21. August 2015

Quo vadis Griechenland?

2015-08-21T15:34:19+02:0021.08.15, 15:34 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft|Tags: |

Griechenland_FlaggeNun ist es also Wirklichkeit geworden: „Syriza“, die Partei des griechischen MinisterprĂ€sident Alexis Tsipras spaltet sich. 25 ehemalige Abgeordnete grĂŒndeten unter der FĂŒhrung von Panagiotis Lafazanis eine neue Fraktion und Partei mit dem Namen „Volkseinheit“. Sie ist nun die drittstĂ€rkste Kraft im Parlament.
Man darf gespannt sein, wie die griechischen WĂ€hlerInnen das beurteilen werden. Interessant ist jedenfalls, fĂŒr wen Alexis Tsipras, der frĂŒhere „Gott-sei-bei-uns“ des europĂ€ischen Polit-Establishments, inzwischen zum Garanten oder zumindest HoffnungstrĂ€ger fĂŒr StabilitĂ€t geworden ist.

„Der Spiegel“ (Plötzlich drĂŒckt BrĂŒssel Tsipras die Daumen) fasst das so zusammen: „Ein Sieg des Sozialisten brĂ€chte StabilitĂ€t, darum wĂŒnscht man sich, dass er weitermachen kann.“ Sogar fĂŒhrende KrĂ€fte in der CSU mahnen StabilitĂ€t ein, fĂŒr die offensichtlich Tsipras steht.

In Italien jubelt die liberale Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ und schreibt, dem „kĂŒhnen“ Tsipras sei „ein Platz auf dem Olymp der großen griechischen StaatsmĂ€nner“ sicher, wenn er im September die Wahlen gewinne. Er sei ein Mann mit „Mut zur geistigen FlexibilitĂ€t“, habe den „Grexit“ verhindert und „nicht nur sein Land gerettet, sondern auch den Euro“. Ganz schön verzwickt ist diese Welt geworden!

Wir wollen die Kirche im Dorf lassen. Die Heiligsprechung von Alexis Tsipras durch europĂ€ische Konservative und Liberale ist vor allem darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass die grĂ¶ĂŸte StĂ€rke des Premiers die SchwĂ€che seiner Gegner ist: Die sozialdemokratische PASOK hat nicht nur moralisch, sondern auch personell abgewirtschaftet und nur noch 13 Abgeordnete, und der konservativen „Nea Dimokratia“ gelingt es nicht einmal, sich auf einen Vorsitzenden zu einigen.

Wie auch immer die Wahl ausgeht, viel Grund zum Optimismus sehe ich nicht: Die soziale Situation in Griechenland ist unertrĂ€glich, viele Menschen haben weiterhin keinen Zugang zum Gesundheitssystem, die Jugendarbeitslosigkeit von inzwischen ĂŒber 50 Prozent ist unertrĂ€glich. Die wirtschaftspolitischen Auflagen fĂŒr Griechenland setzen den bisherigen AustĂ€ritĂ€tskurs fort: Die Mehrwertsteuererhöhungen treffen alle und besonders hart die Armen, Renten werden weiter gekĂŒrzt, der Arbeitsmarkt noch stĂ€rker „flexibilisiert“, … Dieser Kurs wird die griechische Wirtschaft weiter in die Rezession fĂŒhren. Die Anpassungsleistungen gehen zu einem Großteil auf Kosten der „kleinen Leute“, die die Krise nicht verursacht haben.

Mit den Vorgaben, die Griechenland fĂŒr weitere Hilfszahlungen erfĂŒllen muss, werden demokratische GrundsĂ€tze ausgehebelt. Die griechische Regierung muss sĂ€mtliche Gesetzesvorhaben in „relevanten Bereichen“ vor Befassung des Parlaments von den EU-Institutionen genehmigen lassen. Damit wird Griechenland seiner SouverĂ€nitĂ€t beraubt und quasi unter europĂ€ische Aufsicht gestellt.

