7. April 2016

Panama und Vorarlberg: Profit und Moral

2016-04-07T13:08:03+02:0007.04.16, 12:56 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft|Tags: , , |

Hypo_Grahammer

Es ist erstaunlich, dass gerade ein Vorarlberger das erste Opfer des weltweiten Skandals um die „Panama-Papers“ ist („Hypo-Chef Michael Grahammer tritt zurĂŒck“). Zumindest ist er der erste Banker. Der RĂŒcktritt – so betont Grahammer – stehe aber nicht in direktem Zusammenhang mit der Veröffentlichung oder der Involvierung seiner Bank in den Skandal.

Die Vorarlberger GrĂŒnen haben schon 2008 und 2009 den Ausstieg der Bank aus dubiosen und potentiell kriminellen GeschĂ€ften und GeschĂ€ftskonstruktionen verlangt (Anfrage Hypo 2008, Anfrage Hypo Mai 2009, Anfrage Verkauf Hypo Fl 2009). Damals schon wurde auf die Off-Shore-AktivitĂ€ten des Hypo Konzerns verwiesen – vor allem am Finanzplatz Liechtenstein. Zu diesem Zweck wurde im Herbst 2006 die Hypo Trust & Corporate Services (Brunei) Ltd. als 100%-Tochter der Vaduzer Bank gegrĂŒndet. Der GrĂŒne Vorstoß fĂŒhrte immerhin zum Verkauf der Hypo-Tochter Hypo Investment Lichtenstein und bewahrt sowohl die Bank als auch das Land Vorarlberg heute vor einem noch grĂ¶ĂŸeren Imageschaden.

Dass eine GrĂŒne Regierungsbeteiligung Wirkung zeigt, darauf verweist unser Klubobmann im Landtag zu Recht, Adi Gross verweist aber auch auf weitergehende Fragen: „Es gibt ein Spannungsfeld zwischen Geld und Moral.“ Profit kann und darf nicht das einzige Kriterium einer Landesbank sein, schon gar nicht im Zusammenhang mit Steuerersparnis, Steuerhinterziehung oder GeldwĂ€sche.

Peinlich berĂŒhrt ist man, wenn man von Regierungsseite hört, Österreich sei schon jetzt ein Vorzeigeland. Und was in den nĂ€chsten Wochen aus der Forderung von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder wird, es brauche schĂ€rfere Bestimmungen gegen GeldwĂ€sche, werden wir im Parlament sehen („Offshore-Verbot: Banken haben wenig Freude“). An uns – das kann ich versprechen – werden Maßnahmen zum Schutz der SteuerzahlerInnen jedenfalls nicht scheitern. Schieder spricht ja von einem völligen Verbot von GeschĂ€ftsbeziehungen mit Staaten, die intransparente Briefkastenfirmen zulassen.

Eines war damals klar und ist heute klar: Offshore-GeschĂ€fte und Briefkastenfirmen mögen rechtlich möglich sein, dem Gemeinwohl dienen sie nicht. Steueroasen dienen ausschließlich kriminellen FinanzaktivitĂ€ten, der Umgehung nationaler Steuerregelungen, der Vermeidung von Kontrollen durch die Finanzmarktaufsicht, dem Parken von Gewinnen aus HandelsgeschĂ€ften sowie dem Verstecken von Finanzvermögen. Solche „Finanzdienstleistungen“ gehen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und -zahler in den ĂŒbrigen LĂ€ndern: Denn sie haben den ĂŒber großen Hauptteil der Steuerlast durch Umsatzsteuern und Steuern auf Arbeitseinkommen tragen, wĂ€hrend Unternehmensgewinne und große Privatvermögen durch Steueroasen der Besteuerung entzogen werden können.

21. August 2015

Quo vadis Griechenland?

