7. Dezember 2023

Schulreform ĂŒberfĂ€llig!

2023-12-07T09:15:41+01:0007.12.23, 9:07 |Kategorien: Bildung|Tags: , , |

Unser Schulsystem bekommt in regelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden schlechte Noten. Dennoch hĂ€lt Bildungsminister Martin Polaschek eine Grundsatzdiskussion fĂŒr nicht zielfĂŒhrend. Das ist verantwortungslos. In den Vorarlberger Nachrichten habe ich dazu unter dem Titel „Schulreform ĂŒberfĂ€llig!“ einen Kommentar verfasst – versehen mit einer passenden Karikatur von VN-Karikaturist Silvio Raos. Hier zum Nachlesen:

Bildungspolitische Diskussionen in Österreich Ă€hneln den jĂ€hrlich wiederkehrenden Meldungen im Sommer ĂŒber das Monster von Loch Ness. Die Reaktionen auf die vorgestern prĂ€sentierten Ergebnisse der neuen PISA-Studie zeigen das ebenso deutlich wie jene auf die VorschlĂ€ge der Wiener SPÖ auf EinfĂŒhrung der Gesamtschule ohne Schulnoten oder die Abschaffung der Matura. Bildungsminister Martin Polaschek bezeichnete Letzteres in einer befremdlichen Ausdrucksweise gar als „Hirngespinst linker SPÖ-TrĂ€umer“.

Linke TrÀumer?

Er sollte vielleicht mit einem Parteikollegen Kontakt aufnehmen: Eckehard Quin ist ÖVPler durch und durch, Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und lang gedienter FunktionĂ€r der Fraktion Christlicher Gewerkschafter. Als Obmann der AHS-Lehrergewerkschaft hat er gemeint, die Matura habe „keine Berechtigung“ mehr. Ist Quin ein „linker TrĂ€umer“, Herr Polaschek?

Oder sind es all jene Fachleute, die weiterfĂŒhrende Reformen einfordern? Etwa in der ElementarpĂ€dagogik? Bei der Abschaffung der Ziffernnote in der Volksschule? Speziell Kinder in der Volksschule lernen aus Neugier und nicht wegen einer Ziffernnote, deren Bedeutung ihnen erst die Erwachsenen beibringen mĂŒssen. Zudem ist ĂŒberdeutlich und vielfach erwiesen, wie ungerecht die Ziffernnote ist. Oder kann jemand erklĂ€ren, wieso laut PIRLS-Studie in der vierten Klasse Volksschule die schlechtesten 20 Prozent der Kinder mit einem „Sehr gut“ in Deutsch die gleichen Testleistungen (!) haben wie die besten Kinder mit „Nicht genĂŒgend“? Schaut so Notengerechtigkeit aus?

LehrkrĂ€fte in der Volksschule wissen, dass die BeurteilungsmaßstĂ€be sehr unterschiedlich und Ziffernnoten daher nur schwer zu vergleichen sind. Dennoch sind sie maßgebend fĂŒr den Übertritt in ein Gymnasium, was zu enormem Druck oft inklusive angekĂŒndigter rechtlicher Schritte durch Eltern fĂŒhrt, die ihr Kind unbedingt in die Unterstufe eines Gymnasiums schicken wollen.

„Sozial selektiv“

Die aktuelle PISA-Studie belegt daher auch, dass Österreichs Schulsystem im internationalen Vergleich eines der sozial selektivsten ist. Anders ausgedrĂŒckt: eines der ungerechtesten. Und dieser Trend hat sich sogar noch verstĂ€rkt. Seit ĂŒber 40 Jahren rĂŒgt uns die OECD zurecht, weil durch die zu frĂŒhe Trennung der Kinder mit neuneinhalb Jahren Bildung viel stĂ€rker als in anderen LĂ€ndern „vererbt“ wird.

Unser Schulsystem ist im Vergleich zu funktionierenden Gesamtschulmodellen weder im Spitzen- noch im Problembereich gut aufgestellt. In Vorarlberg gibt es ein vorwÀrtsweisendes Gesamtschulkonzept mit individueller Förderung. Leider fehlt auf Bundes- wie Landesebene der politische Wille zur Umsetzung.

Der Bildungsminister zeigte sich am Dienstag dennoch „zufrieden“ mit der Situation. In einem Interview mit der „Presse“ hat er jĂŒngst zudem gemeint: „Grundsatzdiskussionen bringen nichts.“ Da kann man nur staunen und sich Ă€rgern. Oder den Druck auf die Verantwortlichen erhöhen!

