14. April 2016

Asylrecht neu: eine Schande fĂŒr Österreich

2016-04-14T15:31:03+02:0014.04.16, 15:15 |Kategorien: Gesellschaft, Integration, Menschenrechte, Parteien|Tags: , |

innenausschuss_asylHeute war die Novelle zum Asylrecht im Innenausschuss (Foto). Gestern habe ich dazu aus Schruns ein sehr nettes Mail bekommen: „Tun wir uns doch diese Schande nicht an! Wir sind kein Notstandsland, aber solche Politik schafft einen humanitĂ€ren und menschenrechtlichen Notstand. (
) Wir wollen uns fĂŒr unser Land und unsere Regierung nicht schĂ€men mĂŒssen.“

Was ist der Kern der Novelle?
Das Asylrecht gilt kĂŒnftig nur fĂŒr drei Jahre: Wie Integration gelingen soll, wenn das Aufenthaltsrecht derart beschrĂ€nkt wird, ist nicht nur mir ein RĂ€tsel. Der Familiennachzug fĂŒr anerkannte FlĂŒchtlinge und subsidiĂ€r Schutzberechtigte (und somit nicht abschiebbaren Personen) wird erheblich erschwert: Wie das mit „christlichen“ GrundsĂ€tzen vereinbar ist, wird die „Familienpartei“ ÖVP zu erklĂ€ren haben und wie es mit den proklamierten „solidarischen“ GrundsĂ€tzen vereinbar ist, wird die SPÖ wohl nur schwer beantworten können.

Österreich soll per „Sonderbestimmung“ das Recht bekommen, mittels einer Verordnung vielen FlĂŒchtlingen in Österreich ein Asylverfahren zu verwehren. Das UN-FlĂŒchtlingshochkommissariat UNHCR, MenschenrechtsexpertInnen und NGOs sind sich einig: Österreich setzt zentrale Bestimmungen des internationalen Asylrechts außer Kraft, wonach jeder Asylantrag in ein Verfahren mĂŒnden muss.

SPÖ und ÖVP treiben somit die Orbanisierung Österreichs voran. Der Preis dafĂŒr wird hoch sein, fĂŒr jene, die flĂŒchten mĂŒssen und kein Anrecht mehr auf Schutz haben und fĂŒr uns ÖsterreicherInnen auch selbst, denn eine Gesellschaft, die genau jene Kernwerte außer Kraft setzt, die aus gutem Grund nach dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurden, ebnet den Weg in die soziale Verrohung. Und die wird sich irgendwann auch nach innen richten.

17. September 2015

Liebe Neos, warum pudelt Ihr Euch so auf?

2015-09-17T10:46:05+02:0017.09.15, 10:09 |Kategorien: Gesellschaft, Integration, Parteien, Wahlkampf|Tags: , |

refwelcomefestImmer regelmĂ€ĂŸiger pudeln sich Neos-Mitglieder darĂŒber auf, dass GrĂŒne die Situation der FlĂŒchtlinge „parteipolitisch“ vereinnahmen wĂŒrden, so im „Runder Tisch“ am letzten Montag:

Glawischnig Eva (GrĂŒne, G.E.): Die Welle der Hilfsbereitschaft, die jetzt durch Österreich gegangen sind. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel. Wie viele Menschen am Zentralbahnhof, am Westbahnhof nach Traiskirchen …
Strolz Matthias (Neos, S.M.): Ja, aber bitte jetzt nicht durch eine Partei vereinnahmen, das meine ich eben nicht.
G.E.: Nach Traiskirchen, nehmen wir uns an dem trotzdem – nein, ich will es nicht vereinnahmen.
S.M: Wir laufen nicht in pinken Shirts am Westbahnhof herum.
G.E.: Nein, seien Sie nicht so emotional.
S.M.: Das mag ich nicht, diese Art von Vereinnahmung.
G.E.: Ich sage nur, nehmen wir uns politisch.
S.M.: Das mag ich nicht.
G.E.: Was regen Sie sich jetzt so auf?
S.M.: Ja, aber ich mag das nicht, wenn man dieses menschliches Leid verwurstet in einen Wahlkampf hinein. Das mag ich nicht.
G.E.: Ich habe nur gesagt, nehmen wir uns daran politisch ein Beispiel …
S.M.: Ja, die Botschaft haben wir von Ihnen jetzt fĂŒnfmal gehört. Ich glaube, die ist angekommen.
G.E.: Sie haben mich noch nicht einmal ausreden lassen. Sie sind vielleicht grantig.
S.M.: Ja, da werde ich schon grantig, weil das ist nicht okay.
(ORF, Runder Tisch, 14.9.2015, ab 33’27“; Transkript APA)

Matthias Strolz ist also grantig. Gut. Aber ich frage mich, warum eigentlich? Wer die Wortmeldung von Eva Glawischnig liest (oder nachhört), erkennt unschwer, dass hier von einer parteipolitischen Vereinnahmung „dieses menschlichen Leids“ nicht einmal ansatzweise die Rede ist. Zu bemerken ist jedoch, mit welcher SelbstverstĂ€ndlichkeit Strolz eine Diskussionsteilnehmerin unterbricht und in der Folge den begonnen Gedankengang nicht mehr ausfĂŒhren lĂ€sst.

