31. MĂ€rz 2016

GedenkstĂ€tte Mauthausen – ein „Proporz-Memorial“?

2016-04-01T10:47:27+02:0031.03.16, 10:04 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , |

Mauthausen UmfassungsmauerEs ist eine der unendlichen Geschichten in der österreichischen Innenpolitik – die Umgestaltung der GedenkstĂ€tte Mauthausen und deren Neuorganisation, was die Verwaltung betrifft. Auf die derzeitige unbefriedigende Situation habe ich in den Medien und auf diesem Blog schon mehrfach Bezug genommen (siehe etwa „Mauthausen: Das Betreten erfolgt auf eigene Gefahr!“).

Nun hat die Regierung einen Gesetzesentwurf zu einem „GedenkstĂ€ttengesetz“ (GStG) vorgelegt und in Begutachtung geschickt (Bundesgesetz ĂŒber die Errichtung der Bundesanstalt „KZ-GedenkstĂ€tte Mauthausen/Mauthausen Memorial“).

Prinzipiell begrĂŒĂŸe ich die administrative Auslagerung der GedenkstĂ€tte aus der Verwaltung des Innenministeriums. Die nun vorgeschlagene Form ist jedoch ungeeignet. Heute habe ich in einem Gastkommentar fĂŒr „Die Presse“ zu den PlĂ€nen der Regierung Stellung bezogen: „KZ-GedenkstĂ€tte als großkoalitionĂ€re WirkungsstĂ€tte“.

Meine Hauptkritikpunkte sind:

  • Der (partei)politische Einfluss ist viel zu stark (ein vom BM.I kontrolliertes Kuratorium, eine vom Innenministerium eingesetzte rot-schwarze Doppel-GeschĂ€ftsfĂŒhrung und zwei BeirĂ€te, die nur als Dekoration taugen)
  • Die Finanzierung ist nicht gesichert, die Valorisierung des jĂ€hrlichen staatlichen Beitrags wurde im Gegensatz zu einem frĂŒheren Entwurf gestrichen, die versprochene Anschubfinanzierung fĂŒr die Umgestaltung ist nicht mehr vorgesehen.

Alle sind aufgefordert, die UnabhÀngigkeit und den finanziell abgesicherten Betrieb der GedenkstÀtte zu garantieren. Wer sich selbst vertiefen oder auch eine Stellungnahme (bis 19. April möglich) abgeben möchte, muss nur dem oben angegebenen Link folgen.

Hoffen wir, es tritt nicht das ein, was Wolfgang Schmutz, der ehemalige stellvertretende Leiter der pĂ€dagogischen Abteilung der GedenkstĂ€tte, auf „twitter“ angekĂŒndigt hat – ein „Proporz-Memorial“.

12. Februar 2016

Gastbeitrag: „Landplage“ (Sabine Wallinger)

2016-02-17T12:43:57+01:0012.02.16, 11:54 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , , |

gusen_befreiung

Mai 1945. Nach der Befreiung des Mauthausener Nebenlagers Gusen irren ausgemergelte und völlig erschöpfte HĂ€ftlinge, leicht zu erkennen an gestreifter Uniform und skelettartiger Auszehrung, durch die Felder rund um Sankt Georgen an der Gusen. Sie suchen Schutz bei den umliegenden Bauernhöfen, bitten um Essen. Viele TĂŒren bleiben verschlossen, andere BĂ€uerinnen und Bauern zeigen Barmherzigkeit und reichen den vom Tode Gezeichneten Suppe und Kartoffeln. Tragischer Weise werden etliche von ihnen gerade daran sterben, weil ihr Körper mit der ungewohnten Nahrung nach langer Entbehrung nicht mehr fertig wird.

