Die Grazer FPĂ und die Bildung oder wie Bedrohungsszenarien konstruiert werden
Im vorletzten Jahr habe ich anlĂ€sslich der Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien das Bildungsprogramm jener Partei nĂ€her angesehen, die unentwegt den Niedergang der Bildung beklagt. Quintessenz: FĂŒr die FPĂ in Oberösterreich muss wieder Law and Order in die Schulen reinkommen. Vergleichsweise sanft gaben sich die Wiener Blauen, denn in deren Wahlprogramm war das Bildungsthema gleich gar nicht vorhanden.
Nun habe ich die Grazer FPĂ unter die bildungspolitische Lupe genommen. Eines muss ich ihr lassen: Ihre bildungspolitischen Vorstellungen sind sehr kompakt und konzentrieren sich auf das Wesentliche, auf das blaue Wesentliche: Es gĂ€be zu viele Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, die sind seien ein Sicherheitsrisiko und mĂŒssen daher reduziert werden. Aber sehen wir uns das genauer an:
âAuch sollte der Anteil an fremdsprachigen Volksschulkindern in Volksschulklassen nicht mehr als 30% betragen, da Integration andernfalls nicht stattfindet.â*
Wir erfahren nicht, was die FPĂ unter âfremdsprachigen Volksschulkindernâ versteht. Vermutlich sind alle gemeint, in deren Elternhaus auch noch eine andere Sprache als Deutsch gesprochen werden könnte, also auch alle Kinder, die vielleicht perfekt mehrsprachig aufwachsen. Und, so suggeriert es die FPĂ, die seien ein Sicherheitsrisiko, das âzu einer Katastrophe fĂŒhrenâ** wĂŒrde: âTatsĂ€chlich aber werden viele Kinder und Jugendliche bereits in der Familie im Stich gelassen und auf dem spĂ€teren Bildungsweg mit Parallelgesellschaften, Ghetto- und Bandenbildung, KriminalitĂ€t und Drogen konfrontiert. Wir stehen dafĂŒr ein, dass die Jugend gerade in den sensiblen Jahren in Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen kann. (…) Daher dĂŒrfen wir uns gewissen Wahrheiten nicht verschlieĂen.â
Die blaue âWahrheitâ sieht so aus: âDer Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache in Grazer Volksschulen hat einen bedenklichen Rekordwert erreicht. Von insgesamt 7.707 Grazer VolksschĂŒlern gehörten im Schuljahr 2015/16 3.770 (49%) jener Gruppe an, fĂŒr die Deutsch eine Fremdsprache ist.â
Die Lösung der FPĂ, eine Obergrenze von 30% fĂŒr âfremdsprachige Kinderâ einzufĂŒhren, ist angesichts des durchschnittlichen Anteils von 49% bestechend, denn was soll mit den durchschnittlich 19%, die die FPĂ als zuviel definiert, passieren? âIm Zweifelsfall fordern wir jedoch eigene Klassen fĂŒr jene Kinder, fĂŒr die Deutsch eine Fremdsprache ist.â
Also will die FPĂ Ghettoklassen, wo jene zusammengeholt werden, die nach ihren Fantasien unsere Schulen ĂŒberfremden. Gleichzeitig beklagt die FPĂ jedoch, dass es Schulen gibt, die fast nur noch von âfremdsprachigenâ Kindern besucht werden: âIn der Volksschule St. AndrĂ€ im Bezirk Gries war Deutsch fĂŒr 142 von 143 Schulkindern eine Fremd- oder Zweitsprache.â Also hĂ€tten wir dort genau das, was die FPĂ doch will: lauter Ghettoklassen. Ein Widerspruch? Nicht in der ErzĂ€hlung der FPĂ, der es ausschlieĂlich darum geht, Bedrohungen zu konstruieren.
Dass es das verpflichtende âVorschuljahrâ in Form eines verpflichtenden Kindergartenjahrs bereits gibt und dass die Forderung nach âDeutsch als Pausenspracheâ nicht nur nicht administrierbar, sondern auch verfassungswidrig ist, interessiert die Grazer FPĂ wohl kaum. Noch weniger ist sie daran interessiert, sich der Expertise von Fachleuten auszusetzen. Denn die haben Modelle, wie Kinder, die âDeutsch als Zweitspracheâ erlernen, erfolgreich gefördert werden können, ohne sie in gesonderte Klassen und Gruppen wegzusperren. Und die wĂŒrden der FPĂ auch erklĂ€ren, dass aus fachlicher Sicht bei Kindern, die hier in Ăsterreich aufwachsen, nicht von âDeutsch als Fremdspracheâ gesprochen wird, sondern von âDeutsch als Zweitspracheâ. Das passt jedoch nicht ins Konzept der FPĂ, weil es nicht bedrohlich klingt. âDeutsch als Zweitspracheâ könnte aber eine wĂŒnschenswerte RealitĂ€t beschreiben: Kinder erlernen parallel mehrere Sprachen. Das wĂ€re nĂ€mlich ein Vorteil, den wir als Gesellschaft erkennen und bestmöglich fördern und nutzen sollten.
Ăbrigens, der Vergleich macht Sie sicher. Hier das, was die Grazer GrĂŒnen zur Bildung zu sagen haben: http://www.graz.gruene.at/wahlprogramm2017/grundsatzprogramm-2017.pdf
*FPĂ Graz, Kapitel „Bildung & Jugend“:Â https://www.fpoe-graz.at/bildung-jugend/
**http://diepresse.com/home/innenpolitik/5131007/FPOe-peilt-bei-Grazer-Gemeinderatswahl-zweiten-Platz-an