Vielleicht nimmt ja irgendwer nach der Bankenrettung auch diese Probleme in Angriff!

2. Juli 2015

Sparpolitik, Griechenland und das europÀische Desaster!

2015-07-02T15:09:49+02:0002.07.15, 12:44 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|Tags: , , , |

Tagesanzeiger_Krise_EuroDer Schweizer „Tagesanzeiger“ besticht heute mit einer Analyse, die ich mir von „der“ Politik oder heimischen Medien auch wĂŒnschen wĂŒrde: Statt Griechenland-Bashing erfolgt eine historische und wirtschaftspolitische Einbettung („Die gefĂ€hrlichste Idee Europas“).
Nach der Weltwirtschaftskrise haben ja fast alle großen und wichtigen Staaten dasselbe gemacht: eisern gespart. Und das Ergebnis war eindeutig: In den USA explodierte die Arbeitslosigkeit in zwei Jahren von 8 auf 30 Prozent, Deutschland versank in Massenarbeitslosigkeit und der Weg fĂŒhrte direkt zur NS-Machtergreifung, in Frankreich brach die Industrie zu einem Viertel weg, Japan erlebte ĂŒberhaupt den historisch grĂ¶ĂŸten wirtschaftlichen Zusammenbruch.
Das ResĂŒmee des „Tagesanzeigers“ ist wenig ermutigend:
„Was immer mit Griechenland noch wird, das Ergebnis ist klar: Die AusteritĂ€t steht als Doktrin fester denn je. Es ist egal, dass ihre Resultate vernichtend sind, dass ihre Sprache langsam sowjetisch klingt und dass niemand auch nur das geringste VergnĂŒgen an ihr hat. Oder an Europa. Es ist die einzige Idee, die der Politik noch geblieben ist.
Und auf sie setzt ein ganzer Kontinent seine Zukunft.“

1. Juli 2015

Griechenlandpolitik: Das ist nicht mein Europa!

2015-07-06T12:15:38+02:0001.07.15, 14:28 |Kategorien: Allgemein, Arbeit und Wirtschaft|Tags: , , |

griechenland-euroVorneweg: Ich bin kein Ökonom und maße mir daher auch nicht an, im Detail zu beurteilen, welche Strategien nun in Griechenland dazu angetan sind, das Land aus der Krise zu fĂŒhren. ExpertInnen „fĂŒr eh alles“ haben wir zuhauf.

Ich habe aber die Berichte und Kommentierungen studiert und mich – wenn immer möglich – mit Personen unterhalten, die mehr Expertise aufweisen als ich. Meine politische Haltung ist mit Sicherheit nicht an der Seite der neoliberalen Lobby einzuordnen. Als Historiker erinnere ich mich an die Zwischenkriegszeit und das damalige ökonomische Desaster sowie an die Maßnahmen, die nach 1945 die darniederliegenden europĂ€ischen (insbesondere die deutsche und österreichische) Volkswirtschaften wieder in Gang gebracht hatten. Und vor allem, wie sich Deutschland um die Reparationszahlungen (nicht zuletzt an Griechenland) gedrĂŒckt hat, nachdem das Land vorher durch die deutschen Besatzer systematisch ausgeblutet wurde (Österreich wurde Dank des Opferstatus erst gar nicht belangt).

Am Sonntag war nun in den deutschen und österreichischen TV-KanĂ€len Griechenland-Bashing pur angesagt, auf ARD beispielsweise bei GĂŒnther Jauch „Showdown im Schuldenstreit – was wird aus Griechenland?“, wo ein neoliberales Trio samt dem sich in Koketterie ĂŒbenden Moderator auf einen griechischen Syriza-Sympathisanten eintrommelte. In ORF 2 wurde bereits im Titel von „Im Zentrum“ darauf hingewiesen, wohin denn die Talk-Reise fĂŒhren sollte: „Tage der Entscheidung – Griechenlands Spiel mit dem Feuer“. Die ökonomische Analyse wurde hier einem Vertreter des neoliberalen Vereins EcoAustria ĂŒberlassen.