Nun hat die zukĂŒnftige Neos-Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon  einen gleichlautenden Vorwurf aufgrund eines anderen Anlasses via Twitter an uns GrĂŒne gerichtet. Und ich beginne mich langsam zu fragen, welchen Spin Neos damit verfolgt.

GrundsĂ€tzlich ist festzustellen: Zuallererst handeln wir, wenn wir helfen, als Menschen und nicht als Angehörige irgendwelcher Parteien. Ich wĂŒrde es niemandem unterstellen wollen, hier vorrangig aus parteipolitischen Strategien heraus zu handeln. Dennoch ist es Tatsache, dass innerhalb der GrĂŒnen sehr viele AktivistInnen aus Menschenrechtsorganisationen kommen, aus Sozialinitiativen und aus anderen Ă€hnlichen NGOs. Die Situation von flĂŒchtenden Menschen ist daher auch nicht erst seit zwei Wochen ein zentrales Thema meiner Partei. Dass es beispielsweise kein Zufall ist, wenn wir bereits im Juli eine Sommerkampagne zum Thema Menschenrechte gestaltet haben, werden uns selbst Neos-FunktionĂ€rInnen glauben.

Als Michel Reimon und Tina Wirnsberger am 31. August den ersten FlĂŒchtlingszug aus Wien Richtung MĂŒnchen begleitet und via Soziale Medien die Bitte nach Zureichung von Wasser und Verpflegung geĂ€ußert hatten, war innerhalb kĂŒrzester Zeit ein GrĂŒnes Netzwerk aktiviert, das an den Bahnhöfen in Linz und Salzburg reagierte. Als dann weitere ZĂŒge folgten, waren es mit Birgit Hebein, Peter Kraus, Georg Prack und vielen anderen Wiener GrĂŒne, die eine koordinierende Funktion am Westbahnhof ĂŒbernommen und geholfen haben, innerhalb von nur wenigen Stunden fĂŒr tausende FlĂŒchtlinge eine erste Grundversorgung sicherzustellen. Gleiches gilt fĂŒr Linz und Salzburg. Die kurzen Kommunikationswege innerhalb der Partei waren hilfreich, um sich zwischen Wien, Linz und Salzburg wenigstens ein Minimum koordinieren zu können.

Um es klar zu stellen: NatĂŒrlich waren es bei weitem nicht nur GrĂŒne, die von Nickelsdorf bis Salzburg halfen – da waren unzĂ€hlige andere aktiv –, aber dass viele von uns schnell und selbstverstĂ€ndlich auch da waren, nein, dafĂŒr schĂ€me ich mich nicht.

Als vor mehreren Monaten der Neos-Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn UnterkĂŒnfte fĂŒr FlĂŒchtlinge zur VerfĂŒgung stellen wollte und auf Widerstand stieß, kam doch auch niemand auf die Idee, Neos vorzuwerfen, diesen Schritt parteipolitisch zu missbrauchen, obwohl seine Initiative ĂŒber alle Neos-KommunikationskanĂ€le verbreitet wurde. Es gab breiten Applaus und Anerkennung fĂŒr Schellhorn, darunter natĂŒrlich auch (und ganz besonders) von uns GrĂŒnen. Ich persönlich habe ihm im Nationalrat dafĂŒr gedankt.

gamonMeine Gegenfrage: Warum sollen die GrĂŒnen-Mariahilf denn kein Willkommensfest fĂŒr FlĂŒchtlinge machen, warum sollen sie – gerade im Wahlkampf – nicht zeigen, wofĂŒr sie stehen?

„Die große Hilfsbereitschaft ist die beste antirassistische Praxis, die man sich vorstellen kann: Es wird signalisiert, dass den verkĂŒrzten Zuschreibungen praktisch etwas entgegengesetzt wird.“ (Matthias Quent, Soziologe mit Schwerpunkt Rechtsextremismusforschung, Standard)

Ich wĂŒnsche mir, dass möglichst viele Parteien zeigen, dass sie auf Seite der Menschlichkeit stehen und damit ein ganz klares politisches Gegengewicht zur rassistischen, hetzerischen Praxis der FPÖ bilden. Wir werden das in den kommenden Monaten auch ĂŒber die Wahltermine hinaus brauchen. Es ist dabei völlig egal, ob es Parteiinitiativen sind oder nicht. Hauptsache ist zu signalisieren, dass wir viele sind. Also, liebe Neos, zusammenreißen, fair bleiben und selber etwas auf die Beine stellen! Und dann treffen wir uns alle parteiĂŒbergreifend am 3. Oktober bei der Demonstration und anschließend beim SolidaritĂ€tskonzert am Heldenplatz.

