Das Elend vor unserer HaustĂŒr
Unter dem Titel âSchandfleck fĂŒr Europaâ habe ich in den âVorarlberger Nachrichtenâ einen Kommentar zum beschĂ€menden Verhalten – auch – Ăsterreichs in Sachen FlĂŒchtlingshilfe und europĂ€ischer SolidaritĂ€t verfasst.
Es gab auch schon andere Zeiten, als man im Ausland stolz sein konnte auf die internationale Rolle, die Ăsterreich gespielt hat. Tempi passati!
Hier mein Kommentar zum Nachlesen:
Vor Ăsterreichs HaustĂŒr â vor allem in Griechenland, Italien und der TĂŒrkei â gibt es eine Vielzahl an FlĂŒchtlingscamps mit katastrophalen humanitĂ€ren Bedingungen. Darf es sein, dass wir das achselzuckend einfach zur Kenntnis nehmen und zur Tagesordnung ĂŒbergehen?
Armin Laschet, MinisterprÀsident von Nordrhein-Westfalen und möglicher Kanzlerkandidat der CDU, tut das nicht. Er ist einer von wenigen europÀischen Spitzenpolitikern, die sich vor Ort informiert haben. Letzte Woche war er im Lager Moria auf Lesbos.
Hölle von Moria
Moria wurde im Jahr 2015 auf einer frĂŒheren MilitĂ€ranlage errichtet und ist fĂŒr 3.000 FlĂŒchtlinge ausgelegt. Derzeit ist es mit etwa 20.000 Menschen â 8.000 davon Kinder â völlig ĂŒberfĂŒllt und das mit Abstand gröĂte Camp in Europa. âArteâ berichtete ĂŒber die erbĂ€rmlichen hygienischen ZustĂ€nde im Lager. Zu sehen waren Menschen, die Schreckliches erlebt haben und jetzt auf dem gelobten Kontinent Europa zwischen Ratten und MĂŒllbergen dahinvegetieren mĂŒssen.
Laschet besuchte â ohne groĂen Tross â auch das âDschungelâ genannte Satellitencamp um das eigentliche Lager Moria. Dort sind fast 3.000 Menschen in Containern untergebracht. Lebensmittel sind knapp, die Situation insgesamt hochexplosiv, denn die Menschen sind verzweifelt. Ohne die nichtstaatlichen Hilfsorganisationen â so das offizielle ResĂŒmee dieser Reise â âwĂŒrde die Versorgung der Menschen zusammenbrechenâ. Moria ist ein Schandfleck fĂŒr Europa.
Ein Vertreter von âĂrzte ohne Grenzenâ schilderte die dramatische Situation: âHier wachsen Kinder heran, die die Welt nur durch Lagergitter kennenlernen.â Viele Menschen seien traumatisiert, suchten Schutz und Hilfe in Europa und landeten schlieĂlich in einem Albtraum.
Wer versagt?
Der Besuch Laschets musste wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen werden. AnschlieĂend sprach der CDU-Politiker von âerbĂ€rmlichen ZustĂ€ndenâ und einem âAufschrei der Verzweifeltenâ. Ihm ist groĂer Respekt zu zollen, denn zusĂ€tzliche WĂ€hlerinnen und WĂ€hler hat ein Politiker beim Einsatz fĂŒr FlĂŒchtlinge â leider â nicht zu erwarten. Gefordert wurde rasches Handeln der EU.
Die EU aber ist meist nur so handlungsstark, wie es die Mitgliedsstaaten zulassen. Und es sind beileibe nicht nur Ungarn und Polen, die meistens ein humanitĂ€res Vorgehen verhindern. Auch Ăsterreich spielt nicht selten eine unrĂŒhmliche Rolle â man denke an die Weigerung, unbegleitete FlĂŒchtlingskinder aufzunehmen oder die blamable Meldung, man spende nach der gewaltigen Katastrophe vom Freitag dem Libanon eine Million Euro. Eine (!) Million â die Schamesröte steigt einem ins Gesicht.
Im September will die EU-Kommission neue VorschlĂ€ge zur Lösung des FlĂŒchtlingsproblems vorlegen. Es stĂŒnde Ăsterreich gut an, sich in diesem Bereich wie einst Bundeskanzler Bruno Kreisky als humanitĂ€re Speerspitze zu verstehen.