7. Dezember 2020

Corona und die AuslÀnder

2020-12-07T11:12:25+01:0007.12.20, 11:11 |Kategorien: Gesundheit und Pflege|Tags: , |

Warum sind die Infektionszahlen seit Herbst in Österreich derart in die Höhe geschnellt. FĂŒr Bundeskanzler Kurz ist die Sache klar: Die AuslĂ€nder waren’s!

Einem Faktencheck hĂ€lt diese Aussage nicht stand, wie ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ und dem Titel „Waren‘s die AuslĂ€nder?“ ausgefĂŒhrt habe. Hier fĂŒr jene ohne VN-Abo zum Nachlesen:

Bundeskanzler Sebastian Kurz stellte sich letzte Woche allen Ernstes hin und behauptete: „Wir hatten im Sommer sehr, sehr niedrige Ansteckungszahlen nach dem Lockdown und haben dann durch ReiserĂŒckkehrer und insbesondere auch durch Menschen, die in ihren HerkunftslĂ€ndern den Sommer verbracht haben, uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt.“

Haben wir das wirklich? Den Faktencheck bestand diese Behauptung nicht. Darauf wiesen kopfschĂŒttelnd vor allem Fachleute, aber auch etliche auslĂ€ndische Medien hin. Im Inland war die Kritik schaumgebremst. Die meisten heimischen Medien haben dieses systematische Ablenken von den Fakten brav rapportiert – mit der rĂŒhmlichen Ausnahme von Armin Wolf in der ZiB2. Er konfrontierte den Kanzler mit dessen Aussagen und ließ kein Abschweifen und Relativieren zu.

Spott vom Ausland

Die „SĂŒddeutsche Zeitung“ spöttelte in einem Kommentar: „Wenn in Österreich etwas nicht funktioniert, kann man beginnen, von zehn herunterzuzĂ€hlen – und bevor man bei fĂŒnf ankommt, sagt meist schon der erste Politiker: ‚Die AuslĂ€nder waren‘s!‘“ FrĂŒher perfektionierten Jörg Haider und Heinz-Christian Strache diese Methode. Aber ein Kanzler?

Der angesprochene Faktencheck der Agentur fĂŒr Gesundheit und ErnĂ€hrungssicherheit (AGES) fand medial leider wenig Widerhall. Er machte deutlich, dass die Behauptung des Kanzlers keine Grundlage hat. Erstens sprach Kurz selbst im Nachhinein von „nur“ 30 Prozent der FĂ€lle. Wichtiger aber ist, dass bei positiv Getesteten die „HerkunftslĂ€nder“ gar nicht erhoben werden.

Was vor allem zu denken geben sollte: Kroatien war sehr lange kaum von der Pandemie betroffen, erst als das Land seine Grenzen fĂŒr Touristen geöffnet hatte, stiegen dort die Infektionszahlen.

Fakten statt Mythen

Im August waren laut AGES in Österreich exakt 1384 oder 23,4 Prozent von insgesamt 5916 Infektionen auf Menschen zurĂŒckzufĂŒhren, die vom Westbalkan kamen. Waren die angeblichen „Super-Spreader“ eventuell gar „bio-österreichische“ Touristen, die im Kroatien-Urlaub zu unbekĂŒmmert gefeiert hatten?

Damit wĂ€ren wir bei „Ischgl“. Der Ort war nachweisbar Ursprung riesiger Corona-Cluster in Deutschland, DĂ€nemark, Norwegen, Island und anderen LĂ€ndern. Muss ausgerechnet Österreich der Welt erklĂ€ren, dass „ReiserĂŒckkehrer“ fĂŒr Corona-Cluster verantwortlich sind? Jenes Österreich, das Ende November – und somit lange nach dem Sommer – die weltweit höchste Ansteckungsrate zu verzeichnen hatte?

Wie schreibt die „SĂŒddeutsche“? „Österreichs Kanzler Kurz sucht SĂŒndenböcke, um vom eigenen Versagen in der Corona-Krise abzulenken.“ Er wĂ€re jung genug, um dazuzulernen. Hoffentlich macht er das auch.

