Corona und die AuslÀnder
Warum sind die Infektionszahlen seit Herbst in Ăsterreich derart in die Höhe geschnellt. FĂŒr Bundeskanzler Kurz ist die Sache klar: Die AuslĂ€nder waren’s!
Einem Faktencheck hĂ€lt diese Aussage nicht stand, wie ich in meiner Kolumne in den âVorarlberger Nachrichtenâ und dem Titel âWarenâs die AuslĂ€nder?â ausgefĂŒhrt habe. Hier fĂŒr jene ohne VN-Abo zum Nachlesen:
Bundeskanzler Sebastian Kurz stellte sich letzte Woche allen Ernstes hin und behauptete: âWir hatten im Sommer sehr, sehr niedrige Ansteckungszahlen nach dem Lockdown und haben dann durch ReiserĂŒckkehrer und insbesondere auch durch Menschen, die in ihren HerkunftslĂ€ndern den Sommer verbracht haben, uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt.â
Haben wir das wirklich? Den Faktencheck bestand diese Behauptung nicht. Darauf wiesen kopfschĂŒttelnd vor allem Fachleute, aber auch etliche auslĂ€ndische Medien hin. Im Inland war die Kritik schaumgebremst. Die meisten heimischen Medien haben dieses systematische Ablenken von den Fakten brav rapportiert – mit der rĂŒhmlichen Ausnahme von Armin Wolf in der ZiB2. Er konfrontierte den Kanzler mit dessen Aussagen und lieĂ kein Abschweifen und Relativieren zu.
Spott vom Ausland
Die âSĂŒddeutsche Zeitungâ spöttelte in einem Kommentar: âWenn in Ăsterreich etwas nicht funktioniert, kann man beginnen, von zehn herunterzuzĂ€hlen – und bevor man bei fĂŒnf ankommt, sagt meist schon der erste Politiker: âDie AuslĂ€nder warenâs!ââ FrĂŒher perfektionierten Jörg Haider und Heinz-Christian Strache diese Methode. Aber ein Kanzler?
Der angesprochene Faktencheck der Agentur fĂŒr Gesundheit und ErnĂ€hrungssicherheit (AGES) fand medial leider wenig Widerhall. Er machte deutlich, dass die Behauptung des Kanzlers keine Grundlage hat. Erstens sprach Kurz selbst im Nachhinein von ânurâ 30 Prozent der FĂ€lle. Wichtiger aber ist, dass bei positiv Getesteten die âHerkunftslĂ€nderâ gar nicht erhoben werden.
Was vor allem zu denken geben sollte: Kroatien war sehr lange kaum von der Pandemie betroffen, erst als das Land seine Grenzen fĂŒr Touristen geöffnet hatte, stiegen dort die Infektionszahlen.
Fakten statt Mythen
Im August waren laut AGES in Ăsterreich exakt 1384 oder 23,4 Prozent von insgesamt 5916 Infektionen auf Menschen zurĂŒckzufĂŒhren, die vom Westbalkan kamen. Waren die angeblichen âSuper-Spreaderâ eventuell gar âbio-österreichischeâ Touristen, die im Kroatien-Urlaub zu unbekĂŒmmert gefeiert hatten?
Damit wĂ€ren wir bei âIschglâ. Der Ort war nachweisbar Ursprung riesiger Corona-Cluster in Deutschland, DĂ€nemark, Norwegen, Island und anderen LĂ€ndern. Muss ausgerechnet Ăsterreich der Welt erklĂ€ren, dass âReiserĂŒckkehrerâ fĂŒr Corona-Cluster verantwortlich sind? Jenes Ăsterreich, das Ende November – und somit lange nach dem Sommer – die weltweit höchste Ansteckungsrate zu verzeichnen hatte?
Wie schreibt die âSĂŒddeutscheâ? âĂsterreichs Kanzler Kurz sucht SĂŒndenböcke, um vom eigenen Versagen in der Corona-Krise abzulenken.â Er wĂ€re jung genug, um dazuzulernen. Hoffentlich macht er das auch.