Schulreform ĂŒberfĂ€llig!
Unser Schulsystem bekommt in regelmĂ€Ăigen AbstĂ€nden schlechte Noten. Dennoch hĂ€lt Bildungsminister Martin Polaschek eine Grundsatzdiskussion fĂŒr nicht zielfĂŒhrend. Das ist verantwortungslos. In den Vorarlberger Nachrichten habe ich dazu unter dem Titel âSchulreform ĂŒberfĂ€llig!â einen Kommentar verfasst – versehen mit einer passenden Karikatur von VN-Karikaturist Silvio Raos. Hier zum Nachlesen:
Bildungspolitische Diskussionen in Ăsterreich Ă€hneln den jĂ€hrlich wiederkehrenden Meldungen im Sommer ĂŒber das Monster von Loch Ness. Die Reaktionen auf die vorgestern prĂ€sentierten Ergebnisse der neuen PISA-Studie zeigen das ebenso deutlich wie jene auf die VorschlĂ€ge der Wiener SPĂ auf EinfĂŒhrung der Gesamtschule ohne Schulnoten oder die Abschaffung der Matura. Bildungsminister Martin Polaschek bezeichnete Letzteres in einer befremdlichen Ausdrucksweise gar als âHirngespinst linker SPĂ-TrĂ€umerâ.
Linke TrÀumer?
Er sollte vielleicht mit einem Parteikollegen Kontakt aufnehmen: Eckehard Quin ist ĂVPler durch und durch, Vorsitzender der Gewerkschaft Ăffentlicher Dienst und lang gedienter FunktionĂ€r der Fraktion Christlicher Gewerkschafter. Als Obmann der AHS-Lehrergewerkschaft hat er gemeint, die Matura habe âkeine Berechtigungâ mehr. Ist Quin ein âlinker TrĂ€umerâ, Herr Polaschek?
Oder sind es all jene Fachleute, die weiterfĂŒhrende Reformen einfordern? Etwa in der ElementarpĂ€dagogik? Bei der Abschaffung der Ziffernnote in der Volksschule? Speziell Kinder in der Volksschule lernen aus Neugier und nicht wegen einer Ziffernnote, deren Bedeutung ihnen erst die Erwachsenen beibringen mĂŒssen. Zudem ist ĂŒberdeutlich und vielfach erwiesen, wie ungerecht die Ziffernnote ist. Oder kann jemand erklĂ€ren, wieso laut PIRLS-Studie in der vierten Klasse Volksschule die schlechtesten 20 Prozent der Kinder mit einem âSehr gutâ in Deutsch die gleichen Testleistungen (!) haben wie die besten Kinder mit âNicht genĂŒgendâ? Schaut so Notengerechtigkeit aus?
LehrkrĂ€fte in der Volksschule wissen, dass die BeurteilungsmaĂstĂ€be sehr unterschiedlich und Ziffernnoten daher nur schwer zu vergleichen sind. Dennoch sind sie maĂgebend fĂŒr den Ăbertritt in ein Gymnasium, was zu enormem Druck oft inklusive angekĂŒndigter rechtlicher Schritte durch Eltern fĂŒhrt, die ihr Kind unbedingt in die Unterstufe eines Gymnasiums schicken wollen.
âSozial selektivâ
Die aktuelle PISA-Studie belegt daher auch, dass Ăsterreichs Schulsystem im internationalen Vergleich eines der sozial selektivsten ist. Anders ausgedrĂŒckt: eines der ungerechtesten. Und dieser Trend hat sich sogar noch verstĂ€rkt. Seit ĂŒber 40 Jahren rĂŒgt uns die OECD zurecht, weil durch die zu frĂŒhe Trennung der Kinder mit neuneinhalb Jahren Bildung viel stĂ€rker als in anderen LĂ€ndern âvererbtâ wird.
Unser Schulsystem ist im Vergleich zu funktionierenden Gesamtschulmodellen weder im Spitzen- noch im Problembereich gut aufgestellt. In Vorarlberg gibt es ein vorwÀrtsweisendes Gesamtschulkonzept mit individueller Förderung. Leider fehlt auf Bundes- wie Landesebene der politische Wille zur Umsetzung.
Der Bildungsminister zeigte sich am Dienstag dennoch âzufriedenâ mit der Situation. In einem Interview mit der âPresseâ hat er jĂŒngst zudem gemeint: âGrundsatzdiskussionen bringen nichts.â Da kann man nur staunen und sich Ă€rgern. Oder den Druck auf die Verantwortlichen erhöhen!