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27. Juli 2020

Corona offenbart „moderne Sklaverei“

2020-07-27T19:43:34+02:0027.07.20, 19:43 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft|Tags: , , |

In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich unter dem Titel „Moderne Sklaverei“ darauf hingewiesen, dass die derzeitige Pandemie schreckliche ZustĂ€nde auf dem heimischen Arbeitsmarkt deutlich gemacht hat. Es gibt massiven Handlungsbedarf!

Da der Kommentar nur mit Bezahlschranke lesbar ist, hier zum Nachlesen:

„Moderne Sklaverei“

Die Coronakrise hat nicht nur in Deutschland und Österreich erschreckende GeschĂ€ftspraktiken offengelegt.

Stundenlöhne von vier Euro in österreichischen landwirtschaftlichen Betrieben, desolate Quartiere fĂŒr die vornehmlich in Osteuropa angeworbenen ArbeitskrĂ€fte, Arbeitszeiten bis zu 14 Stunden – und das in der Erntezeit nicht selten sieben Tage in der Woche. All diese Fakten sind von den Medien aufgegriffen worden. Sie erinnern an die Zeiten des unkontrollierten und menschenfeindlichen Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts.

Unzumutbare Bedingungen

Die unertrĂ€glichen Bedingungen sind nicht auf die Landwirtschaft beschrĂ€nkt. In Deutschland wurden allein beim Fleischverarbeiter Tönnies ĂŒber 1500 der 6500 ArbeitskrĂ€fte mit dem Virus infiziert. Die MĂ€nner und Frauen stammen grĂ¶ĂŸtenteils aus Polen und RumĂ€nien. Der Hausmeister eines der Tönnies-Wohnsilos meinte zu den Lebensbedingungen: „Die schlafen im Drei-Schicht-Betrieb mit bis zu zehn Mann in einer Drei-Zimmer-Wohnung.“ Die horrende Miete betrĂ€gt zwischen 250 und 300 Euro fĂŒr das Bett.

Tönnies musste fĂŒr gut einen Monat geschlossen werden. Vergangenes Wochenende – kurz nach Wiedereröffnung – wurden erneut 30 Mitarbeiter positiv getestet. Solange sich an den WohnverhĂ€ltnissen nichts Ă€ndert und an den Arbeitsbedingungen nur wenig, wird sich das Ansteckungsrisiko nicht vermeiden lassen.

Von der Unzumutbarkeit solcher Lebensbedingungen ganz zu schweigen. Der katholische Pfarrer einer betroffenen Gemeinde bezeichnete die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen als „moderne Sklaverei“.

Corona-Cluster

Österreich ist keineswegs eine „Insel der Seligen“. Vorarlberg auch nicht. Die in der letzten Woche bekannt gewordenen Corona-Cluster in Oberösterreich, Wien und im LĂ€ndle sind meist nicht zufĂ€llig UnterkĂŒnfte von LeiharbeitskrĂ€ften, Schlachtbetriebe oder andere Einrichtungen, in denen schlecht bezahlte Menschen unter unwĂŒrdigen Bedingungen arbeiten oder wohnen.

In Zeiten der Pandemie sind das wahre Virenschleudern und die Skandale rĂŒcken ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Endlich diskutieren wir darĂŒber, ob wir bei uns solche Arbeitsbedingungen und WohnverhĂ€ltnisse wie jene der Bauarbeiterunterkunft in Frastanz wirklich dulden dĂŒrfen oder ob die Behörden nicht frĂŒher kontrollieren sollten und gegebenenfalls hĂ€rtere Strafen notwendig sind.

Die Gewerkschaften fordern richtigerweise gleichen Lohn fĂŒr gleiche Arbeit am gleichen Ort. Nur so kann verhindert werden, dass sich der mitten in der EU entstandene menschenunwĂŒrdige Arbeitsmarkt weiter etabliert und zudem als Brandbeschleuniger fĂŒr die aktuelle Pandemie und andere Seuchen wirkt.

Wir leben im Jahr 2020 und nicht mehr im 19. Jahrhundert!

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr


Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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