10. Februar 2015

Integration ganz ohne Strafen: der Campus Rütli in Berlin!

2015-05-02T11:50:44+02:0010.02.15, 12:00 |Kategorien: Bildung, Integration|Tags: , , , |

Gestern saßen wohl einige Bildungsinteressierte erstaunt vor dem Fernseher. In Zuge der Debatte um die angebliche oder vermeintliche Integrationsunwilligkeit von Kindern aus zugewanderten Familien lud die ZiB 2 die Direktorin einer Berliner Schule in die Sendung. Sie wusste Erstaunliches zu berichten.
Im Jahr 2006 richteten LehrerInnen der Berliner Rütli-Schule aus dem „Problembezirk“ Neukölln einen Aufschrei mittels eines Briefes an die Schulverwaltung: „Türen werden eingetreten, Papierkörbe als Fußbälle missbraucht, Knallkörper gezündet und Bilderrahmen von den Flurwänden gerissen. Gegenstände fliegen zielgerichtet gegen Lehrkräfte durch die Klassen, Anweisungen werden ignoriert. Einige Kollegen/innen gehen nur noch mit dem Handy in bestimmte Klassen, damit sie über Funk Hilfe holen können.“
Der Brief zeigte Wirkung. Die ehemalige Brennpunktschule mit einem Anteil von 80% Kindern mit Migrationshintergrund wurde komplett umgekrempelt: Ein Team von ArchitektInnen plante das bauliche Umfeld für ein modernes und freundliches Bildungsquartier, den Campus Rütli – CR². Das Bildungsprinzip dahinter: Vom Kindergarten bis zur Matura gibt es an der Schule Lernen aus einem Guss. Die vormalige Hauptschule wurde abgeschafft zugunsten des möglichst langen gemeinsamen Lernens. Der Campus versucht, „in einem innovativen und ganzheitlichen Ansatz viele Kräfte und Kompetenzen, die es in einem Sozialraum gibt, zu verschmelzen. Es wurde ein Verbund geschaffen, in dem kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit als Chance begriffen und gelebt werden. An diesem Ort, an dem Bildungsbiografien bis in den Beruf oder die Universität begleitet werden, soll ein Wertegerüst als Grundlage für ein selbstverantwortetes Leben gelegt werden, die gesellschaftliche Teilhabe für Menschen verschiedenster Herkunft möglich macht.“
Die Direktorin Cordula Heckmann erläutert im Gespräch mit Armin Wolf (bis 16.2. online) einige Eckpfeiler der Schule:
• Lernen im Klassenverband mit stark individualisierter Förderung, um auf unterschiedliche Begabungen eingehen zu können: Lernstationen, Lerntagebücher, Reflexion von Lernprozessen
• Sprachgruppen, um Kinder auf die Bildungssprache Deutsch vorzubereiten (nach dem in Hamburg entwickelten FörMig-Konzept) in Verbindung mit einem gemeinsamen Zusatzangebot
• Förderung der Familiensprachen; Türkisch und Arabisch als zweite lebende Fremdsprache
• breites Angebot für Eltern (Einzelgespräche, Gruppenveranstaltungen, Freizeitprogramm), das fast alle Eltern gerne in Anspruch nehmen. Strafen sind nicht notwendig.
• „Integrationsunwilligkeit“, wie sie hierzulande beklagt wird, ist am Campus Rütli kein Problem: Sensibilisierung erfolgt durch Gespräche und durch ein gezieltes Angebot, das Soziales Lernen befördert.
• Der Erfolg: Im letzten Jahr legten die ersten SchülerInnen die Matura ab. Der Anteil jener, die keinen Schulabschluss erreichen, ist stark gesunken, der Anteil an SchülerInnen, die eine weiterführende Schule besuchen oder eine Arbeitsstelle finden, hat sich vervielfacht. Der Campus Rütli wurde zur inzwischen begehrten Vorzeigeschule.
Und nicht zuletzt: „Die Erstklässler spiegeln wieder, was sich in Neukölln um den Rütli-Campus herum tut. Der einst berüchtigte Problembezirk ist inzwischen gefragt. Mieten steigen, es gibt angesagte Bars, Bioläden und die eine oder andere Kunstgalerie. Bis der Wandel alle Jahrgänge erreicht, ist es nur eine Frage der Zeit.“ (http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2014-02/ruetli-schule-berlin-brandbrief/seite-2)
Die Grüne Schule ist also schon längst erfolgreiche Realität. Fragt sich nur, wann es die verantwortlichen PolitikerInnen in Österreich ernst damit meinen, die „beste Schule“ schaffen zu wollen.

4. Februar 2015

Kopftuchverbot an den Schulen?

