19. Oktober 2023

Die Brandstifter sind unter uns

2023-10-19T13:52:35+02:0019.10.23, 13:52 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft|Tags: , , |

Die Relativierung rechter Parolen wird von immer breiteren Kreisen akzeptiert und von politischen Brandstiftern genutzt. Unter dem Titel „’Blinzeln‘ nach rechts außen“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst hier zum Nachlesen:

Der verbrecherische Angriff der Hamas auf Israel mit unfassbaren GrĂ€ueltaten erschĂŒttert derzeit die Welt. Israels Reaktion darauf ist ebenso verstĂ€ndlich wie gefĂ€hrlich. Selbst traditionelle UnterstĂŒtzer wie die US-PrĂ€sident Joe Biden warnten die israelische Regierung davor, den Gazastreifen erneut zu besetzen: „Das wĂ€re ein großer Fehler.“ Die Hamas, so stellte er zurecht fest, sei nicht das gesamte palĂ€stinensische Volk.

Wir in Österreich tun nicht nur angesichts unserer Geschichte gut daran, uns mit guten RatschlĂ€gen an Israel zurĂŒckzuhalten und ĂŒberall dort humanitĂ€re Hilfe zu leisten, wo das möglich ist. Wir haben zudem genug damit zu tun, eine gefĂ€hrliche Entwicklungen in unserer Gesellschaft aufmerksam zu beobachten.

Stammtischparolen

Wer jetzt in der Politik oder den Medien die Stimmung aÂŹnheizt, macht sich mitschuldig. Wer Menschenrechte und das Asylrecht bei uns infrage stellt und mit Stammtischparolen suggeriert, praktisch alle FlĂŒchtlinge seien „eine Gefahr“ und schnurstracks eine Verbindung zu islamistischen Terroristen herstellt, handelt verantwortungslos. Er ist mitverantwortlich dafĂŒr, wenn bald auch bei uns einzelne nicht nur symbolisch „die Messer wetzen“.

In den USA hat am Wochenende ein 71-jĂ€hriger Mann 26 Mal mit dem Messer auf einen sechsjĂ€hrigen Buben eingestochen und getötet sowie dessen Mutter schwer verletzt. Seine BegrĂŒndung: Hass auf Muslime und der Angriff der Hamas auf Israel. Mit unbedachten Äußerungen gegen FlĂŒchtlinge und Muslime werden solche GewalttĂ€ter ermuntert und ein friedliches Zusammenleben erschwert.

NatĂŒrlich muss der Staat seine Werte verteidigen und eingreifen, wenn es Probleme gibt oder – wie zuletzt – einige die schrecklichen GrĂ€ueltaten der Hamas bejubeln. Die Polizei hat das am vergangenen Wochenende mit Augenmaß auch getan, aber Heißspornen war das zu wenig. KĂ€men ihnen Straßenschlachten in Wien und anderen StĂ€dten zupass? Vor allem die Parteien sind gefordert, entschlossen und gleichzeitig besonnen zu reagieren.

Fatale Signale

Mit Bitterkeit hat ÖVP-Mandatar Othmar Karas sein Nicht-Antreten bei den EU-Wahlen damit begrĂŒndet, dass das „Blinzeln“ zum rechten politischen Rand auch in seiner Partei salonfĂ€hig geworden sei. Das ist ein ebenso fataler wie richtiger Befund, zumal sich einige nicht mehr scheuen, sogar die humanitĂ€ren AktivitĂ€ten der Kirche in der FlĂŒchtlingspolitik als „kontraproduktiv“ zu geißeln. Das war jahrzehntelang undenkbar – und ist es bei wirklich Christlichsozialen bis heute.

Zum Frieden im Nahen Osten kann Österreich kaum etwas beitragen. Als letzter großer Staatsmann unseres Landes hat das Bruno Kreisky mit zumindest kleinen Erfolgen versucht. Heute mĂŒssen wir uns auf die Erhaltung des inneren Friedens in unserem Land konzentrieren und ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft verhindern. Diese Aufgabe ist schwer genug und wird von politischen Brandstiftern zunehmend torpediert.

