PrĂ€vention und De-Radikalisierung: Maßnahmen fĂŒr Schulen

2016-01-12T13:23:53+01:0012.01.16, 13:15 |Kategorien: Bildung, Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , , |

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Köln ist eine Probe fĂŒr die StabilitĂ€t unserer Gesellschaft. In Polen und Ungarn sind die Weichen in atemberaubender Geschwindigkeit gestellt worden – in Richtung autoritĂ€rer Staat. Betroffen sind Medien und Justiz, Schulen und Unis. In den Gesellschaften dominiert die Angst vor Fremden. Immer mehr LĂ€nder bauen an ihren Grenzen ZĂ€une, ĂŒberall wird ĂŒber „Obergrenzen fĂŒr Asylsuchende“ diskutiert. Auch bei uns wollen immer mehr Verantwortliche den rechtspopulistische Rufen und Forderungen folgen. Dies zu tun, wĂ€re das Ende unserer liberalen und offenen Gesellschaft und eines pluralistischen Staates. Wir dĂŒrfen nicht aufgeben, was wir in Jahrzehnten hart erkĂ€mpft haben.

Die Symptome der gesellschaftlichen Radikalisierung sehen wir jedoch schon lĂ€nger. Unter Schwarz-Blau wurde viel getan, um Maßnahmen, die aus gutem Grund in den 1980er, 1990er-Jahren eingefĂŒhrt wurden, wieder zu eliminieren. Den Preis bezahlen wir spĂ€testens jetzt: Rechtsextreme und radikale Islamisten werben in verschiedenen Einrichtungen – vor allem in sozialen Netzwerken – gezielt um jugendlichen Nachwuchs. Diese Radikalisierung manifestiert sich naturgemĂ€ĂŸ auch an unseren Schulen. Heute habe ich daher zusammen mit Andreas Peham (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands), der seit gut 20 Jahren in Schulen Workshops hĂ€lt, eine Pressekonferenz gegeben. Die wichtigsten Punkte und Forderungen sind:

  • Alle seriösen ExpertInnen sind sich darĂŒber einig, dass die EinfĂŒhrung der PflichtfĂ€cher Politische Bildung und eines gemeinsamen Ethikunterricht als prĂ€ventive Maßnahme notwendig ist.
  • Peham betont den nachweisbaren Zusammenhang zwischen AnfĂ€lligkeit fĂŒr extremistische Haltungen und Verweildauer in Bildungseinrichtungen. Wenn Jugendliche zu frĂŒh dem Druck des Arbeitsmarktes ausgesetzt werden, ist eine Radikalisierung wahrscheinlicher. Daher ist eine VerlĂ€ngerung der Schulpflicht bis 16 Jahre zu diskutieren.
  • Im letzten Jahr wurde seitens des Bildungsministeriums zumindest mit einer Feuerwehrmaßnahme reagiert: Es wurde Geld fĂŒr 600 Workshops an Schulen mit ExpertInnen bereit gestellt. Diese Maßnahme wurde nicht verlĂ€ngert. Völlig unverstĂ€ndlich in Zeiten wie diesen! Allerdings: Diese Workshops sind eine (notwendige und gute) Sofortmaßnahme, die jedoch die grundlegenden Probleme nicht beseitigen und schon gar nicht als PrĂ€ventivmaßnahme dienen können.
  • Notwendig wĂ€ren Maßnahmen in der LehrerInnenaus- und Fortbildung, da Lehrende gefĂ€hrliche Tendenzen entweder zu spĂ€t erkennen oder alarmistisch reagieren. So sieht Peham das Problem, dass ExpertInnen erst dann gerufen wird, wenn es meist zu spĂ€t ist, d.h., wenn etwa Rassismus und Gewalt schon offen zutage treten und eine tatsĂ€chliche PrĂ€ventionsarbeit nicht mehr möglich ist.
  • Schulen mĂŒssten als Institution sensibilisiert werden. Ich fordere daher nach deutschem Vorbild die EinfĂŒhrung eines schulischen GĂŒtesiegels „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Es ist daher auch in Österreich ein TrĂ€gerverein zu grĂŒnden, der Schulen, die dieses Label bekommen bzw. erhalten wollen unterstĂŒtzt: „Eine gute und nachhaltige PrĂ€ventionsarbeit an unseren Schulen stĂ€rkt Kinder und Jugendliche, sich fĂŒr eine demokratische Gesellschaft, fĂŒr Menschenrechte und ein solidarisches Miteinander einzusetzen. Der PrĂ€ventionsansatz von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage wendet sich gegen alle Ideologien der Ungleichwertigkeit und bewĂ€hrt sich in der Praxis an vielen der bundesweit nunmehr 2.000 Courage-Schulen. Er leistet aktuell einen wichtigen Beitrag, um den Einfluss salafistischer und rechtsextremistischer Gruppen auf Heranwachsende einzugrenzen.“
  • Und nicht zuletzt: Es braucht eine generelle Ausstiegsstrategie fĂŒr radikalisierte, straffĂ€llig gewordene Jugendliche. Auch hier dient Deutschland mit dem Projekt EXIT als Vorbild. Seit 15 Jahren bietet EXIT-Deutschland als erste deutsche Initiative fĂŒr AussteigerInnen aus der rechtsradikalen Bewegung und aus deren Organisationen Hilfe zur Selbsthilfe an: Kontakte vermitteln, praktische Hilfen in Sachen Sicherheit, soziale Probleme, Bildung, Arbeit und der persönlichen Aufarbeitung. Derzeit werden auf Versuchsbasis in Salzburg zwei straffĂ€llig gewordene MĂ€nner betreut. Dieser Bereich wĂ€re bundesweit zu schaffen und professionell zu betreuen.