4. Januar 2024

Haben wir zu hohe Steuern?

2024-01-04T11:51:49+01:0004.01.24, 11:47 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , , |

Gestern forderte die Wirtschaftskammer eine Senkung der Lohnnebenkosten. Ohne zu sagen, welche Leistungen dafür gekürzt werden sollen. Zum Jahresende forderte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger überhaupt eine Steuersenkung und konkretisierte das ebenfalls nicht. Unter dem Titel „Zu hohe Steuern?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Wer hätte am Monatsende nicht gern mehr Geld? NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sprach sich im ORF-Bilanzinterview zum Jahresende für eine Steuerentlastung aus: „Die Österreicher zahlen genug Steuern!“ Diese müssten gesenkt werden. Die Forderung der NEOS ist uralt, eine Präzisierung fehlt aber leider: Wo soll das fehlende Geld eingespart werden? Beim Bildungsbudget? Der Kleinkind-Betreuung? Im Gesundheits- und Sozialsystem? Bei den Pensionen?

Vorbild USA?

Die USA haben unter Ronald Reagan genau diesen Weg beschritten. Mit fatalen Auswirkungen. Seither stagniert das Einkommen der Arbeiterschicht, die Lebenserwartung sinkt, die Ultrareichen zahlen weniger Steuern als einfache Angestellte. Der US-amerikanische Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: „Unser jetziges Wirtschaftssystem ist das Ergebnis von Spielregeln, die wir über die letzten 40 Jahren neu geschaffen haben. Und zwar in einer Weise, welche Arbeiter benachteiligt und den Machtausbau von Unternehmen fördert.“

Auch in Europa eifern einige den USA nach. Die Auswirkungen sind etwa in Großbritannien zu besichtigen: marode Infrastruktur, darniederliegendes Gesundheitssystem etc.

Und Österreich?

Meinl-Reisinger schloss in ihrer Bilanz übrigens auch die Einführung einer Erbschaftssteuer aus. Österreich ist eines der ganz wenigen Länder auf der Welt, das keine Erbschaftssteuern einhebt – mit dem ebenso schlichten wie falschen Argument, man dürfe bereits besteuertes Einkommen nicht noch einmal besteuern. Aber: Wer gestorben ist, bezahlt bekanntlich keine Steuern mehr. Und wer erbt, hat dafür noch keine Steuern bezahlt.

Im Gegensatz zu einer Erbschaftssteuer gibt es hingegen sehr wohl eine Doppelbesteuerung für fast jeden von uns. Jeder Einkauf im Supermarkt, jedes Essen im Gasthaus oder am Würstelstand, die Miete – das alles unterliegt der Umsatzsteuer und wird mit jenem Geld bezahlt, das von der Lohn- oder Einkommenssteuer übrig geblieben ist. Wer in der Erbschaftssteuer eine Doppelsteuer sieht, müsste folgerichtig auch die Umsatzsteuer abschaffen. Diesen Unsinn hat bislang noch niemand gefordert.

Der Verzicht auf eine Erbschaftssteuer ist ein nicht nachvollziehbares Steuergeschenk des Staates an Wohlhabende und Reiche, denn Arme können kaum etwas vererben. Laut Arbeiterkammer besitzen zwei Drittel der Vorarlberger keine Immobilie, zehn Prozent hingegen 75 Prozent der Flächen. Und der Mittelstand? Er wäre nach allen derzeitigen Vorschlägen durch hohe Freibeträge wie in fast allen anderen Ländern von der Steuer befreit.

Genau diese einfache Tatsache hat dazu geführt, dass es in der westlichen Welt praktisch überall eine Erbschaftssteuer gibt. Zurecht, denn sie ist eine Frage der Steuergerechtigkeit. Das wäre vielleicht auch eine Denksportaufgabe für jene, die die Steuer so vehement ablehnen und damit das Geschäft der Superreichen betreiben.

12. Juni 2023

Heute am Abgrund, morgen einen Schritt weiter

2023-06-12T10:59:22+02:0012.06.23, 10:59 |Kategorien: Klima und Umwelt|Tags: , , , , |

Was hat Österreichs Klimaschutz-Politik mit den Lemmingen zu tun? Einiges! Unter dem Titel „Zug der Lemminge“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Letzten Mittwoch hat der Landtag auf Antrag der Neos ausführlich über das überfällige Umdenken in der Verkehrspolitik diskutiert. ÖVP, FPÖ und SPÖ waren sich einig: Es braucht kein Umdenken, gegen den Stau auf unseren Straßen müssen noch mehr Straßen her. Angesichts dieser Ignoranz bleibt einem im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg.

Allein die Meldungen der letzten Woche müssten zu denken geben. In 13 US-Bundesstaaten gab es Smog-Alarm. Betroffen sind 100 Millionen Menschen. Aus New York und anderen Großstädten erreichen uns apokalyptisch anmutende Bilder. Die Ursache sind etwa 1.000 Meilen entfernt: In Kanada wüten mehr als 160 Waldbrände. Die Hauptursache laut US-Klimabehörde: der Klimawandel.

