Aula-AffĂ€re: Justizministerium top â Rechtsschutzbeauftragter flop?
Eines ist in der AffĂ€re rund um den Aula-Artikel von Fred Duswald und die Einstellung des Verfahrens gegen ihn mitsamt der EinstellungsbegrĂŒndung festzuhalten: Dass sich das Justizministerium in Person von Sektionschef Christian Pilnacek so klar gegen den Artikel selbst aber auch gegen die EinstellungsbegrĂŒndung der Grazer Staatsanwaltschaft ausgesprochen hat, ist bemerkenswert und erfreulich: ââDiese BegrĂŒndung ist unfassbar und in sich menschenverachtendâ, sagte Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek zur APA. Die âunsĂ€gliche Diktionâ des Artikels sei damit nachtrĂ€glich gerechtfertigt worden. (…) Konsequenzen mĂŒsse es jedenfalls geben, so Pilnacek, der eine Verletzung des Vier-Augen-Prinzips vermutet. Er sprach von einer âgroben Fehlleistungâ und betonte: âDie Staatsanwaltschaft, wir alle mĂŒssen dafĂŒr sorgen, dass solche fehlgeleiteten BegrĂŒndungen nicht mehr passieren.â“ (http://science.orf.at/stories/1767147/) Ich stimme dem Sektionschef zu: Konsequenzen muss es geben. Aber dass hier nur das âVier-Augen-Prinzipâ verletzt wurde, ist zu bezweifeln.
Kaum waren die wohltuenden Worte des Sektionschefs öffentlich geworden, widersprach ausgerechnet der Justiz-Rechtsschutzbeauftragte Gottfried Strasser, dem die Aufgabe obliegt, den Ausgang von Verfahren zu bewerten und sie gegebenenfalls zu beeinspruchen, in einer fĂŒr mich unfassbaren Art und Weise: âDie BegrĂŒndung zur Verfahrenseinstellung, (…) habe er fĂŒr unbedenklich gehalten, âund ich halte sie nach wie vor fĂŒr unbedenklichâ. Dass es im KZ auch inhaftierte Rechtsbrecher gegeben habe, sei ein historisches Faktum und auch durch Aussagen in Gerichtsverfahren zu Mauthausen bestĂ€tigt. Und auch auf Erlebnisse aus seiner Kindheit, die er im Umfeld des KZ Mauthausen verbrachte, verwies er.
GroĂteils seien es zwar russische Kriegsgefangene gewesen, die nach der Befreiung des KZ Mauthausen Hilfe gesucht hĂ€tten, so Strasser. Seine GroĂmutter hĂ€tte diese immer wieder mit Suppe zu versorgen versucht, erinnerte er sich. Gleichzeitig habe es aber auch Kriminelle gegeben, die von der SS im Lager als Capos eingesetzt worden seien. Ein Mann habe seinen Vater – einen Polizisten â damals sogar mit einer Pistole bedroht.â (APA-Meldung)
Dass nun Ereignisse generell nicht vom Hörensagen zu bewerten sind, sollte ein Jurist eigentlich wissen. Oma und Opa können zweifelsfrei wertvolle ZeitzeugInnen sein. Dass deren ErzĂ€hlungen jedoch nicht reichen, um historische Ereignisse in einem gröĂeren Kontext zu sehen und einzuordnen, sollte aber ebenfalls zum Allgemeinwissen eines Juristen zĂ€hlen. Wenn es hierbei auch noch um Epochen wie jene des Nationalsozialismus und der Zeit danach geht, wo das historische GedĂ€chtnis der involvierten TĂ€tergesellschaft entweder komplett ausgelassen hat oder zu exkulpierenden Interpretationen und Sichtweisen tendierte, dann sind die Aussagen dieser ZeitzeugInnen noch kritischer zu bewerten. Es steht mir nun keineswegs zu, der GroĂmutter und dem Vater des Rechtsschutzbeauftragten irgendeine bestimmte politische Gesinnung zuzuschreiben, aber ich darf daran zweifeln, dass deren Aussagen fĂŒr die Bewertung des Aula-Artikels von gröĂerer Relevanz sein können.
Es bestreitet niemand, dass es im Mai 1945 zu Strafhandlungen wie beispielsweise zur PlĂŒnderung von Lebensmitteln seitens ehemaliger KZ-HĂ€ftlinge gekommen ist. Es ist auch zu gewalttĂ€tigen Ăbergriffen durch HĂ€ftlinge gleich nach der Befreiung noch innerhalb der KZs gekommen und zwar in erster Linie gegenĂŒber den verhassten Kapos. Aber das alles rechtfertigt nicht einmal ansatzweise Behauptungen, in denen ehemalige HĂ€ftlinge pauschal kriminalisiert und als âMassenmörderâ bezeichnet werden sowie als âHordeâ, die mit den sowjetischen Befreiern âin der Begehung schwerster Verbrechenâ gewetteifert hĂ€tte. Wenn das historische Wissen des Rechtsschutzbeauftragten nun derart fragmentarisch ist, dass er Formulierungen rechtfertigt, von denen sich alle Fachleute distanzieren, dann ist zu hinterfragen, ob er als Rechtsschutzbeauftragter imstande ist, ein Verfahren wie jenes gegen Duswald zu beurteilen. Dass er auch nichts dabei fand, als selbst die Oberstaatsanwaltschaft per Erlass ihr Befremden ĂŒber die EinstellungsbegrĂŒndung zum Ausdruck gebracht hatte, irritiert nun zusĂ€tzlich und zeigt auf dramatische Art und Weise die noch immer fehlende SensibilitĂ€t von Teilen der Justiz im Umgang mit dem Nationalsozialismus auf.
Der Rechtsschutzbeauftragte Strasser ist der einzige, der die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirken hĂ€tte könnte. Der wollte das allerdings nicht tun, zum jetzigen Zeitpunkt auch mit dem Hinweis, dass die Frist dafĂŒr verstrichen sei. Wenn der Rechtsschutzbeauftragte nicht tĂ€tig wird oder werden kann, werde ich erneut Anzeige erstatten. Das Mindeste, was ich erwarte, ist eine sachgerechte BegrĂŒndung im Falle einer neuerlichen Abweisung meiner Anzeige.