hofer_stracheNun ist’s quasi offiziell: Norbert Hofer darf als „Nazi“ bezeichnet werden – zumindest unter bestimmten Umständen, wie es gestern an einem Innsbrucker Gericht in erster Instanz festgestellt wurde*. Die Richterin ortet als Begründung ein „Tatsachensubstrat“, da sich die FPÖ nicht nur nicht von rechtsextremen Gruppierungen distanziere, sondern auch den Kontakt zu diesen suche. Nun, da ist der Richterin uneingeschränkt zuzustimmen. Aber macht etwa der Kontakt zu Rechtsextremen aus Hofer nun schon einen „Nazi“?

Karl Öllinger hat sich das von Norbert Hofer endredigierte „Handbuch freiheitlicher Politik“ genau angesehen und findet darin eindeutig rechtsextreme Positionen. Da ist auch die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Burschenschaft, die in einer Festschrift die österreichische Nation leugnet, da sind von Hofer verfasste Beiträge in rechtsextremen Zeitschriften, da sind die Rassismen, deren sich Hofer vehement im Wahlkampf bediente. Und ja, da sind auch Elemente, die durchaus am nationalsozialistischen Gedankengut streifen. Das reicht bis zur mangelnden Abgrenzung von neonazistischen Aktivitäten rund um die FPÖ oder auch in der FPÖ, wenn etwa ehemals ausgeschlossene Mitglieder über die Hintertür wieder in den Schoß der Partei zurückkehren. Und, um auch das klar auszusprechen, nazistisches Gedankengut ist wohl auch einigen aus der höherrangigen FPÖ-Riege nicht fremd.

Aber wenn das, was Hofer charakterisiert, einen „Nazi“ definiert, was sind dann Holocaustleugner wie Honsik und Küssel, Neonazis, die ideologisch motiviert gewalttätig werden und nicht zuletzt: Was ist dann strafrechtlich auf Basis des Verbotsgesetzes zu verfolgen, wenn nicht (neo)nazistische Aktivitäten?

Nicht, dass ich Hofer nun nach dem Innsbrucker Urteil bedauern würde, denn seine Mittel der Diffamierung und jene der FPÖ sowie ihrer Gefolgschaft sind nicht mehr zählbar. Dennoch sollten wir Begrifflichkeiten wie „rechtspopulistisch“, „rechtsextrem“, „faschistisch“ und „(neo)nazistisch“ klar voneinander abgrenzen und sie nicht pauschal und unhinterfragt handhaben. Die inflationäre und unreflektierte Anwendung bedingt nicht nur den Verlust ihrer Tauglichkeit als Bedeutungserklärung, sondern verwischt und verharmlost letztlich das, was mit einem „Nazi“ zu verbinden ist, nämlich die Akzeptanz oder sogar Gutheißung der Gräueltaten des Nationalsozialismus.

Mein Plädoyer ist nun keine Bagatellisierung des Gedankenguts von Norbert Hofer, denn rechtsextreme Politik hebelt viel von dem aus, was gesellschaftliches Fundament unserer Republik ist oder zumindest war: das rechtsstaatliche Prinzip, die demokratischen Werte, die Menschenrechte und die sozialstaatliche Absicherung. Alles das stellt die FPÖ infrage. Reden wir also darüber, was das genau für unsere Gesellschaft zur Folge hat und was es bedeutet, wenn sich ÖVP und SPÖ mit einer rechtsextremen Partei ins Bett legen.

Eine trennscharfe ideologische Einordnung macht Sinn, sie beschreibt in Falle von Hofer das politische Gerüst, auf das er und die FPÖ bauen. Es reicht, dass wir mit Hofer einen rechtsextremen Bundespräsidenten bekommen könnten – alleine dieses Schreckensszenario sollte uns in die Knochen fahren!

*Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der Rechtsanwalt von Hofer Berufung einlegte.