14. August 2024

Trump und die „milde Pathologisierung“

2024-08-14T12:14:58+02:0014.08.24, 12:14 |Kategorien: Wahlkampf|Tags: , , |

Wahlen in den USA sind fĂŒr uns in Europa nicht selten etwas seltsam – einerseits wegen eines Wahlsystems aus dem 18. Jahrhundert, andererseits wegen des unfassbaren Aufwands fĂŒr oft sehr wenig politische Botschaften. Und dann wĂ€re da ja auch noch Donald Trump mit seiner eigenartigen Art der politischen Kommunikation. Lange waren die Demokraten ratlos, seit einigen Wochen ist es umgkehrt: Die Herzen fliegen plötzlich Kamala Harris zu. Warum ist das so? Unter dem Titel „Milde Pathologisierung“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Donald Trump und sein Team sind ratlos. Bis vor wenigen Wochen lag der Ex-PrĂ€sident in Umfragen haushoch in FĂŒhrung, das Rennen schien gelaufen. Doch dann passierten zwei entscheidende Dinge: Einerseits verzichtete Joe Biden auf seine Kandidatur, andererseits hat Kamala Harris mit ihrem „Running Mate“ Tim Walz einen ĂŒberzeugenden politischen Kommunikator gefunden. Ihm gelingt es, mit einfachen Worten zu ĂŒberzeugen.

Dabei scheint das, was er sagt, wenig spektakulĂ€r: Das Land brauche „Joy“, verkĂŒndete Walz zuletzt, also „Freude“. Der verbiesterte Trump aber nehme diese Freude („Haben Sie ihn schon mal lachen gesehen?“), Harris bringe sie ins Land zurĂŒck. Sein Publikum ist begeistert. In diesem bislang weitgehend inhaltsleeren Wahlkampf liegt Harris dank des „neuen“ Kommunikationsstils in den wichtigen Swing States bereits mit jeweils vier Prozentpunkten voran.

Walz war es auch, der Trump und dessen Republikaner schon vor seiner Ernennung als „weird“ – also „seltsam“ oder „schrĂ€g“ – bezeichnete. Der Trump Fan-Gemeinde war bislang weitgehend egal, dass ihr Idol eine weltrekordverdĂ€chtige Zahl an LĂŒgen verbreitet, dass ihm dutzende Gerichtsverfahren bevorstehen (falls er sich nicht selbst begnadigt) und er in einem bereits verurteilt ist, dass er zu einem Staatsstreich aufgerufen hat, der mehrere Todesopfer forderte, dass er eine Gefahr fĂŒr die Demokratie und den Weltfrieden ist.

Im Gegensatz zur politischen Mitte kĂŒmmerte das die „Trumpisten“ nicht. Aber einem „seltsamen“ oder „schrĂ€gen“ Menschen folgen? Einem, dessen Ideen „einfach nur komisch“ sind? Das scheint erstaunlicherweise viele weit mehr in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen als politische Positionen. Diese „milden Pathologisierung“ wirkt, wie die „SĂŒddeutsche Zeitung“ kĂŒrzlich analysierte: Harris und Walz argumentieren nicht aggressiv, sondern beugen „sich fast mitleidig“ ĂŒber Trump und lassen „ihn damit schrumpfen“. Das hat was: Trumps skurrile Auftritte und Aussagen kann man ja mit gutem Recht als „seltsam“ bezeichnen.

Die Republikaner sind gegenĂŒber dieser Kommunikation bislang ratlos und werden in den letzten Tagen immer aggressiver. Trump faselt inzwischen sogar wenig ĂŒberzeugend von einem angeblichen „Putsch gegen Biden“. Dadurch wirkt er „weird“ und bestĂ€tiget ungewollt die Kommunikation von Harris und ihrem Team. Die kultische Hingabe vieler Trump-Fans mag das nicht erschĂŒttern, in der politischen Mitte aber wirkt es.

Jetzt brĂ€uchten wir halt auch hierzulande noch jemanden, der die politische Kommunikation beherrscht und aus dem bisherigen US-Wahlkampf die richtigen SchlĂŒsse zieht – aber bitte auch sagt, was politisch zu erwarten ist.

