10. August 2020

Das Elend vor unserer HaustĂŒr

2020-08-10T08:56:05+02:0010.08.20, 8:52 |Kategorien: Allgemein, Gesellschaft, Menschenrechte|Tags: , |

Unter dem Titel „Schandfleck fĂŒr Europa“ habe ich in den „Vorarlberger Nachrichten“ einen Kommentar zum beschĂ€menden Verhalten – auch – Österreichs in Sachen FlĂŒchtlingshilfe und europĂ€ischer SolidaritĂ€t verfasst.

Es gab auch schon andere Zeiten, als man im Ausland stolz sein konnte auf die internationale Rolle, die Österreich gespielt hat. Tempi passati!

Hier mein Kommentar zum Nachlesen:

Vor Österreichs HaustĂŒr – vor allem in Griechenland, Italien und der TĂŒrkei – gibt es eine Vielzahl an FlĂŒchtlingscamps mit katastrophalen humanitĂ€ren Bedingungen. Darf es sein, dass wir das achselzuckend einfach zur Kenntnis nehmen und zur Tagesordnung ĂŒbergehen?

Armin Laschet, MinisterprÀsident von Nordrhein-Westfalen und möglicher Kanzlerkandidat der CDU, tut das nicht. Er ist einer von wenigen europÀischen Spitzenpolitikern, die sich vor Ort informiert haben. Letzte Woche war er im Lager Moria auf Lesbos.

Hölle von Moria

Moria wurde im Jahr 2015 auf einer frĂŒheren MilitĂ€ranlage errichtet und ist fĂŒr 3.000 FlĂŒchtlinge ausgelegt. Derzeit ist es mit etwa 20.000 Menschen – 8.000 davon Kinder – völlig ĂŒberfĂŒllt und das mit Abstand grĂ¶ĂŸte Camp in Europa. „Arte“ berichtete ĂŒber die erbĂ€rmlichen hygienischen ZustĂ€nde im Lager. Zu sehen waren Menschen, die Schreckliches erlebt haben und jetzt auf dem gelobten Kontinent Europa zwischen Ratten und MĂŒllbergen dahinvegetieren mĂŒssen.

Laschet besuchte – ohne großen Tross – auch das „Dschungel“ genannte Satellitencamp um das eigentliche Lager Moria. Dort sind fast 3.000 Menschen in Containern untergebracht. Lebensmittel sind knapp, die Situation insgesamt hochexplosiv, denn die Menschen sind verzweifelt. Ohne die nichtstaatlichen Hilfsorganisationen – so das offizielle ResĂŒmee dieser Reise – „wĂŒrde die Versorgung der Menschen zusammenbrechen“. Moria ist ein Schandfleck fĂŒr Europa.

Ein Vertreter von „Ärzte ohne Grenzen“ schilderte die dramatische Situation: „Hier wachsen Kinder heran, die die Welt nur durch Lagergitter kennenlernen.“ Viele Menschen seien traumatisiert, suchten Schutz und Hilfe in Europa und landeten schließlich in einem Albtraum.

Wer versagt?

Der Besuch Laschets musste wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen werden. Anschließend sprach der CDU-Politiker von „erbĂ€rmlichen ZustĂ€nden“ und einem „Aufschrei der Verzweifelten“. Ihm ist großer Respekt zu zollen, denn zusĂ€tzliche WĂ€hlerinnen und WĂ€hler hat ein Politiker beim Einsatz fĂŒr FlĂŒchtlinge – leider – nicht zu erwarten. Gefordert wurde rasches Handeln der EU.

Die EU aber ist meist nur so handlungsstark, wie es die Mitgliedsstaaten zulassen. Und es sind beileibe nicht nur Ungarn und Polen, die meistens ein humanitĂ€res Vorgehen verhindern. Auch Österreich spielt nicht selten eine unrĂŒhmliche Rolle – man denke an die Weigerung, unbegleitete FlĂŒchtlingskinder aufzunehmen oder die blamable Meldung, man spende nach der gewaltigen Katastrophe vom Freitag dem Libanon eine Million Euro. Eine (!) Million – die Schamesröte steigt einem ins Gesicht.

