Ach, Europa!
Das Projekt Europa wird immer mehr zu einem Ăberlebensprojekt Europa. Unter dem Titel âWer rettet Europa?â habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten diesen Kommentar publiziert:
Wenn es um die Zukunft der EU geht, sieht sich vor allem Frankreich in der Pflicht und auch gerne in der Hauptrolle. Zuletzt ist das wohl nicht ganz zufÀllig wieder kurz vor den Wahlen zum EU-Parlament Anfang Juni deutlich geworden.
An der EliteuniversitĂ€t âSorbonneâ hielt StaatsprĂ€sident Emanuel Macron eine in seiner von Kommunikationsabteilung schon im Vorfeld hochgespielten âRede an Europaâ. Das hatte 2017 kurz nach seinem Amtsantritt schon nicht so richtig geklappt. Diesmal reichte es gar nur fĂŒr eine 24-Stunden-Aufmerksamkeitsspanne. Was in Erinnerung bleiben könnte, ist seine zentrale Aussage, Europa sei âsterblichâ. Das allerdings haben wir zuvor auch schon befĂŒrchtet.
Auch aus DeutschlandÂŹÂŹ, traditionell seit Jahrzehnten der engste Partner in der EU, gab es eine eher zurĂŒckhaltende Reaktion. Bundeskanzler Olaf Scholz meinte, Frankreich und Deutschland wollen, âdass Europa stark bleibtâ. Das wiederum haben wir zuvor auch schon gehofft.
âStarkes Europaâ
Immerhin gab es Hinweise darauf, wie ein âstarkes Europaâ ausschauen soll: gefordert wurde eine ehrgeizige RĂŒstungs- und Industriepolitik und eine Verdoppelung der finanziellen Mittel fĂŒr die EU. Darf das wahr sein? Will man damit die Herzen der Menschen gewinnen? Dazu wird es deutlich mehr brauchen. Eine âSozialunionâ etwa mit einem gerechten Steuersystem und Hilfe fĂŒr all jene, die sie brauchen, wirtschaftliche WettbewerbsfĂ€higkeit, Sicherheit sowie klima- und umweltfreundliche âEnkeltauglichkeitâ.
Es ist lange her, dass charismatische Persönlichkeiten in der Lage waren, Zuversicht zu vermitteln und LösungsansÀtze zu prÀsentieren. Man denke etwa an Leopold Figl oder Bruno Kreisky, auf europÀischer Ebene an einen Charles de Gaulle oder Willy Brandt. Heute dominiert Pessimismus, statt LösungsansÀtzen gibt es Fatalismus. Der Brexit war der erste Hammerschlag, seither arbeiten Rechtsextreme und Rechtspopulisten weiter daran, das fragile europÀische Konstrukt und die nationalen Demokratien zu unterminieren.
Klar ist auch, dass unser Kontinent immer mehr an Bedeutung in der Welt verliert, zuletzt sogar im ökonomischen Bereich: Die EU wĂ€chst wirtschaftlich deutlich langsamer als die USA oder China, militĂ€risch ist man ein offenkundiger BĂŒttel der USA.
Statt eine europĂ€ische Idee zu prĂ€sentieren, forderte Macron âLösungenâ, die vor allem der französischen MilitĂ€rindustrie zugutekĂ€men. Damit wird man keine Begeisterung fĂŒr das âProjekt Europaâ erreichen.
Geht es bei der Wahl im Juni bereits um das groĂe Ganze? Ist die EU in Gefahr? Politische Visionen sind jedenfalls nicht in Sicht, destruktive KrĂ€fte aber sehr wohl. Statt auf europĂ€ischer Ebene Lösungen zu prĂ€sentieren fĂŒr die groĂen Herausforderungen dominieren nationale AlleingĂ€nge, Kleingeistigkeit und destruktive KrĂ€fte. Wir sind gut beraten, die kommenden Wahlen zum EU-Parlament so ernst zu nehmen, wie sie es sind, um die bedrohlichen Trends zu stoppen!