Nein zum Notenzwang!
Unter diesem Titel habe ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ ein Plädoyer gehalten für eine Rückkehr zur schulautonomen Entscheidung Für oder Wider die Ziffernnote. Hier mein Text:
Sehr gut! Der Lustenauer Verein „Gemeinsam Zukunft Lernen“ hat eine Petition unter dem Titel „Nein zum Notenzwang“ gestartet und fordert, dass an den Volksschulen eine alternative Leistungsbeurteilung möglich sein soll.
Derzeit ist das nicht so, weil die türkis-blauen Regierung die Rückkehr zur verpflichtenden Ziffernnote beschlossen hatte und diese pädagogisch widersinnige Regelung auch unter Türkis-Grün nicht rückgängig gemacht wird. Versprochen wurde damals eine angebliche „Notenwahrheit“. Die wäre ja zu begrüßen, aber Ziffernnote und „Notenwahrheit“ sind leider sehr weit voneinander entfernt.
Ungerechte Noten
Das haben sowohl die vielen praktischen Feldversuche als auch nationale und internationale Testungen mehrfach unter Beweis gestellt. Leistungen von Kindern und Jugendlichen in den einzelnen Fächern werden nämlich von den Lehrkräften sehr unterschiedlich bewertet. Selbst in Mathematik reicht das Benotungsspektrum für dieselbe Arbeit von „Sehr gut“ bis „Nicht genügend“.
In der vierten Klasse Volksschule haben 20 Prozent der Kinder mit einem „Sehr gut“ in Deutsch die gleichen Testleistungen (!) wie die besten Kinder mit „Nicht genügend“. Beurteilungsgerechtigkeit bei „benachbarten“ Noten ist noch schwerer auszumachen. Das belegt die internationale PIRLS-Studie.
Lehrkräfte haben ausreichend Erfahrung mit alternativen Leistungsbeurteilungen: verbale Beurteilungsformen, Eltern-Kind-Gespräche oder Pensenbücher sind Beispiele dafür. Das alles hat sich seit Jahrzehnten in 2000 Schulversuchen bei insgesamt 3000 Volksschulen bewährt.
Gut für welche Kinder?
Wem helfen Ziffernnoten eigentlich? Ein in einem Fach mit „Gut“ bewertetes und begabtes Kind aus einer Akademikerfamilie beispielsweise blieb eventuell weit unter seinen Möglichkeiten und hat wenig Fleiß und Engagement gezeigt. Verdient es daher wirklich eine bessere Note als das mit „Befriedigend“ benotete Kind aus einer bildungsfernen Familie, das sich die Note mit viel Fleiß und Einsatz erkämpft hat?
Künftig kann dieses „Befriedigend“ in der dritten Klasse den Übertritt in eine AHS verhindern, obwohl das Kind großes Entwicklungspotenzial aufweist. Akademikerkinder haben sogar bei gleicher (!) Lesekompetenz eine doppelt so hohe Chance auf ein „Sehr gut“ im Zeugnis wie Kinder aus bildungsfernen Schichten.
Das verstärkt die Ungerechtigkeit unseres Schulsystems. Seit über 40 Jahren rügt uns die OECD zurecht, weil durch die zu frühe Trennung der Kinder mit neuneinhalb Jahren Bildung viel stärker als in anderen Ländern „vererbt“ wird.
Wer wirklich für hohe pädagogische Qualität ist, mehr Leistung fordert und Gerechtigkeit will, ist gegen die ungerechte Ziffernnote. Der im Internet leicht zu findenden Lustenauer Initiative ist daher viel Erfolg zu wünschen!