7. September 2020

Die Zivilgesellschaft ist gefordert!

2020-09-07T11:59:06+02:0007.09.20, 11:52 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft|Tags: , , , |

Man erschrickt ĂŒber die Vielzahl antisemitischer, rassistischer und neonazistischer VorfĂ€lle in Österreich. Die Medien sind voll davon. „Auf der Plattform „Stoppt die Rechten“ kann man das fast im Tagesrhythmus nachlesen.

In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich unter dem Titel „Auf dem Weg nach rechts?“ dazu Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen ohne Bezahlschranke:

Die antisemitischen, neonazistischen und rassistischen VorfÀlle der letzten Tage erschrecken.

In Graz attackierte ein syrischer FlĂŒchtling den PrĂ€sidenten der jĂŒdischen Gemeinde mit einem HolzknĂŒppel. In KĂ€rnten wurde bekannt, dass bei einem FPÖ-Gemeinderat Hakenkreuzfahnen, NS-Orden und Puppen in Nazi-Uniform gefunden wurden. Und in Telfs forderte eine ÖVP-Mandatarin die Entlassung eines Gemeinde-Mitarbeiters, weil er nicht aus dem Ort stamme. Titel des Antrags: „Telfer Blut“.

Wie reagieren Gesellschaft und Politik? In Telfs haben sich immerhin mehrere ÖVP-Vertreter „auf das AllerschĂ€rfste von solch einer Diktion“ distanziert. In Graz wurde noch in der Nacht des Anschlags vom zustĂ€ndigen Bezirksvorsteher eine Mahnwache vor der Synagoge organisiert, an der auch Vertreter des islamischen Kulturzentrums teilnahmen.

Judenhass nur importiert?

Hinterfragbar sind Stellungnahmen aus der „hohen Politik“. FPÖ-GeneralsekretĂ€r Herbert Kickl forderte, dass man „insbesondere dem aus muslimischen LĂ€ndern importierten Judenhass mit aller HĂ€rte“ begegnen mĂŒsse. Muss man! Aber auch dem „hauseigenen“. Von einer Forderung nach „HĂ€rte“ gegen seinen KĂ€rntner Parteifreund war nichts zu hören.

Das verwundert nicht. Immerhin hat Kickl als Innenminister jemanden zu seinem Kommunikationschef gemacht, der zuvor Chefredakteur einer Plattform war, die laut Verfassungsschutz „antisemitische Tendenzen“ und Fremdenfeindlichkeit aufwies. Zudem vergisst Kickl, dass laut Antisemitismus-Bericht 83 Prozent der erfassten antisemitischen VorfĂ€lle rechtsextremen Hintergrund hatten.

Die islamische Judenfeindlichkeit nimmt zu. Wir haben aber auch ein Problem mit Islamfeindlichkeit, mit Empathielosigkeit gegenĂŒber FlĂŒchtlingen, mit christlichem Antisemitismus und dem rassistischen deutschnationaler Provenienz.

Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer bezeichnet das als Entwicklung zu einer „rohen BĂŒrgerlichkeit“, die zunehmend auch die „besseren Kreise“ erfasse.

Funktioniert der Staat?

Umso wichtiger ist in so einer Situation, dass staatliche Einrichtungen funktionieren. Dass in KĂ€rnten das Verfahren gegen den FPÖ-Gemeinderat bereits eingestellt wurde, fördert das Vertrauen nicht. Die KĂ€rntner Staatsanwaltschaft meinte, es sei nicht sicher, dass die „Nazi-Ausstellung“ auch anderen Personen zugĂ€nglich war.

Gegen Tristan Ammerer hingegen, den Organisator der Mahnwache in Graz, wurde vom Wachzimmer Karlauerstraße ein Verfahren eingeleitet. Übrigens stehen zwei Grazer Beamte nĂ€chste Woche wegen Verdachts auf WiederbetĂ€tigung vor Gericht, weil sie in den letzten Jahren unzĂ€hlige neonazistische und antisemitische Hassbotschaften verschickt hĂ€tten. In der ersten Verhandlung meinte einer, solche Botschaften seien â€žĂŒblich im Polizeidienst“. Sein Arbeitsplatz: Karlauerstraße.

11. November 2019

Kellernazis

2019-11-11T14:05:51+01:0011.11.19, 13:59 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , |

FPÖ-Parteiobmann Norbert Hofer ist noch immer nicht in der Lage, den vorlĂ€ufig letzten der vielen rechtsextremen AusfĂ€lle in seiner Partei klar zu verurteilen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich in einem Gastkommentar zum Zustand der FPÖ Stellung bezogen. Eindeutiger Titel: „Kellernazis“.

In Deutschland beklagen alle demokratischen Parteien die rechtsextremen und antisemitischen AusfĂ€lle der AfD und schließen Koalitionen mit ihr aus. In Österreich haben wir uns an solche AusfĂ€lle leider schon fast gewöhnt.

Das letzte Beispiel lieferte der FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Zanger. In einem Liederbuch seiner Burschenschaft „Pennales Corps Austria zu Knittelfeld“ waren unter anderem folgende Textstellen zu lesen: „PolenmĂ€dchen sind verboten, Judenschicksen sind tabu, eine Stute zu besteigen, lĂ€sst der VeterinĂ€r nicht zu.“ Mit wohl leider typisch burschenschaftlichem „Humor“ wird mit zweifelhafter Rechtsschreibung von „Hackenkreuzen (sic) auf den Eiern“ geschrieben und ĂŒber „gefickte JudenmĂ€dchen“ gesungen.