Im September will die EU-Kommission neue VorschlĂ€ge zur Lösung des FlĂŒchtlingsproblems vorlegen. Es stĂŒnde Österreich gut an, sich in diesem Bereich wie einst Bundeskanzler Bruno Kreisky als humanitĂ€re Speerspitze zu verstehen.

27. Juli 2020

Corona offenbart „moderne Sklaverei“

2020-07-27T19:43:34+02:0027.07.20, 19:43 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Gesellschaft|Tags: , , |

In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich unter dem Titel „Moderne Sklaverei“ darauf hingewiesen, dass die derzeitige Pandemie schreckliche ZustĂ€nde auf dem heimischen Arbeitsmarkt deutlich gemacht hat. Es gibt massiven Handlungsbedarf!

Da der Kommentar nur mit Bezahlschranke lesbar ist, hier zum Nachlesen:

„Moderne Sklaverei“

Die Coronakrise hat nicht nur in Deutschland und Österreich erschreckende GeschĂ€ftspraktiken offengelegt.

Stundenlöhne von vier Euro in österreichischen landwirtschaftlichen Betrieben, desolate Quartiere fĂŒr die vornehmlich in Osteuropa angeworbenen ArbeitskrĂ€fte, Arbeitszeiten bis zu 14 Stunden – und das in der Erntezeit nicht selten sieben Tage in der Woche. All diese Fakten sind von den Medien aufgegriffen worden. Sie erinnern an die Zeiten des unkontrollierten und menschenfeindlichen Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts.

Unzumutbare Bedingungen

Die unertrĂ€glichen Bedingungen sind nicht auf die Landwirtschaft beschrĂ€nkt. In Deutschland wurden allein beim Fleischverarbeiter Tönnies ĂŒber 1500 der 6500 ArbeitskrĂ€fte mit dem Virus infiziert. Die MĂ€nner und Frauen stammen grĂ¶ĂŸtenteils aus Polen und RumĂ€nien. Der Hausmeister eines der Tönnies-Wohnsilos meinte zu den Lebensbedingungen: „Die schlafen im Drei-Schicht-Betrieb mit bis zu zehn Mann in einer Drei-Zimmer-Wohnung.“ Die horrende Miete betrĂ€gt zwischen 250 und 300 Euro fĂŒr das Bett.

Tönnies musste fĂŒr gut einen Monat geschlossen werden. Vergangenes Wochenende – kurz nach Wiedereröffnung – wurden erneut 30 Mitarbeiter positiv getestet. Solange sich an den WohnverhĂ€ltnissen nichts Ă€ndert und an den Arbeitsbedingungen nur wenig, wird sich das Ansteckungsrisiko nicht vermeiden lassen.

Von der Unzumutbarkeit solcher Lebensbedingungen ganz zu schweigen. Der katholische Pfarrer einer betroffenen Gemeinde bezeichnete die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen als „moderne Sklaverei“.

Corona-Cluster

Österreich ist keineswegs eine „Insel der Seligen“. Vorarlberg auch nicht. Die in der letzten Woche bekannt gewordenen Corona-Cluster in Oberösterreich, Wien und im LĂ€ndle sind meist nicht zufĂ€llig UnterkĂŒnfte von LeiharbeitskrĂ€ften, Schlachtbetriebe oder andere Einrichtungen, in denen schlecht bezahlte Menschen unter unwĂŒrdigen Bedingungen arbeiten oder wohnen.

In Zeiten der Pandemie sind das wahre Virenschleudern und die Skandale rĂŒcken ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Endlich diskutieren wir darĂŒber, ob wir bei uns solche Arbeitsbedingungen und WohnverhĂ€ltnisse wie jene der Bauarbeiterunterkunft in Frastanz wirklich dulden dĂŒrfen oder ob die Behörden nicht frĂŒher kontrollieren sollten und gegebenenfalls hĂ€rtere Strafen notwendig sind.

Die Gewerkschaften fordern richtigerweise gleichen Lohn fĂŒr gleiche Arbeit am gleichen Ort. Nur so kann verhindert werden, dass sich der mitten in der EU entstandene menschenunwĂŒrdige Arbeitsmarkt weiter etabliert und zudem als Brandbeschleuniger fĂŒr die aktuelle Pandemie und andere Seuchen wirkt.