Im Lager Gusen, einer der betriebswirtschaftlichen Dependancen des KZ Mauthausen, wurden Kriegsgefangene aus vielen europĂ€ischen LĂ€ndern, Spanier, Slowenen, Tschechen, Belgier, Franzosen, Italiener, Polen, Russen, Ungarn, aber auch Juden und andere verfolgte Gruppen systematisch durch Schwerstarbeit zu Tode geschunden, vorwiegend im Steinbruch und im viele Kilometer langen Stollenbau „Bergkristall“, wo das deutsche Jagdflugzeug Messerschmitt 262 gefertigt wurde, sowie im Bahn-, Hafen- und Straßenbau. Es sind Straßen, die wir heute noch befahren, Bahnlinien, die noch in Betrieb sind. Nur die Me 262 fliegt nicht mehr. Durch das Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ war im Lager Gusen bis auf eine improvisierte Vergasungsbaracke keine Gaskammer vonnöten, dafĂŒr ein umso grĂ¶ĂŸeres Krematorium mit mehreren Brennöfen. Die Zahl der in Gusen Ermordeten belĂ€uft sich auf etwa 35.000, das sind etwa 50% der dort inhaftierten Menschen.

Diese vielen Tausend haben kein Grab. Ihre Asche wurde in die Gusen gekippt und auf den Feldern als DĂŒnger verstreut, weswegen der Verband „Schwarzes Kreuz“, welcher der Kriegsopfer gedenkt, sie zur St. Georgener Allerheiligenfeier mit keinem Wort erwĂ€hnt. Genauso wenig, wie sich fĂŒr sie am dortigen Friedhof eine Gedenktafel fĂ€nde. Tafeln, die an die Ermordeten erinnern, sieht man nur beim Krematorium, der einzigen Stelle, wo die Angehörigen den Tod ihrer Lieben verorten können. Das Krematorium befindet sich am Eingang der Wohnsiedlung, die nach dem Krieg auf den Fundamenten der HĂ€ftlingsbaracken errichtet wurde. Viele Kerzen brennen rund um die rostenden Brennöfen, viele Blumen und KrĂ€nze werden hingelegt, nicht nur zu Allerheiligen. Auch die Gedenktafeln wurden von den Angehörigen und den wenigen Überlebenden angebracht, nicht von offizieller Seite.

Doch wenigstens ein Grab eines Gusener KZ-Opfers existiert tatsĂ€chlich, und das kam so: Am Tag nach der Befreiung, es muss der 6. Mai 1945 gewesen sein, wankt ein HĂ€ftling den Uferweg an der Gusen entlang, weg vom Lager. Auf der Höhe eines Bauerngehöftes, wo er vermutlich Unterstand suchen wollte, wird er von einem SS-ler, noch in Bewaffnung und Uniform, erschossen. Der Bauernsohn, damals ein Kind, beobachtet den Vorfall: GemĂ€chlich dahingetrabt sei er, der SchĂŒtze, habe, ohne seinen Lauf merklich zu verlangsamen, die Pistole gezogen und abgedrĂŒckt. Und gut gezielt. Der Schuss trifft den HĂ€ftling direkt ĂŒber der Nasenwurzel, er ist sofort tot. Der SS-ler setzt seinen Lauf fort und verschwindet von der BildflĂ€che. Ob er noch sein gewohntes Lauftraining absolvierte oder schon auf der Flucht war, weiß man nicht. Ob er den Mann aus verspĂ€teter „PflichterfĂŒllung“ oder aus sportlichen Motiven erschoss, wird nie zu klĂ€ren sein, geschweige denn die IdentitĂ€t des Mörders. Man kann davon ausgehen, dass es ihm jedenfalls auf einen Mord mehr oder weniger nicht mehr ankam. Vielleicht wollte er einen Zeugen beseitigen oder nur die Gegend von der „Landplage“ der umherirrenden KZ-HĂ€ftlinge befreien. Auch die IdentitĂ€t des Ermordeten bleibt unbekannt. SpĂ€ter, erzĂ€hlt der Bauer, kamen ein paar andere HĂ€ftlinge dazu und betrauerten ihn in einer fremden Sprache. Sie habe nach Polnisch geklungen, darum könnte es sich um einen Polen gehandelt haben. Oder auch nicht. Beide, der Mörder und sein Opfer, sind untergetaucht, jeder auf seine Weise, der eine im Zivilleben, der andere in der Erde.