1. August 2024

Politische Sternstunden?

2024-09-26T15:50:24+02:0001.08.24, 11:35 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , |

Gibt es in diesen politisch so tristen Zeiten auch ein paar Hoffnungsschimmer? Es gibt sie. Man denke etwa an den Stimmungswechsel in den USA nach dem Verzicht auf ein erneutes Antreten bei den PrĂ€sidentschaftswahlen durch Joe Biden oder die klare Abgrenzung gegen Rechtsaußen im EU-Parlament.

Unter dem Titel „Demokratische Sternstunden?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

War es eine „demokratische Sternstunde“, als das EU-Parlament vorletzte Woche bei der Konstituierung ein breites demokratisches BĂŒndnis gegen die erstarkten rechtsradikalen Parteien geschmiedet hat? Kein Mitglied der Ă€ußersten Rechten wurde in eine wichtige Funktion gewĂ€hlt.

Die Allianz im EU-Parlament reichte von den Christdemokraten ĂŒber Liberale, Sozialdemokraten und GrĂŒne bis zu den Linken. Der in vielen europĂ€ischen Staaten existierende „Cordon sanitaire“ gegen Rechtsextreme – etwa in Frankreich oder Deutschland – existiert derzeit auch im EU-Parlament.

Man hat offenkundig aus der Geschichte gelernt. In der Zwischenkriegszeit haben Demokraten in vielen LÀndern geglaubt, auch mit den Feinden der Demokratie zusammenarbeiten zu können. Das Ergebnis waren zahlreiche faschistische Diktaturen.

Die Abgeordneten im EU-Parlament haben aber auch gezeigt, dass sie aus der jĂŒngsten Geschichte gelernt haben. Ungarn und Polen sind warnende Beispiele. In Ungarn macht Viktor OrbĂĄn aus seiner Verachtung der liberalen Demokratie keinen Hehl und verĂ€ndert das politische System in Richtung eines autoritĂ€ren Staates. In Polen haben die Wahlberechtigten eine Ă€hnliche Entwicklung gerade noch gestoppt. Doch das RĂŒckgĂ€ngigmachen der autoritĂ€ren Wende ist schwer genug. Kommt die Abstimmung im EU-Parlament also gerade noch zur rechten Zeit? Ist sie eine „demokratische Sternstunde“?

Der Begriff „Sternstunde“ wurde bekannt durch das 1927 erschienene Buch „Sternstunden der Menschheit“ des Schriftstellers Stefan Zweig – seine Mutter stammte ĂŒbrigens aus Hohenems. Dieses Buch wird derzeit in dramatisierter Form mit großem Erfolg bei den Salzburger Festspielen aufgefĂŒhrt. Zweig schildert zentrale geschichtliche Ereignisse, die oft durch – fĂŒr die Zeitgenossen nicht selten unscheinbare – Begebenheiten herbeigefĂŒhrt wurden.
Ein solches Ereignis könnte sowohl die Abstimmung im EU-Parlament sein als auch die Entscheidung von US-PrĂ€sident Joe Biden, angesichts desaströser Umfragewerte nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Das Aufatmen in den Demokratien des Westens war deutlich hörbar – zumal Trump ganz offen das Ende der Demokratie angekĂŒndigt hat, wenn er gewĂ€hlt wird: „Geht raus und wĂ€hlt! Nur dieses Mal. Ihr werdet es nie wieder tun mĂŒssen.“

Hat sich deshalb in den USA in den letzten Tagen der Wind gedreht? Der designierten Kandidatin Kamala Harris ist jedenfalls die Mobilisierung traditioneller WĂ€hlergruppen der Demokraten sehr schnell gelungen: Frauen, Junge, Schwarze und Latinos. In den Umfragen liegt sie inzwischen sogar schon knapp vor Trump.

Zweigs Buch „Sternstunden“ erschien mit 14 Kapiteln und liegt in den Buchhandlungen nach wie vor auf. Die scheinbar nicht so wichtige Entscheidung des EU-Parlaments, vor allem aber RĂŒckzug Bidens und die Wahl im November hĂ€tten den großen Humanisten vielleicht zu weiteren Kapiteln animiert.

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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