P.S.: Birgit Hebein hat völlig unabhÀngig von mir gerade auch einen Blogbeitrag veröffentlicht: http://birgithebein.at/2015/09/fluechtlingskrise-versus-wahlkampf/

13. September 2015

Minister Kurz am Abstellgleis

2015-09-14T18:36:27+02:0013.09.15, 14:12 |Kategorien: Gesellschaft, Integration|Tags: , , |

westbahnhofSo sieht österreichische Politik aus: Letzten Freitag einigte sich die Regierung auf zusĂ€tzliche Gelder fĂŒr „die Integration von FlĂŒchtlingen“. Insgesamt werden es 145 Millionen Euro sein, davon 75 Millionen u.a. fĂŒr zusĂ€tzliche DeutschkursplĂ€tze. Und: FĂŒr schulpflichtige FlĂŒchtlingskinder soll es „Sprachstartkurse“ geben. Klingt einmal nicht so schlecht.

Sebastian Kurz feierte in einer Presseaussendung die EinfĂŒhrung von „rechtlich verbindlichen Sprachstartklassen“ ab. Ein kleiner aber feiner Unterschied: Offiziell heißt’s rechtlich verbindliche Kurse als ergĂ€nzende Maßnahme zum Regelunterricht in den Stammklassen. Das dĂŒrfte dem Integrationsminister nicht so gut gefallen haben. Aber wer ein richtiger Siegertyp wie Kurz ist, Ă€ndert schwuppdiwupp das Wording, um wenigstens verbal zu dem zu kommen, was er seiner rechten Klientel versprochen hatte: die Einrichtung von eigenen Klassen.

Was jedoch wirklich notwendig wĂ€re, dazu ist es auch am Freitag nicht gekommen: Wir benötigen standortbezogene Rahmenkonzepte, die eine auf die jeweiligen BedĂŒrfnisse der neuen SchĂŒlerInnen zugeschnittene Betreuung und Förderung ermöglichen. Sprachkurse fĂŒr jene, die traumatisiert durch Krieg und Flucht zu uns kommen, sind nicht die primĂ€re Antwort, denn vorher benötigt es psychologische Hilfe. Zudem muss Sprachförderung nach einem Konzept erfolgen, das langfristig ausgelegt ist.

Und auch hier gibt’s keine Antwort der Regierung: Wer soll die Sprachförderung in den Schulen erteilen und wer fĂŒr Erwachsene? Die beiden Expertinnen an der UniversitĂ€t Wien, İnci Dirim und Karen Schramm, haben die Anforderungen in einer aktuellen Stellungnahme klar formuliert, nĂ€mlich, „dass schnelle EinfĂŒhrungen von Ehrenamtlichen nur Notfalllösungen darstellen; sie können eine fundierte Ausbildung nicht ersetzen, die wir als Grundlage fĂŒr eine LehrtĂ€tigkeit fĂŒr unabdingbar halten: Unterrichten ist eine komplexe und verantwortungsvolle Aufgabe, die ein vertieftes theoretisches und praktisches Einarbeiten in (sozial- und migrations-)pĂ€dagogische, allgemeindidaktische und fachdidaktische Professionalisierungsbereiche erfordert“.

Über einen zweiten Punkt jubelt Kurz: „FĂŒr mich ist es auch ganz zentral, dass der Integrationsfonds Wertekurse anbieten wird. Wir mĂŒssen unsere Grundwerte von Anfang vermitteln vom Rechtsstaat bis hin zur Gleichstellung von Mann und Frau.“ Nun soll also ausgerechnet der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) jetzt auch noch „Wertekurse“ anbieten. Es ist aus pĂ€dagogischer Sicht schon alleine der Gedanke zu hinterfragen, jemandem irgendwelche Werte ĂŒber Kurse eintrichtern zu wollen. Aber wenn es schon um Werte geht, empfehle ich Kurz, zuerst einmal vor der eigenen HaustĂŒre zu kehren und den Korruptionssumpf im ÖIF, den der Rechnungshof scharf kritisiert hatte, aufzuklĂ€ren und daraus die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Ein Land, das sich ZustĂ€nde wie in Traiskirchen leistet, wird sich zudem sehr schwer tun, wenn just dann jene Menschen, die unter miesesten UmstĂ€nden ihre erste Zeit in Österreich verbracht haben, per Kurs Werte pauken mĂŒssen, gegen die Österreich in Traiskirchen tagtĂ€glich verstĂ¶ĂŸt. Lehren durch Vorbildwirkung, heißt eine pĂ€dagogische Grundregel. Wer das nicht begreift, sollte sich ein bisschen zurĂŒckziehen, um zuerst einmal die Grundprinzipien von Lehren und Lernen zu studieren. Und als EinfĂŒhrungstext zum Studium von gesellschaftlichen Werten empfehle ich Minister Kurz die gleichermaßen berĂŒhrende wie erhellende Schilderung einer Helferin vom Westbahnhof: „Am Westbahnhof Gleis 1b – eine unbeschreibliche Erfahrung“ Vielleicht kommt er drauf, dass er sich mit seiner Rhetorik und Politik am Abstellgleis befindet und die Zivilgesellschaft in der Wertevermittlung viel weiter ist als er?

Anstatt meines Nachworts eines von Höhlen-Höbart (13.9.2015):

hoebart

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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