4. Oktober 2023

Verrohte BĂŒrgerlichkeit

2023-10-04T07:06:17+02:0004.10.23, 7:05 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , |

Die politische FettnĂ€pfchen-Tour von Karl Nehammer ist nicht nur seiner Unbeholfenheit zuzuschreiben, sondern verweist auf eine gesellschaftliche Entwicklung. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Verrohte BĂŒrgerlichkeit“. Hier zum Nachlesen:

Der österreichische Bundeskanzler und seine ÖVP haben derzeit keinen guten Lauf. Ein fĂ€lschlich abgeschicktes Email offenbarte am Montag konkrete PlĂ€ne fĂŒr einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen FPÖ, SPÖ und sogar den eigenen Koalitionspartner. FĂŒr die Politologin Kathrin Stainer-HĂ€mmerle wĂ€re das ein klarer Koalitionsbruch.

In den Tagen davor haben das „Hamburger-Video“ und die herablassende Kommentierung der Forderung nach mehr Kinderbetreuungseinrichtungen fĂŒr Aufregung gesorgt. Der ÖVP-Obmann scheint inzwischen regelrecht auf einer „FettnĂ€pfchen-Tour“ zu sein. Zudem beanstanden immer mehr politische Beobachter die Empathielosigkeit seiner einst christlichsozialen Partei gegenĂŒber sozial Schwachen.

„Anstandslose“ ÖVP

Der ehemalige Caritas-PrĂ€sident Franz KĂŒberl diagnostizierte zuletzt, die ÖVP habe in sozialer Hinsicht „jedes GespĂŒr“ verloren. Noch schĂ€rfer geht der aus Bregenz stammende Publizist und „Falter“-Herausgeber Armin Thurnher in seinem Buch „Anstandslos“ mit der ÖVP ins Gericht: „Wann und wo genau verloren die ihre WĂŒrde? Als sie mit den Rechtsextremisten der FPÖ koalierten? Als jene tĂŒrkise Gang, die Sebastian Kurz ins Kanzleramt schummelte, weder Umfragebetrug noch Medienkorruption scheute?“

Der Zustand der ÖVP aber ist nur ein Symptom fĂŒr die zunehmende „Verrohung“ der ganzen Gesellschaft. Sie zeigt sich etwa in der achselzuckenden Teilnahmslosigkeit, wenn wieder hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken oder tausende nach Erdbeben oder Überschwemmungen irgendwo in einem fernen Land sterben.

Viele LĂ€nder betroffen

Der Begriff „verrohte BĂŒrgerlichkeit“ kennzeichnet seit einigen Jahren diese Entwicklung einer zunehmend egoistischen, intoleranten und rĂŒcksichtsloser werdenden Gesellschaft. Und sie ist nicht nur bei Konservativen oder Rechten zu beobachten, sondern zunehmend auch bei gut situierten Linken.

In vielen anderen LĂ€ndern ist diese Entwicklung noch weiter fortgeschritten. Das gilt speziell fĂŒr solche, die wir einst aufgrund einer gemeinsamen Wertehaltung zur „westlichen Welt“ gezĂ€hlt haben. Man denke etwa an Ungarn, Polen, Israel oder Italien. Die Liste wird immer lĂ€nger.

Ein dumpfer Nationalismus macht sich breit. Die im letzten Jahrhundert hart erkĂ€mpfte offene Gesellschaft wird inzwischen oft als Bedrohung gesehen, kritische Kunstschaffende, investigativer Journalismus und unabhĂ€ngige Redaktionen werden diffamiert, der Justiz das Leben schwer gemacht – in Österreich etwa mit Attacken gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Eine Ursache dafĂŒr ist sicher die um sich greifende Verunsicherung breiter Schichten durch die großen Fluchtbewegungen, die Auswirkungen der Klimakrise, soziale und wirtschaftliche Verwerfungen. Egoismus und Empathielosigkeit gegenĂŒber anderen Menschen sind die Folge. Aufgabe der Politik wĂ€re es, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und sich fĂŒr Gerechtigkeit, Toleranz und MitgefĂŒhl einzusetzen. Karl Nehammer tut das Gegenteil.