Polkappen schmelzen

Gleichzeitig berichtete der Weltklimarat, dass das „ewige“ Eis am Nordpol dahinschmilzt wie die Butter in der Sonne: Die Arktis wird weit früher als bisher angenommen eisfrei werden. Diese Entwicklung sei bereits soweit fortgeschritten, dass sie nicht mehr gestoppt werden kann, meint Professor Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Da es auch am Südpol ähnlich ausschaut, müssen wir uns auf einen um mehrere Meter höheren Meeresspiegel und Millionen von Klimaflüchtlingen einstellen.

Auch in Europa werden uns Hitzewellen, Dürre und Waldbrände vor kaum lösbare Probleme stellen. Europa ist neben den USA und China der größte Klimasünder, und Österreich ist in Europa in Sachen Klimaschutz eines der Schlusslichter. Von der versprochenen CO2-Neutralität bis 2040 sind wir meilenweit entfernt, es drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Problem Wirtschaftsbund

Und da wollen im Land ÖVP, FPÖ und SPÖ weitermachen wie bisher? Das gleicht dem Zug der Lemminge: Heute stehen wir am Abgrund, morgen sind wir einen Schritt weiter. Die heimischen Sozialdemokraten sollten die mitreißende Rede ihres neuen Bundesvorsitzenden Andreas Babler vom Linzer Parteitag anschauen: Er hat beim Klimaschutz ein radikales Umdenken gefordert.

Die Ignoranz der FPÖ war erwartbar. Die ÖVP aber gibt sich meist staatstragend. Zu Unrecht: Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer behauptet faktenwidrig, die Klimaschutz-Maßnahmen („Greenflation“) und nicht die Gier einzelner Unternehmer seien schuld an der Teuerung. Der Vorarlberger Wirtschaftsbund bezeichnet die Verankerung des Klimaschutzes im künftigen Raumplanungsgesetz als „deplatziert“, will weder verpflichtende PV-Anlagen auf Einkaufszentren noch ein Ende des übergroßen Bodenverbrauchs.

Vorarlberg allein wird den Klimawandel nicht stoppen. Aber angesichts unseres übergroßen Ausstoßes klimaschädlicher Gase stehen wir in der Verantwortung: Als einziges Bundesland lassen wir noch immer Helikopter-Flüge für betuchte Gäste am Arlberg zu, verantwortungslose Straßenprojekte wie die S18 oder die Feldkircher Tunnelspinne werden weiterverfolgt statt in der Verkehrspolitik umzudenken. Im Landtag haben Letzteres leider nur Grüne und Neos begriffen.

17. September 2015

Liebe Neos, warum pudelt Ihr Euch so auf?

2015-09-17T10:46:05+02:0017.09.15, 10:09 |Kategorien: Gesellschaft, Integration, Parteien, Wahlkampf|Tags: , |

refwelcomefestImmer regelmäßiger pudeln sich Neos-Mitglieder darüber auf, dass Grüne die Situation der Flüchtlinge „parteipolitisch“ vereinnahmen würden, so im „Runder Tisch“ am letzten Montag:

Glawischnig Eva (Grüne, G.E.): Die Welle der Hilfsbereitschaft, die jetzt durch Österreich gegangen sind. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel. Wie viele Menschen am Zentralbahnhof, am Westbahnhof nach Traiskirchen …
Strolz Matthias (Neos, S.M.): Ja, aber bitte jetzt nicht durch eine Partei vereinnahmen, das meine ich eben nicht.
G.E.: Nach Traiskirchen, nehmen wir uns an dem trotzdem – nein, ich will es nicht vereinnahmen.
S.M: Wir laufen nicht in pinken Shirts am Westbahnhof herum.
G.E.: Nein, seien Sie nicht so emotional.
S.M.: Das mag ich nicht, diese Art von Vereinnahmung.
G.E.: Ich sage nur, nehmen wir uns politisch.
S.M.: Das mag ich nicht.
G.E.: Was regen Sie sich jetzt so auf?
S.M.: Ja, aber ich mag das nicht, wenn man dieses menschliches Leid verwurstet in einen Wahlkampf hinein. Das mag ich nicht.
G.E.: Ich habe nur gesagt, nehmen wir uns daran politisch ein Beispiel …
S.M.: Ja, die Botschaft haben wir von Ihnen jetzt fünfmal gehört. Ich glaube, die ist angekommen.
G.E.: Sie haben mich noch nicht einmal ausreden lassen. Sie sind vielleicht grantig.
S.M.: Ja, da werde ich schon grantig, weil das ist nicht okay.
(ORF, Runder Tisch, 14.9.2015, ab 33’27“; Transkript APA)

Matthias Strolz ist also grantig. Gut. Aber ich frage mich, warum eigentlich? Wer die Wortmeldung von Eva Glawischnig liest (oder nachhört), erkennt unschwer, dass hier von einer parteipolitischen Vereinnahmung „dieses menschlichen Leids“ nicht einmal ansatzweise die Rede ist. Zu bemerken ist jedoch, mit welcher Selbstverständlichkeit Strolz eine Diskussionsteilnehmerin unterbricht und in der Folge den begonnen Gedankengang nicht mehr ausführen lässt.

