet und geübt wurden und es wird motiviert, sich damit in den nächsten Tagen und Wochen zu befassen. Das Kind wird dabei unterstützt und begleitet, erfolgreich zu arbeiten. Bei der alternativen Leistungsbeurteilung spielt der Zeitpunkt der Lernziel-Erreichung eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Am Ende steht ein Ist-Wert, dessen Entwicklung dokumentiert wurde.

Der Zugang zur Leistungsbeurteilung der beiden Systeme ist nicht kompatibel. Das ist der wirkliche Grund, warum Pädagog_inn_en, die die alternative Leistungsbeurteilung bevorzugen und leben, mit dem Notenzwang nichts anfangen können. Ganz sicher geht es dabei nicht um eine Überlastung der Pädagog_inn_en, beide Wege zu beschreiten. Nein, die Wege passen einfach nicht zusammen. Sie sind unvereinbar.

Ich bedanke mich, für Ihre Zeit und freue mich darauf, dass Sie in den einen oder anderen Diskussionen bzw. Kommentaren dieses grundlegende Argument auch öffentlich machen werden.

Anmerkung: Ich habe in den letzten Wochen viele Reaktionen von Lehrkräften aus der Volksschule erhalten, dabei ist durchaus auch die Überlastung wegen der doppelten Beurteilung angesprochen worden. Wichtiger aber ist mir jener Aspekt, den Kollegin Aschbacher hier in der Vordergrund stellt: Ziffernnote und alternative Beurteilung sind nicht kompatibel!

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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