Zanger schafft es in ersten Reaktionen nicht, sich von diesen Inhalten zu distanzieren. Nach einem wahren Shitstorm relativierte er dann die antisemitischen SchmĂ€hungen als Kapitalismus-Kritik. Es ist der gefĂŒhlte „Einzelfall“ 987. Dass solche LiederbĂŒcher nicht nur bei Burschenschaftern in Verwendung sind, sondern fallweise sogar in CV-Verbindungen, sei da nur am Rande erwĂ€hnt.

Keine Aufarbeitung

Das ist widerlicher Antisemitismus und Rassismus und eine abstoßende HerabwĂŒrdigung von Menschen. Zanger sieht keinen Grund fĂŒr einen RĂŒcktritt und erhielt die UnterstĂŒtzung seines Parteichefs Norbert Hofer – eben erst unter anderem von ÖVP und SPÖ zum Dritten NationalratsprĂ€sidenten gewĂ€hlt.

Nach der ersten „Liederbuch-AffĂ€re“ vor zwei Jahren hat der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Aufarbeitung der Geschichte des „dritten Lagers“ durch eine Historikerkommission versprochen. Die Kommission wurde dann auch wirklich gebildet. Mitglieder waren allerdings keine renommierten Historiker, sondern hauptsĂ€chlich FPÖ-FunktionĂ€re, und die Burschenschaften verweigerten von Vorneherein die Öffnung ihrer Archive.

Die PrĂ€sentation des Schlussberichts wurde fĂŒr Oktober 2018 versprochen und dann mehrmals verschoben. Er fehlt bis heute.

Die „Ehemaligen“

DafĂŒr gibt es aber ein neues Buch der Wiener Historikerin Margit Reiter: „Die Ehemaligen“. Sie macht darin klar, dass die FPÖ nicht nur – wie ÖVP und SPÖ – „braune Flecken“ hat, sondern aus dem braunen Nachkriegsmilieu heraus entstanden ist und sich bislang nicht aus diesem Sumpf befreien konnte – trotz einiger zaghafter Versuche.

Dem wĂ€re eigentlich nur hinzuzufĂŒgen, dass so eine Partei in unserem Staat keine Verantwortung tragen darf. Es ist zudem daran zu erinnern, dass schon der ehemalige FPÖ-Parteiobmann Norbert Steger fĂŒr eigene Parteimitglieder schon im Jahr 1990 den wenig schmeichelhaften Begriff „Kellernazis“ kreiert hat.

Inzwischen sind nicht wenige von ihnen aus dem Keller ans Tageslicht gekrochen.

20. Januar 2018

„schleichts eich noch israel“ – wie Johann Gudenus zĂŒndelt

2018-05-21T10:27:53+02:0020.01.18, 10:25 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus, Gesellschaft|Tags: , , |

Wer am 19. JĂ€nner einen Blick auf die Facebook-Seite von Johann Gudenus, Klubobmann der FPÖ im Nationalrat, warf, musste sich die Augen reiben. Auf ein Posting, mit dem ohne Begleittext der Artikel von „Die Presse“ „Israelitische Kultusgemeinde boykottiert FPÖ“ verlinkt wurde, reagierten unzĂ€hlige Personen mit antisemitischen Kommentaren, die zum Zeitpunkt meiner Sichtung bereits bis zu zehn Stunden online waren. Am Abend twitterte der ZiB-Redakteur Robert Zikmund: „Diese Kommentare stehen seit Stunden beim Gudenus auf Facebook. Gemeint ist mit ‚denen‘ die österreichischen Juden. Zum GlĂŒck ist Antisemitismus aber nur ein rein muslimisches Problem hier!“ Irgendwann danach verschwand das Posting samt Kommentare von Gudenus‘ Facebook-Pinwand.

Gudenus zĂŒndelt absichtlich, denn selbstverstĂ€ndlich weiß er, welche Reaktionen durch sein „Publikum“ folgen wĂŒrden. 170 Kommentare wurden verfasst, davon waren 143 sichtbar, der Rest wurde durch die Seitenmoderation verborgen. Das heißt, sie waren nur noch fĂŒr die VerfasserInnen und deren „Freunde“ sichtbar. Was dort drinnen gestanden ist, können wir nur vermuten.

Vor einigen Tagen war die StaatssekretĂ€rin im Innenministerium, Karoline Edtstadler, zum Antrittsbesuch bei Oskar Deutsch, dem PrĂ€sidenten der Israelitischen Kultusgemeinde. Via Presseaussendung ließ sie danach verlautbaren, sie wolle als BrĂŒckenbauerin fungieren und „dass die ‚Bundesregierung entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus ankĂ€mpfen wird. Wir sind uns unserer historischen Verantwortung bewusst‘, sagte Edtstadler.“ Sie hat nun einiges zu tun. Vorknöpfen sollte sie sich gleich Mitglieder ihres Koalitionspartners. Den WiederholungstĂ€ter Gudenus aus dem Amt zu jagen, wĂ€re ein guter Beginn.

Screenshots aller sichtbaren Kommentare (19.1.2018)

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr


Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


Zur Seite des Parlaments


Downloads