26. September 2017

Elchtest fĂŒrs österreichische Bildungssystem

2017-09-27T08:17:13+02:0026.09.17, 15:42 |Kategorien: Bildung|Tags: , , |

Pressekonferenz mit Karl Heinz Gruber

Mit Ex- Bildungsministerin Gehrer hat es begonnen, Kern, Hammerschmid, Kurz, Mahrer und andere haben es in die Gegenwart getragen. Sie alle haben eines gemeinsam, sie wollen fĂŒr den österreichischen Nachwuchs „die beste Bildung“. Die „beste“, sagen sie zumindest. Kaum ein Begriffspaar wurde im Zusammenhang mit der Bildung mehr missbraucht, als „beste Bildung“. Wir GrĂŒne haben uns diesen Superlativ abgewöhnt, weil es völliger Humbug ist, die beste Bildung zu versprechen, wenn wir vorher zu einer besseren Bildung, die uns einmal vom internationalen Mittelfeld nach vorne fĂŒhren wĂŒrde, kommen mĂŒssen.

Noch etwas versprechen diverse Parteien bei jeder sich bietenden Gelegenheit: Sie wollen weg von ideologischen Diskussionen in der Bildungspolitik und „faktenbasiert“ steuern. Wir sagen: Schluss mit dem bildungspolitischen MĂ€rchen einer ideologiefreien politischen Diskussion, zumal unter diesem Deckmantel erst recht ideologisch motiviert gehandelt wird.

Machen wir es wirklich faktenbasiert

An sich haben wir schon viele Studien, den Nationalen Bildungsbericht, die standardisierten Messungen wie PISA, PIRLS, TIMSS, BIST und die jĂ€hrlich erscheinende OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“. Die ernĂŒchternden PISA-Ergebnisse aus dem Jahr 2004 irritierten die damalige Bildungsministerin Gehrer so sehr, dass sie sogar eine ÜberprĂŒfung der Richtigkeit der statistischen Daten veranlasste. Es wurde aber nichts besser, denn falsch waren nur die vorher publizierten Daten, die Österreich zu Unrecht einen besseren Rang im internationalen Bildungsranking bescherten.

Seither tĂŒmpeln wir in diversen Rankings herum, da ein bisschen besser, dort wieder schlechter. Die großen Maßnahmen, die das Grundproblem des österreichischen Systems beseitigen könnten, nĂ€mlich dass Bildung in ĂŒberproportionalem Ausmaß vererbt wird, wurden nicht angegangen. Dahingehende zaghafte Versuche seitens der SPÖ prallten an der strukturkonservativen ÖVP fulminant ab.

„Bildungspolitische Watschn fĂŒr die Regierung“

In der letzten Woche legte der renommierte Bildungsforscher Karl Heinz Gruber den beiden Regierungsparteien prompt die verdiente verbale Watschn auf. Er hĂ€lt trocken fest: „Dass das ‚Erfolgsmodell Gymnasium‘ als ‚unerwĂŒnschte Nebenwirkung‘ eine alarmierende Zahl von SchulabgĂ€ngern mit unzureichenden Lese- und Rechenfertigkeiten produziert, ist weithin bekannt und wird alle drei Jahre durch OECD-Pisa-Resultate bestĂ€tigt. Dass das Schulsystem trotz Fokussierung auf Selektion am oberen (‚gymnasialen‘) Ende der schulischen Leistungsskala international relativ wenige Spitzenleistungen hervorbringt, ist weniger bekannt, aber nicht weniger beunruhigend.“

„OECD als Nachhilfeinstitut fĂŒr UnterrichtsministerInnen“ (Karl Heinz Gruber)

Gruber verweist in seinem Kommentar auf die LĂ€nderprĂŒfungen der OECD, die von den Mitgliedsstaaten angefordert werden können. Schweden hatte sich dieser nach den neoliberalen Bildungsmaßnahmen und dem darauf folgenden verheerenden Absturz in diversen Rankings gestellt. Schweden zieht nun die Konsequenzen und repariert wieder, was vorher kaputt gemacht wurde.

