Was fasziniert an Weihnachten?
Was an Weihnachten so fasziniert? Der Kommerz allein ist es nicht. Das PhÀnomen ist viel Àlter. In einem Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten habe ich auf die uralten Wurzeln des Festes ebenso verwiesen, wie auf die Deutungsversuche. Etwa jene im NS-Staat. Was machte Hitler am Heiligen Abend? Was die HÀftlinge in den Konzentrationslagern?
Hier mein Kommentar (Titel âFest der Hoffnungâ) zum Nachlesen:
Was fasziniert Menschen seit Menschengedenken so an Weihnachten und seinen VorlÀufern?
Tatsache ist nÀmlich, dass zumindest in den letzten zwei Jahrtausenden Machthaber daran gescheitert sind, das Fest abzuschaffen. Wirkungsvoller war, es umzuinterpretieren.
âWomit die emotionale Bedeutung dieses Festtages zusammenhĂ€ngt, lĂ€sst sich schwer erklĂ€ren.â
Der Ursprung des Weihnachtsfestes weist in vorchristliche Zeiten. Der im Römischen Reich ab dem 1. Jahrhundert dominierende Mithraskult feierte den Geburtstag ihres Gottes, die Römer verschmolzen Mithras mit ihrem Sonnengott Sol Invictus zu einer Person. Das Christentum wiederum interpretierte den Tag als Geburtstag Jesu Christi.
Womit die emotionale Bedeutung dieses Festtages zusammenhĂ€ngt, lĂ€sst sich schwer erklĂ€ren. Tatsache ist, dass er heute fĂŒr die meisten Christen höhere Bedeutung hat als das theologisch weit bedeutendere Osterfest.
Den Nazis war Weihnachten zuwider. Die SS feierte nicht ganz kalendergetreu die Wintersonnenwende. Hitler lieĂ sich an Heiligabend durch die Gegend chauffieren, um âder Weihnachtsstimmung zu entgehenâ, wie es ein Mitarbeiter formulierte.
Weihnachten in Auschwitz
Schlimm war der Abend fĂŒr die Menschen in den Konzentrationslagern des Dritten Reichs. HĂ€ftlinge zĂŒndeten sogar in Auschwitz am 24. Dezember Kerzen auf einen heimlich beschafften Fichtenzweig an. Danuta Czech, die Chronistin des Lagers, schreibt, dass die HĂ€ftlinge so âihre Hoffnung nĂ€hren, das Lager zu ĂŒberlebenâ.
Von einzigartigen Weihnachtsfeiern berichten mehrere ĂŒberlebende HĂ€ftlinge, die im Krankenbau fĂŒr SS-MĂ€nner Dienst tun mussten. Dort war mit der Bregenzer Oberschwester Maria Stromberger eine Frau, die nicht nur viele HĂ€ftlinge rettete, sondern auch aktiv Widerstand leistete.
Da zu Weihnachten relativ wenige SS-MĂ€nner im Lager waren und es kaum Kontrollen gab, gelang es den etwa zwei Dutzend âFunktionshĂ€ftlingenâ im SS-Revier eine Weihnachtsfeier zu organisieren. âSeit Monatenâ seien fĂŒr diesen Abend Sachen âorganisiertâ worden, berichtet etwa der aus Wien stammende HĂ€ftling Hermann Langbein. All das wurde am Dachboden gehortet.
Die HĂ€ftlinge trafen sich dort und feierten: âSchwester Maria ist auch dabei. Sie gehört zu uns. Tisch und Sessel sind aus Kisten und Latten improvisiert und schön gedeckt, Brote, mit allen erdenklichen Herrlichkeiten belegt, gibt’s, Wein, schlieĂlich Champagner.â
Multireligiöses Fest
Es waren multi- und sogar nichtreligiöse Feste. Der tschechische HĂ€ftling Artur RadvanskĂœ erinnert sich: âIch war auch dabei, obwohl ich Jude bin. Es waren drei oder vier Juden dabei. Wir waren alle dabei.â Zu âallenâ gehörten neben Juden polnische Nationalisten, Kommunisten und Atheisten.
Sie alle schöpften Kraft und Hoffnung aus diesem Abend. Eine viel bessere Interpretation fĂŒr Weihnachten gibt es wohl kaum: ein friedliches Fest, das alle Menschen unabhĂ€ngig von Herkunft, Religion oder Weltanschauung zusammenbringt.