18. September 2023

Braune Töne

2023-09-18T08:43:18+02:0018.09.23, 8:43 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft, Nationalrat|Tags: , |

Über die verschluderte politische Kultur in Österreich und warum die ÖVP daran die Hauptschuld trĂ€gt: Dazu habe ich unter dem Titel „Braune Töne“ in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

In Deutschland gibt es bei allen demokratischen Parteien im Bundestag eine glasklare Linie: keine Packeleien mit der FPÖ-Schwesterpartei AfD. Am vergangenen Freitag fĂŒhrte im Bundesland ThĂŒringen schon ein unabgesprochenes gemeinsame Stimmverhalten von CDU, FDP und AfD zu heftigen bundesweiten Reaktionen.

In Österreich fĂŒhren nicht einmal eindeutig rechtsextreme Töne zu einem Aufschrei. Wie haben uns in den letzten Jahren schon an zu viel gewöhnt. An viel zu viel!

Gewöhnungseffekt

Etwa an die vielen gemeinsamen Auftritte von außerparlamentarischen Rechtsextremen und der FPÖ bei Kundgebungen und Demonstrationen. Oder an die Berichte des Bundesamtes fĂŒr Verfassungsschutz und TerrorismusbekĂ€mpfung, in denen immer wieder FPÖ-FunktionĂ€re auftauchen.

Zuletzt bezeichnete FPÖ-Chef Herbert Kickl ein in Stil und Inhalt an Nazi-Propagandistin Leni Riefenstahl orientiertes Video seiner Nachwuchsorganisation gar als „großartig“. Da tauchten etliche ideologische VorkĂ€mpfer der NSDAP ebenso auf wie junge MĂ€nner im Hitlerjugend-Haarschnitt, die unter dem Motto „Wir wollen eine Zukunft“ sehnsuchtsvoll auf den „Hitler-Balkon“ am Heldenplatz schauten. Die ĂŒbrigen Parlamentsparteien zeigten sich immerhin entsetzt. Die konservative „Neue ZĂŒrcher Zeitung“ sah „eine rote Linie“ ĂŒberschritten.

Mit stĂ€ndigen brĂ€unlich eingefĂ€rbten Provokationen will die FPÖ zudem die rechtsextremen „IdentitĂ€ren“ gesellschaftsfĂ€hig machen. Kickl vergleicht sie mit Greenpeace, die FPÖ in Salzburg mit dem Alpenverein und dem SOS-Kinderdorf. Alle diese Organisationen reagieren zwar wĂŒtend, es nutzte aber recht wenig. Das Schlimme: Nicht wenige politische Beobachter erwarten die FPÖ in der nĂ€chsten Regierung.

FPÖ als Regierungspartei?

In Niederösterreich wurde die Landeshauptfrau im Wahlkampf vom aus der Liederbuch-AffĂ€re („Mit sechs Millionen Juden, da fĂ€ngt der Spaß erst an“) bekannten FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer – selbst hat er iranische Wurzeln – als „Moslem-Mama“ verhöhnt, die von der FPÖ nicht zur Landeshauptfrau gemacht werde. Auch Johanna Mikl-Leitner versicherte, mit der FPÖ „sicher“ kein BĂŒndnis einzugehen. Heute sitzen beide in einer ÖVP-FPÖ-Koalition. Ähnliches gibt es aus Salzburg und Oberösterreich zu berichten.

Was ist also davon zu halten, wenn uns heute die Bundes-ÖVP verspricht, „ganz sicher“ keine Koalition mit der „Kickl-FPÖ“ einzugehen? Zu erinnern ist an die Jahrtausendwende, als der damalige ÖVP-Chef verkĂŒndete, „ganz sicher“ in Opposition zu gehen, wenn seine Partei nur auf dem dritten Platz lande. Nach der Wahl ging er als Drittplatzierter mit der FPÖ einen Pakt ein und wurde Bundeskanzler.

ÖVP-PolitikerInnen verweisen gerne darauf, dass es ja auch eine „bĂŒrgerliche“ FPÖ gebe. Das mag in Teilen so sein, Ă€ndert aber nichts daran, dass die FPÖ schon bei ihrer GrĂŒndung ein Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten war und deren Gedankengut – siehe freiheitliche Jugendorganisation – die Jahrzehnte ĂŒberstanden hat.

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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