Was liegt also nĂ€her, wenn auch Österreich das internationale Nachhilfeinstitut fĂŒr UnterrichstministerInnen, die OECD, bemĂŒht und eine PrĂŒfung anfordert, die weg vom nationalen, kleingeistigen PolitikgeplĂ€nkel hin zu einer tatsĂ€chlich faktenbasierte Analyse unseres Schulsystems fĂŒhren könnte, aus der die entsprechenden verpflichtenden Maßnahmen abzuleiten wĂ€ren?

LĂ€nderprĂŒfung 2009: Viele Empfehlungen, fast nicht umgesetzt

Österreich hatte bereits 2009 eine OECD-LĂ€nderprĂŒfung zum Teilbereich „Migration und Bildung“ durchfĂŒhren lassen: Auf 85 Seiten listeten die internationalen Fachleute die Leer- und Schwachstellen in Österreichs Bildungseinrichtungen auf. Acht Jahre spĂ€ter mĂŒssen wir in einer Bilanz feststellen, dass die meisten Empfehlungen im hintersten Winkel eines Aktenschranks gelandet sind. Jetzt hören wir aus allen Richtungen das Geschrei, dass die Integration – insbesondere der Spracherwerb – in den KindergĂ€rten bzw. Schulen nicht klappen wĂŒrde. Wer bezahlt aber fĂŒr die VersĂ€umnisse die Rechnung? Ganz sicher viele, nur nicht jene aus SPÖ/ÖVP, die in der Vergangenheit fĂŒr das kolossale Versagen zustĂ€ndig waren.

GrĂŒner Antrag im Nationalrat

Ich werde in der nĂ€chsten Nationalratssitzung einen Antrag einbringen: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich bei der OECD eine LĂ€nderprĂŒfung des österreichischen Bildungswesens zu beantragen mit dem Ziel, faktenbasierte Empfehlungen fĂŒr die Verbesserung der Chancengerechtigkeit und Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus in Österreich zu erhalten und diese in der Folge politisch umzusetzen. Besonderer Fokus ist dabei auf die Sekundarstufe 1 und die Polytechnischen Schule zu legen sowie auf die Schnittstellen davor und danach.“

Schauen wir, ob sich die anderen Parteien auf diesen bildungspolitischen Elchtest einlassen. Wenn nicht, sollten sie gleich alle wortreichen AnkĂŒndigungen von der „besten Bildung“ öffentlich entsorgen. Das wĂ€re wenigstens ehrlich.

7. Dezember 2016

Die FPÖ und ihr Bildungsproblem: Gute Nacht!

2016-12-07T12:47:42+01:0007.12.16, 12:39 |Kategorien: Bildung, Gesellschaft|Tags: , |

DisziplinUnerfreulich sind die gestern prÀsentierten Ergebnisse aus der letzten PISA-Untersuchung allemal. Da ist dem freiheitlichen Bildungssprecher Walter Rosenkranz zuzustimmen. Aber hier ist die Schnittmenge zwischen Rosenkranz und mir auch schon zu Ende.

„Zu den heute veröffentlichten katastrophalen Ergebnissen der letzten PISA-Studie meint FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz: ‚Wenn es nicht bald gelingt, Schulen zu Bildungseinrichtungen zu machen, die sich an den Kriterien Anstrengung, Leistung und Disziplin orientieren, dann ‚Gute Nacht‘ fĂŒr Österreichs Kinder! Schulen sind primĂ€r Bildungs- und nicht Sozialeinrichtungen.’“ *

„Anstrengung, Leistung und Disziplin“, das ist also das Rezept der FPÖ, um unsere Kinder bildungsmĂ€ĂŸig nach vorne zu bringen. Wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen suggeriert die FPÖ, dass es irgendwann einmal besser war, dass es irgendwann eine heile Zeit gegeben hĂ€tte. Aber gerade im Bildungswesen liegt die FPÖ fundamental daneben. Manche von uns erinnern sich an Zeiten, wo die blauen Bildungswerte tatsĂ€chlich noch GĂŒltigkeit hatten, wo der Weg von Kindern ausschließlich durch die Herkunft gezeichnet und ein Aufstieg in der Regel unmöglich war. TrĂ€umt Rosenkranz tatsĂ€chlich von „Seinerzeit“, als der eigenstĂ€ndige Wille von Kindern durch „Disziplin und Ordnung“ schon in der Volksschule gebrochen wurde und nur eine schmale, durch das soziale System vorbestimmte Elite den Weg durchs Gymnasium geschafft hatte?