grab_unbekannter haeftling_gusenSein Vater, erzĂ€hlt der Bauer, habe seine Kinder, die das Loch in der Stirn des Mannes anstarrten, weggescheucht und den Erschossenen zusammen mit den dazugekommenen KZ-lern an Ort und Stelle begraben. Gebete wurden gesprochen. SpĂ€ter habe er darauf einen Stein setzen und eine Inschrift hineinmeißeln lassen „Zum Gedenken dem hier begr. KZ-HĂ€ftling, erschossen am Tag nach der Befreiung“. Das Grab befindet sich heute noch dort, im GestrĂŒpp am Uferweg der Gusen. Kein Angehöriger des Toten weiß davon.

Doch vielleicht trĂ€gt seine ErwĂ€hnung dazu bei, die Erinnerung des Rechtsschutzbeauftragten Herrn Dr. Gottfried Strasser an die „Landplage“ der befreiten KZ-HĂ€ftlinge in Mauthausen und Umgebung ein wenig zurecht zu rĂŒcken. Am Weltbild der „Aula“ wird wohl nicht zu rĂŒtteln sein.

© Sabine Wallinger 11. Feber 2016

Foto 1: Befreiter KZ-HÀftling des Lagers Gusen am 12.5.1945 (http://www.archives.gov/press/press-kits/picturing-the-century-photos/images/sam-gilbert-camp-gusen.jpg)
Foto 2: Sabine Wallinger, Grab unbekannter KZ-HĂ€ftling, erschossen am Tag nach der Befreiung

8. Februar 2016

Aula-AffĂ€re: Justizministerium top – Rechtsschutzbeauftragter flop?

2016-02-08T18:36:40+01:0008.02.16, 18:26 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , |

aula_duswaldEines ist in der AffĂ€re rund um den Aula-Artikel von Fred Duswald und die Einstellung des Verfahrens gegen ihn mitsamt der EinstellungsbegrĂŒndung festzuhalten: Dass sich das Justizministerium in Person von Sektionschef Christian Pilnacek so klar gegen den Artikel selbst aber auch gegen die EinstellungsbegrĂŒndung der Grazer Staatsanwaltschaft ausgesprochen hat, ist bemerkenswert und erfreulich: „’Diese BegrĂŒndung ist unfassbar und in sich menschenverachtend’, sagte Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek zur APA. Die ‚unsĂ€gliche Diktion’ des Artikels sei damit nachtrĂ€glich gerechtfertigt worden. (…) Konsequenzen mĂŒsse es jedenfalls geben, so Pilnacek, der eine Verletzung des Vier-Augen-Prinzips vermutet. Er sprach von einer ‚groben Fehlleistung’ und betonte: ‚Die Staatsanwaltschaft, wir alle mĂŒssen dafĂŒr sorgen, dass solche fehlgeleiteten BegrĂŒndungen nicht mehr passieren.’“ (http://science.orf.at/stories/1767147/) Ich stimme dem Sektionschef zu: Konsequenzen muss es geben. Aber dass hier nur das „Vier-Augen-Prinzip“ verletzt wurde, ist zu bezweifeln.

Kaum waren die wohltuenden Worte des Sektionschefs öffentlich geworden, widersprach ausgerechnet der Justiz-Rechtsschutzbeauftragte Gottfried Strasser, dem die Aufgabe obliegt, den Ausgang von Verfahren zu bewerten und sie gegebenenfalls zu beeinspruchen, in einer fĂŒr mich unfassbaren Art und Weise: „Die BegrĂŒndung zur Verfahrenseinstellung, (…) habe er fĂŒr unbedenklich gehalten, ‚und ich halte sie nach wie vor fĂŒr unbedenklich’. Dass es im KZ auch inhaftierte Rechtsbrecher gegeben habe, sei ein historisches Faktum und auch durch Aussagen in Gerichtsverfahren zu Mauthausen bestĂ€tigt. Und auch auf Erlebnisse aus seiner Kindheit, die er im Umfeld des KZ Mauthausen verbrachte, verwies er.
Großteils seien es zwar russische Kriegsgefangene gewesen, die nach der Befreiung des KZ Mauthausen Hilfe gesucht hĂ€tten, so Strasser. Seine Großmutter hĂ€tte diese immer wieder mit Suppe zu versorgen versucht, erinnerte er sich. Gleichzeitig habe es aber auch Kriminelle gegeben, die von der SS im Lager als Capos eingesetzt worden seien. Ein Mann habe seinen Vater – einen Polizisten – damals sogar mit einer Pistole bedroht.“ (APA-Meldung)