2015-08-21T15:34:19+02:0021.08.15, 15:34 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft|Tags: |

Griechenland_FlaggeNun ist es also Wirklichkeit geworden: „Syriza“, die Partei des griechischen MinisterprĂ€sident Alexis Tsipras spaltet sich. 25 ehemalige Abgeordnete grĂŒndeten unter der FĂŒhrung von Panagiotis Lafazanis eine neue Fraktion und Partei mit dem Namen „Volkseinheit“. Sie ist nun die drittstĂ€rkste Kraft im Parlament.
Man darf gespannt sein, wie die griechischen WĂ€hlerInnen das beurteilen werden. Interessant ist jedenfalls, fĂŒr wen Alexis Tsipras, der frĂŒhere „Gott-sei-bei-uns“ des europĂ€ischen Polit-Establishments, inzwischen zum Garanten oder zumindest HoffnungstrĂ€ger fĂŒr StabilitĂ€t geworden ist.

„Der Spiegel“ (Plötzlich drĂŒckt BrĂŒssel Tsipras die Daumen) fasst das so zusammen: „Ein Sieg des Sozialisten brĂ€chte StabilitĂ€t, darum wĂŒnscht man sich, dass er weitermachen kann.“ Sogar fĂŒhrende KrĂ€fte in der CSU mahnen StabilitĂ€t ein, fĂŒr die offensichtlich Tsipras steht.

In Italien jubelt die liberale Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ und schreibt, dem „kĂŒhnen“ Tsipras sei „ein Platz auf dem Olymp der großen griechischen StaatsmĂ€nner“ sicher, wenn er im September die Wahlen gewinne. Er sei ein Mann mit „Mut zur geistigen FlexibilitĂ€t“, habe den „Grexit“ verhindert und „nicht nur sein Land gerettet, sondern auch den Euro“. Ganz schön verzwickt ist diese Welt geworden!

Wir wollen die Kirche im Dorf lassen. Die Heiligsprechung von Alexis Tsipras durch europĂ€ische Konservative und Liberale ist vor allem darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass die grĂ¶ĂŸte StĂ€rke des Premiers die SchwĂ€che seiner Gegner ist: Die sozialdemokratische PASOK hat nicht nur moralisch, sondern auch personell abgewirtschaftet und nur noch 13 Abgeordnete, und der konservativen „Nea Dimokratia“ gelingt es nicht einmal, sich auf einen Vorsitzenden zu einigen.

Wie auch immer die Wahl ausgeht, viel Grund zum Optimismus sehe ich nicht: Die soziale Situation in Griechenland ist unertrĂ€glich, viele Menschen haben weiterhin keinen Zugang zum Gesundheitssystem, die Jugendarbeitslosigkeit von inzwischen ĂŒber 50 Prozent ist unertrĂ€glich. Die wirtschaftspolitischen Auflagen fĂŒr Griechenland setzen den bisherigen AustĂ€ritĂ€tskurs fort: Die Mehrwertsteuererhöhungen treffen alle und besonders hart die Armen, Renten werden weiter gekĂŒrzt, der Arbeitsmarkt noch stĂ€rker „flexibilisiert“, … Dieser Kurs wird die griechische Wirtschaft weiter in die Rezession fĂŒhren. Die Anpassungsleistungen gehen zu einem Großteil auf Kosten der „kleinen Leute“, die die Krise nicht verursacht haben.

Mit den Vorgaben, die Griechenland fĂŒr weitere Hilfszahlungen erfĂŒllen muss, werden demokratische GrundsĂ€tze ausgehebelt. Die griechische Regierung muss sĂ€mtliche Gesetzesvorhaben in „relevanten Bereichen“ vor Befassung des Parlaments von den EU-Institutionen genehmigen lassen. Damit wird Griechenland seiner SouverĂ€nitĂ€t beraubt und quasi unter europĂ€ische Aufsicht gestellt.

Vielleicht nimmt ja irgendwer nach der Bankenrettung auch diese Probleme in Angriff!

26. Juli 2015

Das MĂ€rchen von den „LeistungstrĂ€gern“

2015-07-26T17:07:17+02:0026.07.15, 16:39 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft|Tags: , |

vermoegen-schulden„Es ist auch deshalb schwer, ArbeitskrĂ€fte zu finden, weil das Arbeitsloseneinkommen fast genauso hoch ist wie das Arbeitseinkommen. In Deutschland gibt [es] mit Hartz IV ein Modell, das offenbar besser funktioniert.“ Und, so fĂŒhrte Finanzminister Hans Jörg Schelling in einem Standard-Interview weiter aus: „Leistung muss belohnt werden, das ist nichts, was einem zusteht. (…) Wir haben uns zu einer Neidgesellschaft entwickelt. Neid muss man sich aber verdienen, Mitleid bekommt man umsonst.“