2015-05-01T07:43:31+02:0004.02.15, 12:00 |Kategorien: Gesellschaft, Integration|Tags: , , |

Mutter-Teresa-aus-KalkutaWenn zwei ehemalige liberale ÖVP-Politiker wie Josef Riegler und Heinrich Neisser sich für ein Kopftuchverbot an Schulen und ein Vollverschleierungsverbot in der Öffentlichkeit aussprechen, muss das ernst genommen werden. Die beiden mutieren aber zu Hardlinern, wenn sie wie Sebastian Kurz bei „Integrationsunwilligkeit“ 1000 Euro Verwaltungsstrafe oder den Entzug der Familienbeihilfe verlangen („Neisser und Riegler für Kopftuchverbot an Schulen“).
Die Kopftuchideologie sei reaktionär, so Riegler und Neisser, und Ausdruck der Ideologie der Ungleichheit von Mann und Frau. Sie verlangen – wie wir Grünen – einen verpflichtenden Ethikunterricht an den Schulen.
Einige Fragen hätte ich an die beiden: Gilt das Kopftuchverbot an Schulen auch für katholische Ordensschwestern? Wäre so ein Verbot nicht ein Eingriff des liberalen Staates in religiösen Fragen? Ist es nicht die Aufgabe des Staates, jede gewaltfrei ausgeübte Religion zu schützen? Ist unsere Gesellschaft wirklich dadurch gefährdet, dass muslimische Mädchen ein Kopftuch tragen?
Natürlich können (!) Kopftuch (und Schleier) Instrumente zur Machtausübung einer von Männern dominierten Gesellschaft sein.Aber müssten dann nicht auch konsequent katholische Nonnen ihre Ordenstracht ablegen? Ist es die Aufgabe des Staates, seinen Bürgerinnen vorzuschreiben, welche Werte sie zu leben haben und für welchen Lebensweg sie sich entscheiden? Ist es nicht vielmehr eine Herabwürdigung dieser Frauen, ihnen zu unterstellen, das Tragen des Kopftuchs sei erzwungen?
Die Zahl der Kopftuch tragenden Frauen nimmt zu. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer ist sicher der wachsende Einfluss fundamentalistischer Gruppen. Das ist ein Problem, das es zu bekämpfen gilt. Mit einem „Kopftuchverbot“ allerdings wird eher das Gegenteil erreicht werden: Gerade weil der Druck auf Moslems in der westlichen Welt durch terroristische Gruppierungen, die sich auf den Islam berufen, zugenommen hat, würde ein Kopftuchverbot zu einer Solidarisierung fundamentalistischer und nicht-fundamentalistischer Moslems führen. In der Türkei gab es jahrzehntelang ein „Kopftuchverbot“ – der „Erfolg“ war das Erstarken der Fundamentalisten.
Das Kopftuch ist für viele (aber natürlich nicht alle) muslimische Frauen bei uns auch ein Zeichen gestiegenen Selbstbewusstseins. Monika Zisterer von der Universität Innsbruck hat das in einer Studie festgestellt: „Die Frauen sehen den Islam als Ausweg, da sie sich weder mehr als Österreicherin, noch mehr als Türkin fühlen, sondern als österreichische Muslima mit türkischem Migrationshintergrund. Sozusagen eine dritte Identität zwischen den natio-ethnokulturellen Identitäten.“
Aufgabe des Staates kann es nur sein, seinen BürgerInnen die Wahl zu lassen, „nach welcher Façon sie selig werden möchten“ – wie es vor über 200 Jahren Friedrich II formulierte. Gerade wer für eine Trennung von Staat und Kirche eintritt, sollte gleichzeitig die Ausübung religiöser Praktiken verteidigen, solange dies gewaltfrei geschieht. Erst wenn nachgewiesen werden kann, dass das Tragen von Kopftüchern eine Zwangsmaßnahme gegen Frauen und Mädchen ist, darf und muss der Staat eingreifen.

31. Januar 2015

Weg mit dem Integrationspopulismus, Herr Kurz!

2015-05-01T07:45:09+02:0031.01.15, 12:00 |Kategorien: Integration, Parteien|Tags: , , , , |

Bildung_Kind_ChancengerechtigkeitDie Integrationsdebatte treibt in den letzten Tagen seltsame Blüten. Es gibt aber auch Positives zu berichten: Immerhin zeigen inzwischen einige auch deutlich Flagge. Wiens Bürgermeister Michael Häupl beispielsweise meinte gestern im ORF-Morgenjournal zum rechts-populistischen Vorstoß von Franz Voves (strafrechtliche Maßnahmen bei „Integrationsunwilligkeit“): „Ein Sozialdemokrat hat zu reden wie ein Sozialdemokrat und nicht wie die Pegida.“
Auch Sebastian Kurz macht wieder auf Populismus, und natürlich fehlt auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl nicht. Sie wollen die Probleme mit Strafen lösen. Schon vor drei Jahren hat Sebastian Kurz eine ähnliche Debatte ausgelöst: Ohne Zahlen nennen zu können, behauptete er, es gebe bei migrantischen Familien deutlich mehr Schulpflichtverletzungen als bei anderen. Bis heute ist Sebastian Kurz den Beweis für seine Behauptung schuldig geblieben.
Auf den im Schulbereich seit Jahrzehnten herrschenden Reformstillstand mit der Forderung nach Strafzahlungen für „Integrationsunwilligkeit“ zu reagieren ist ein Aufruf zur Steinzeitpädagogik. Und ein Schuss in den Ofen des allerbilligsten Populismus.
Im „Standard“ habe ich heute einen „Kommentar der anderen“ dazu verfasst: „Weg mit dem Integrationspopulismus
Alle Kinder in unseren Schulen müssen dem Staat gleich viel wert sein. Daher gilt für die „Grüne Schule“: „Kein Kind zurücklassen!“

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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