Wie weiter in der Ukraine?
Wie kann eine Exit-Strategie aus dem Ukraine-Krieg ausschauen? DarĂŒber wird in den kommenden Tagen und Wochen hoffentlich intensiv nachgedacht werden. Was besonders Angst macht: Mit Putin ist eine Nachkriegsordnung nicht vorstellbar, aber er sitzt – so macht es jedenfalls den Eindruck – fest im Sattel. Was aus meiner Sicht dennoch wichtig ist: Russland ist nicht Putin! Unter dem Titel âDesaster im Ostenâ habe ich zu diesem Problem Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen:
Der verbrecherische Angriff der Truppen Wladimir Putins auf die Ukraine ist ein Zivilisationsbruch, der uns erschauern lĂ€sst und zum Nachdenken fĂŒhren muss. Das betrifft einerseits unsere Sicherheit, die deutlich fragiler ist, als wir geglaubt haben. Nachdenken mĂŒssen die Verantwortlichen in Ost und West aber vor allem darĂŒber, wie eine halbwegs stabile Ordnung kĂŒnftig ausschauen kann.
Aus Geschichte lernen
Kann man aus der Geschichte lernen? Man kann! Nach dem 1. Weltkrieg waren die Erwartungen groĂ, man kĂŒndigte ein Ende der Geheimdiplomatie und den Abbau von Handelsschranken an, versprach globale AbrĂŒstung, nationale Selbstbestimmung und mit dem Völkerbund dauerhaften Frieden.
Das Ergebnis ist bekannt: Die als DemĂŒtigung empfundenen FriedensvertrĂ€ge schufen vor allem in Deutschland den NĂ€hrboden fĂŒr den Nationalsozialismus und waren Mitursache fĂŒr den 2. Weltkrieg. Vor allem die USA zogen ihre Lehren daraus: Nach dem 2. Weltkrieg unterblieb eine weitere DemĂŒtigung Deutschlands. Ganz im Gegenteil. Mit dem âMarshallplanâ wurde nicht nur die Grundlage fĂŒr das deutsche Wirtschaftswunder gelegt, sondern ganz Westeuropas geholfen â Ăsterreich profitierte ĂŒbrigens am stĂ€rksten.
Russland nicht isolieren
Die Nachkriegsordnung war fĂŒr Europa allerdings schmerzlich. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs blieb der Kontinent geteilt. Ab 1989 tat sich eine riesengroĂe Chance fĂŒr ein friedliches Zusammenleben auf.
Der ehemaligen Weltmacht Russland wurde viel versprochen. Im Ringen um die deutsche Einheit forderte der deutsche AuĂenminister Hans-Dietrich Genscher, âwas immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des Nato-Territoriums nach Osten, das heiĂt, nĂ€her an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht gebenâ. Nicht einmal auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wolle man NATO-Truppen stationieren. Der US-AuĂenminister James Baker ĂŒbernahm diese Position, nichts davon wurde allerdings in verbindlichen VertrĂ€gen festgehalten.
Im Gegenteil: Heute steht die NATO in den baltischen Staaten und somit direkt an der russischen Grenze, und die BemĂŒhungen der Ukraine um einen NATO-Beitritt sind hinlĂ€nglich bekannt. Die russischen PrĂ€sidenten â von Michael Gorbatschow ĂŒber Boris Jelzin bis zu Wladimir Putin â haben dem fast widerspruchslos zugesehen. Noch im Jahr 2000 meinte Putin: âIch kann mir die NATO nur schwerlich als einen Feind vorstellen.â Damals stand noch eine politische und unter UmstĂ€nden sogar militĂ€rische Integration Russlands in die westlichen BĂŒndnisse im Raum. Heute ist die Sachlage anders.
Mit dieser Situation mĂŒssen die Verantwortlichen umgehen. Das ist schwierig genug, zumal sich Russland durch den Angriff auf die Ukraine selbst isoliert hat. Wir können nur hoffen, dass eine (weitere) DemĂŒtigung Russlands wie 1919 in Versailles fĂŒr Deutschland unterbleibt. Mit Putin allerdings ist eine neue Friedenordnung nicht vorstellbar.
Die Diskussionen zu diesem Thema waren Ă€rgerlich und keimten vor allem durch aberwitzige Plakate bei Corona-Demonstrationen auf: Wer erinnert sich nicht an das unsĂ€gliche âImpfen macht freiâ, das an den zynischen Spruch âArbeit macht freiâ ĂŒber dem Konzentrationslager Auschwitz und anderen KZs erinnerte? Was bedeutet âFaschismusâ? Ist es wirklich nur eine Definitionsfrage?