Nun hat die zukünftige Neos-Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon  einen gleichlautenden Vorwurf aufgrund eines anderen Anlasses via Twitter an uns Grüne gerichtet. Und ich beginne mich langsam zu fragen, welchen Spin Neos damit verfolgt.

Grundsätzlich ist festzustellen: Zuallererst handeln wir, wenn wir helfen, als Menschen und nicht als Angehörige irgendwelcher Parteien. Ich würde es niemandem unterstellen wollen, hier vorrangig aus parteipolitischen Strategien heraus zu handeln. Dennoch ist es Tatsache, dass innerhalb der Grünen sehr viele AktivistInnen aus Menschenrechtsorganisationen kommen, aus Sozialinitiativen und aus anderen ähnlichen NGOs. Die Situation von flüchtenden Menschen ist daher auch nicht erst seit zwei Wochen ein zentrales Thema meiner Partei. Dass es beispielsweise kein Zufall ist, wenn wir bereits im Juli eine Sommerkampagne zum Thema Menschenrechte gestaltet haben, werden uns selbst Neos-FunktionärInnen glauben.

Als Michel Reimon und Tina Wirnsberger am 31. August den ersten Flüchtlingszug aus Wien Richtung München begleitet und via Soziale Medien die Bitte nach Zureichung von Wasser und Verpflegung geäußert hatten, war innerhalb kürzester Zeit ein Grünes Netzwerk aktiviert, das an den Bahnhöfen in Linz und Salzburg reagierte. Als dann weitere Züge folgten, waren es mit Birgit Hebein, Peter Kraus, Georg Prack und vielen anderen Wiener Grüne, die eine koordinierende Funktion am Westbahnhof übernommen und geholfen haben, innerhalb von nur wenigen Stunden für tausende Flüchtlinge eine erste Grundversorgung sicherzustellen. Gleiches gilt für Linz und Salzburg. Die kurzen Kommunikationswege innerhalb der Partei waren hilfreich, um sich zwischen Wien, Linz und Salzburg wenigstens ein Minimum koordinieren zu können.

Um es klar zu stellen: Natürlich waren es bei weitem nicht nur Grüne, die von Nickelsdorf bis Salzburg halfen – da waren unzählige andere aktiv –, aber dass viele von uns schnell und selbstverständlich auch da waren, nein, dafür schäme ich mich nicht.

Als vor mehreren Monaten der Neos-Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollte und auf Widerstand stieß, kam doch auch niemand auf die Idee, Neos vorzuwerfen, diesen Schritt parteipolitisch zu missbrauchen, obwohl seine Initiative über alle Neos-Kommunikationskanäle verbreitet wurde. Es gab breiten Applaus und Anerkennung für Schellhorn, darunter natürlich auch (und ganz besonders) von uns Grünen. Ich persönlich habe ihm im Nationalrat dafür gedankt.

gamonMeine Gegenfrage: Warum sollen die Grünen-Mariahilf denn kein Willkommensfest für Flüchtlinge machen, warum sollen sie – gerade im Wahlkampf – nicht zeigen, wofür sie stehen?

„Die große Hilfsbereitschaft ist die beste antirassistische Praxis, die man sich vorstellen kann: Es wird signalisiert, dass den verkürzten Zuschreibungen praktisch etwas entgegengesetzt wird.“ (Matthias Quent, Soziologe mit Schwerpunkt Rechtsextremismusforschung, Standard)

Ich wünsche mir, dass möglichst viele Parteien zeigen, dass sie auf Seite der Menschlichkeit stehen und damit ein ganz klares politisches Gegengewicht zur rassistischen, hetzerischen Praxis der FPÖ bilden. Wir werden das in den kommenden Monaten auch über die Wahltermine hinaus brauchen. Es ist dabei völlig egal, ob es Parteiinitiativen sind oder nicht. Hauptsache ist zu signalisieren, dass wir viele sind. Also, liebe Neos, zusammenreißen, fair bleiben und selber etwas auf die Beine stellen! Und dann treffen wir uns alle parteiübergreifend am 3. Oktober bei der Demonstration und anschließend beim Solidaritätskonzert am Heldenplatz.

P.S.: Birgit Hebein hat völlig unabhängig von mir gerade auch einen Blogbeitrag veröffentlicht: http://birgithebein.at/2015/09/fluechtlingskrise-versus-wahlkampf/

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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