Eine der grĂ¶ĂŸten Leistungen von Bruno Kreisky war, das österreichische Bildungswesen zu öffnen: durch viele kostenlose Leistungen, durch Minimierung der EingangshĂŒrden, indem etwa Gymnasien am Land eröffnet und die AufnahmeprĂŒfungen eliminiert wurden und wesentlich auch durch die Etablierung von demokratischeren Strukturen in der Schulwelt. Die PrĂŒgelstrafe in Schulen wurde 1974 verboten, spĂ€ter folgte das Verbot von jeder Form von physischer und psychischer Gewalt. Profitiert haben davon viele, aber der von Kreisky eingeschlagene Weg ist nicht mehr fortgesetzt worden. Diesen Preis bezahlen nun wir – das heißt, unsere Kinder.

Was will die FPÖ also, wenn sie „Anstrengung, Leistung und Disziplin“ einfordert? Der Blick in blaue Wahlprogramme und auf Maßnahmen, wie sie etwa in Oberösterreich gesetzt bzw. gefordert wurden, lohnt sich: Die Forderung nach Sprachverboten („Pausensprache Deutsch“) und nach einem verpflichtend vorgegebenen patriotischer Gedichte- und Liederkanon zum Auswendiglernen gingen durch die Medien – alles freilich von jenen abgelehnt, die wenigstens einen blassen Schimmer von pĂ€dagogischen und methodischen Grundkenntnissen aufweisen können. Die seit Herbst 2015 in Wels regierende FPÖ hat fĂŒr ihre bildungspolitischen Maßnahmen, die zu KĂŒrzungen in den stĂ€dtischen KindergĂ€rten gefĂŒhrt haben, am Sonntag ihre Rechnung bekommen: 56% haben fĂŒr Alexander Van der Bellen und damit gegen den blauen PrĂ€sidentschaftskandidaten gestimmt. Dumm gelaufen: Das Volk, das die FPÖ so gerne beschwört, ist in ganz Oberösterreich mehrheitlich nicht der blauen Regierungspartei gefolgt.

Aber wo ortet Rosenkranz die Schuldigen? „Die linke Bildungspolitik sei völlig am Holzweg. Mit PISA sei nun ein weiteres Mal ihr Totalversagen bestĂ€tigt worden. ‚Gott sei Dank fĂŒr Van der Bellen wurde dieses Ergebnis erst heute bekannt und nicht schon vor seiner Wahl, denn sĂ€mtliche seiner UnterstĂŒtzer sind an dieser Misere schuld’, so Rosenkranz.“ Ah, die Van der Bellen-UnterstĂŒtzerInnen sind also verantwortlich, „sĂ€mtliche“ wohlgemerkt! Nicht etwa die FPÖ, die ihre AnhĂ€ngerInnen durch eine Unzahl von Falschmeldungen und Verschwörungstheorien in teilweise schon als paranoid zu bezeichnende ZustĂ€nde treibt und bei denen jegliche AufklĂ€rungsversuche, die auf Vernunft setzen, mit dem Hinweis aufs „System“ und die „LĂŒgenmedien“ abgeschmettert werden. Wollte die FPÖ tatsĂ€chlich etwas fĂŒr die Bildung tun, wĂ€re ihr dringend anzuraten, mit der eigenen Verdummungspolitik aufzuhören.

Ich bleibe bei meiner Linie: Der Erfolg einer Gesellschaft misst sich wesentlich darin, wie viele Chancen sie ihren Mitgliedern bietet. Bildungseinrichtungen sind natĂŒrlich auch soziale Einrichtungen, die durch gezielte Förderung gerade jenen Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen, die Bildung nicht durch Wohlstand des Elternhauses automatisch vererbt bekommen. Unsere zentralen LösungsvorschlĂ€ge dafĂŒr liegen seit langem auf dem Tisch: ein Ende des Systems, das Kinder viel zu frĂŒh „ausmistet“ und Geld dorthin, wo es ganz besonders benötigt wird. Blau-Ă€ugig, mit eingelegtem RĂŒckwĂ€rtsgang wĂŒrden wir den gegenteiligen Weg einschlagen. Aber wer weiß: Vielleicht will das die FPÖ? Dann heißt’s jedoch wirklich: „Gute Nacht!“

 

*http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20161206_OTS0076/fpoe-bildungssprecher-walter-rosenkranz-pisa-studie-zeigt-linke-bildungspolitik-hat-total-versagt

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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