Diese Äußerungen sind nun wirklich bemerkenswert, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Dass Schelling nicht weiß, wie sich das Arbeitslosengeld berechnet, ist kaum zu glauben. Falls doch, empfehle ich ihm die LektĂŒre der erhellenden AusfĂŒhrungen von Bernhard Madlener: „Weltfremde Politik: Die MĂ€r vom faulen, reichen Arbeitslosen“

Ob sich Schellings Interpretation des einkommensmĂ€ĂŸigen Unterschieds daraus erklĂ€ren lĂ€sst, dass fĂŒr ihn ein paar hundert Euro (oder auch mehr) auf oder ab tatsĂ€chlich Peanuts sind, weiß ich nicht – aus dieser Sicht hĂ€tte sie wenigstens eine gewissen Logik. Fakt ist: Wir haben in Österreich die höchste Arbeitslosenzahl seit Ende der Nachkriegszeit – Tendenz steigend. Wenn Schelling nun wirklich meint, dass mehr als 400.000 Menschen deshalb nicht fĂŒr den Arbeitsmarkt zu rekrutieren sind, weil sie zu viel Geld erhalten, ist seine Aussage als blanker Zynismus zu werten. Falls er sie wider besseren Wissens von sich gegeben hat, stĂ¶ĂŸt sie genau in die Richtung, die er vorgibt zu bedauern: Er schĂŒrt eine Neiddebatte, aber just auf Kosten der vielen Tausend, die heilfroh wĂ€ren, wĂŒrden sie einen Arbeitsplatz finden.

Wenn Schelling nun auch noch das von der ÖVP so hochgelobte Leistungsethos strapaziert, dann platzt mir endgĂŒltig der Kragen. Die ÖVP, die sich strikt weigert, Vermögen höher zu besteuern oder Personen, die (viel!) erben und deren Leistung ausschließlich daraus besteht, dass sie in die richtige Familie geboren wurden, ĂŒberhaupt zu besteuern oder auf einem Schulsystem beharrt, das nachweislich soziale Ungleichheit produziert, tĂ€te sehr gut daran, ihren Leistungsbegriff zu hinterfragen. Stattdessen aber wĂŒnscht sich Schelling das Hartz IV-Modell, das Deutschland zu einem Niedriglohnland katapultiert und Heerscharen in die Armut getrieben hat, darunter mehr als 1,5 Millionen Kinder, die in Hartz IV-Familien aufwachsen mĂŒssen. Schelling heizt damit auch einen Diskurs an, der Arbeitslose verbal in die „soziale HĂ€ngematte“ befördert und dessen Credo lautet: Arbeitslos sind nur die Faulen, die wirklich Leistungsbereiten schaffen den ökonomischen Aufstieg. Oder wie es der Armutsforscher Christoph Butterwegge anders formuliert: „Hartz IV hat in erheblichem Ausmaß zur sozialen Entrechtung, Entsicherung und Entwertung eines wachsenden Bevölkerungsteils beigetragen, der besonders in einer wirtschaftlichen Krisensituation als ‚unproduktiv’ und ‚unnĂŒtz’ gilt. (…) Arbeitslosengeld-II-Bezug wiederum erscheint weniger als Problem fĂŒr die Betroffenen selbst – es ist ein Problem fĂŒr den ‚Standort Deutschland’ geworden. Der soll durch die rasche Eingliederung der Armen in den Arbeitsmarkt noch konkurrenzfĂ€higer gemacht werden. Und die Menschen? Ach – die Menschen.“

Schelling und den Apologeten des neoliberalen Leistungsbegriffs widme ich ein paar Zeilen des deutschen Kabarettisten Dietrich Kittner: „Es war einmal ein Mann, der hatte es allein durch seiner HĂ€nde Arbeit zu großem Reichtum gebracht. Und morgen, liebe Kinder, erzĂ€hle ich Euch ein anderes MĂ€rchen.“

(Grafik: http://www.attac.at/vermoegensuhr.html, Stand 26.7.2015, 10h00)

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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