Dass nun Ereignisse generell nicht vom Hörensagen zu bewerten sind, sollte ein Jurist eigentlich wissen. Oma und Opa können zweifelsfrei wertvolle ZeitzeugInnen sein. Dass deren ErzĂ€hlungen jedoch nicht reichen, um historische Ereignisse in einem grĂ¶ĂŸeren Kontext zu sehen und einzuordnen, sollte aber ebenfalls zum Allgemeinwissen eines Juristen zĂ€hlen. Wenn es hierbei auch noch um Epochen wie jene des Nationalsozialismus und der Zeit danach geht, wo das historische GedĂ€chtnis der involvierten TĂ€tergesellschaft entweder komplett ausgelassen hat oder zu exkulpierenden Interpretationen und Sichtweisen tendierte, dann sind die Aussagen dieser ZeitzeugInnen noch kritischer zu bewerten. Es steht mir nun keineswegs zu, der Großmutter und dem Vater des Rechtsschutzbeauftragten irgendeine bestimmte politische Gesinnung zuzuschreiben, aber ich darf daran zweifeln, dass deren Aussagen fĂŒr die Bewertung des Aula-Artikels von grĂ¶ĂŸerer Relevanz sein können.

Es bestreitet niemand, dass es im Mai 1945 zu Strafhandlungen wie beispielsweise zur PlĂŒnderung von Lebensmitteln seitens ehemaliger KZ-HĂ€ftlinge gekommen ist. Es ist auch zu gewalttĂ€tigen Übergriffen durch HĂ€ftlinge gleich nach der Befreiung noch innerhalb der KZs gekommen und zwar in erster Linie gegenĂŒber den verhassten Kapos. Aber das alles rechtfertigt nicht einmal ansatzweise Behauptungen, in denen ehemalige HĂ€ftlinge pauschal kriminalisiert und als „Massenmörder“ bezeichnet werden sowie als „Horde“, die mit den sowjetischen Befreiern „in der Begehung schwerster Verbrechen“ gewetteifert hĂ€tte. Wenn das historische Wissen des Rechtsschutzbeauftragten nun derart fragmentarisch ist, dass er Formulierungen rechtfertigt, von denen sich alle Fachleute distanzieren, dann ist zu hinterfragen, ob er als Rechtsschutzbeauftragter imstande ist, ein Verfahren wie jenes gegen Duswald zu beurteilen. Dass er auch nichts dabei fand, als selbst die Oberstaatsanwaltschaft per Erlass ihr Befremden ĂŒber die EinstellungsbegrĂŒndung zum Ausdruck gebracht hatte, irritiert nun zusĂ€tzlich und zeigt auf dramatische Art und Weise die noch immer fehlende SensibilitĂ€t von Teilen der Justiz im Umgang mit dem Nationalsozialismus auf.

Der Rechtsschutzbeauftragte Strasser ist der einzige, der die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirken hĂ€tte könnte. Der wollte das allerdings nicht tun, zum jetzigen Zeitpunkt auch mit dem Hinweis, dass die Frist dafĂŒr verstrichen sei. Wenn der Rechtsschutzbeauftragte nicht tĂ€tig wird oder werden kann, werde ich erneut Anzeige erstatten. Das Mindeste, was ich erwarte, ist eine sachgerechte BegrĂŒndung im Falle einer neuerlichen Abweisung meiner Anzeige.

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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