Wir leben im Jahr 2020 und nicht mehr im 19. Jahrhundert!

29. Juni 2020

Unbarmherzig!

2020-06-29T09:58:59+02:0029.06.20, 9:47 |Kategorien: Gesellschaft, Menschenrechte|Tags: |

In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich unter dem Titel „Eine Schande!“ die österreichische FlĂŒchtlingspolitik am Beispiel des Umgangs mit Kindern aus griechischen Lagern thematisiert. Falls der Link nicht funktioniert, hier zum Nachlesen:

Es gibt sie, die guten Nachrichten: Die Umsiedlung minderjĂ€hriger FlĂŒchtlinge aus den griechischen Lagern wird fortgesetzt. Die Schweiz wird 29 Jugendliche aufnehmen. Portugal gewĂ€hrt 25 Kindern Schutz und verspricht, insgesamt 500 weitere ins Land zu lassen. Auch Finnland beteiligt sich an der Aktion. Einige LĂ€nder hatten schon im Mai FlĂŒchtlingskinder aufgenommen. Darunter auch die Schweiz, wo damals 23 Buben und fĂŒnf MĂ€dchen im Alter zwischen zehn und 17 Jahren Hilfe fanden.

All das geht auf einen Plan der EU zurĂŒck. Demnach sollen rund 1600 jugendliche FlĂŒchtlinge aus Griechenland in andere EU-Staaten gebracht werden. Sogar Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz oder Großbritannien zeigen sich solidarisch.

Und Österreich? Die Regierung hat eine Beteiligung an der Umsiedlung strikt ausgeschlossen. Was ist mit der vielbeschworenen SolidaritĂ€t? Was ist mit Empathie fĂŒr Kinder in Not? Was ist mit Hilfe fĂŒr die SchwĂ€chsten?

Vorbild Schweiz

Die Caritas erinnert daran, dass die Lager auf den Inseln Leros, Chios, Kos, Lesbos und Samos restlos ĂŒberfĂŒllt sind und die FlĂŒchtlinge unter menschenunwĂŒrdigen, katastrophalen Bedingungen ausharren mĂŒssen. Besonders betroffen sind natĂŒrlich Kinder – zumal, wenn sie ihre Eltern verloren haben und auf sich allein gestellt sind.

Die bĂŒrgerlich-liberale „Neue ZĂŒrcher Zeitung“ kritisiert die FlĂŒchtlingspolitik des eigenen Landes. Nicht etwa, weil die Schweiz FlĂŒchtlinge aufnimmt, sondern weil es zu wenige sind. Es handle sich nur um einen „symbolische Akt“. In einem Kommentar des Blattes war am Wochenende zu lesen: „Die Schweiz sollte mehr FlĂŒchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen. Dieser Appell ist lĂ€ngst kein linkes Minderheitsanliegen mehr.“

Österreich kann sich nicht einmal zu einem symbolischen Akt durchringen. Sebastian Kurz gefĂ€llt sich in der Rolle des Hardliners, der GrĂŒne Regierungspartner nimmt das achselzuckend zur Kenntnis.

In den griechischen FlĂŒchtlingslagern befinden sich derzeit laut SchĂ€tzungen rund 4000 Kinder und Jugendliche, die auf sich allein gestellt sind. Und Österreich soll nicht in der Lage sein, ein paar Duzend von ihnen aufzunehmen? Jenes Österreich, das sich ansonsten gerne auf seine humanitĂ€re Tradition beruft?

Aus der Geschichte lernen

Die derzeitige Haltung Österreichs ist eine Schande fĂŒr unser Land. Dabei wĂ€re ein Blick in die eigene Geschichte hilfreich.

Am Wiener Westbahnhof steht das Denkmal „FĂŒr das Kind“. Die Inschrift lautet: „Gewidmet dem britischen Volk in tiefster Dankbarkeit. Sie haben die Leben von 10 000 jĂŒdischen und nicht-jĂŒdischen Kindern gerettet, die zwischen 1930 und 1939 vor der Verfolgung der Nazis nach Großbritannien fliehen konnten.“

Der Begriff „Denkmal“ kommt von „denken“. Vielleicht sollte auch unsere Regierung das Denkmal am Westbahnhof besuchen und nachdenken.

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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