Wer aber spielt da nun mit dem Feuer? Die griechischen Banken sollen nach den gescheiterten Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern eine Woche lang geschlossen bleiben. Die Folgen sind nicht wirklich absehbar.

WĂ€hrend hierzulande immer noch jene dominieren, die Premier Alexis Tsipras die alleinige Schuld am Scheitern geben und eine „Reformbereitschaft“ einklagen, geben durchaus sehr unterschiedliche Fachleute besonnenere Analysen ab. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler (und alles andere als ein Linksaußenpolitiker) Helmut Schmidt meinte im „Handelsblatt“ („Der Teufel soll sie holen, wenn sie Griechenland nicht retten“): „Die Sparerei ist eine der Ursachen fĂŒr die Depression.“

Der renommierte österreichische Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister fordert in den Salzburger Nachrichten einen „New Deal fĂŒr Europa“, ein Ende der KĂŒrzungen von Sozialleistungen und Pensionen, eine radikale „EinschrĂ€nkung der Finanz-Alchemie“ sowie massive öffentliche Investitionen und eine unternehmerfreundliche Politik. Und da sind noch die Ökonomen Joseph Stiglitz, Paul Krugman, die beide die EU-Sparpolitik aufs SchĂ€rfste kritisieren und Thomas Piketty, der zuletzt in „Die Zeit“ daran erinnerte, dass Deutschland weder nach dem Ersten noch nach dem Zweiten Weltkrieg seine Schulden getilgt hatte.

Die deutsche Tageszeitung „taz“ bringt zudem ein wenig Licht in das Dunkel der Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern. Sie widerlegt einige jener Behauptungen, die in den letzten Tagen immer wieder zu hören waren (Rotzfrech gelogen) und macht einen Faktencheck zu Griechenland:

  • Der Vorschlag der EU hĂ€tte „ein Wachstumsprogramm mit 35 Milliarden Euro speziell fĂŒr Griechenland“ enthalten – stimmt nicht!
  • RentenkĂŒrzungen seien nicht vorgesehen gewesen – stimmt nicht!
  • Erleichterungen fĂŒr die griechischen Staatsschulden seien in Aussicht gestellt worden – stimmt nicht!

Damit der Sack der Frechheiten gegenĂŒber Griechenland noch vollgemacht wird, warnte der NATO-GeneralsekretĂ€r Jens Stoltenberg Griechenland vor einem Absenken seiner (im Übrigen immer wieder kritisierten exorbitant hohen) MilitĂ€rausgaben: „Stoltenberg positionierte sich damit klar gegen ReformvorschlĂ€ge, die auf KĂŒrzungen der MilitĂ€rausgaben im griechischen Haushalt zielten.“ (Nato-GeneralsekretĂ€r: Griechenland soll RĂŒstungszahlungen einhalten)

Den Hasardeuren der EU und aus dem IWF scheint es egal zu sein, welches Desaster die AusteritĂ€tspolitik bereits jetzt in Griechenland angerichtet hat: eine Arbeitslosenrate von ĂŒber 25 Prozent (50% unter den Jugendlichen), 40 Prozent der Bevölkerung ohne Krankenversicherung und – am Ende aller KĂŒrzungsmaßnahmen – mit 180 Prozent eine weitaus höhere Staatsverschuldung als zu Beginn der Krise. Von den EU-Geldern profitierten in erster Linie die Banken und die Schulden wurden auf die öffentliche Hand umgewĂ€lzt.

Das ist nicht mein Europa, in dem ich leben will. Wir tun jedenfalls gut daran, sehr genau hinzuschauen, bevor wir das moralische Fallbeil ĂŒber Griechenland senken.

(Foto: griechenland-deals/pixelio.de)

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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