20. November 2024

Ergibt das Bundesheer noch Sinn?

2024-11-20T14:56:31+01:0020.11.24, 14:56 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , , , , |

Unser Sicherheitssystem muss hinterfragt und erneuert werden, denn die GefĂ€hrdungslage hat sich in den letzten Jahren massiv verĂ€ndert. Unter dem Titel „Wehrsystem ‚megasinnlos‘?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Ist unser Wehrsystem wirklich „megasinnlos“? Das jedenfalls behauptet Hubertus Trauttenberg, General im Ruhestand und ehemaliger Adjutant von BundesprĂ€sident Thomas Klestil. Bei der Abstimmung zur Abschaffung der Wehrpflicht meinte er, die jĂ€hrliche Ausbildung von etwa 25.000 Wehrpflichtigen sei eine teure Ressourcenverschwendung, weil das erworbene Wissen der Rekruten nach ihrem Dienst „in den militĂ€rischen AbfallkĂŒbel“ komme.

Angesichts der verĂ€nderten Weltlage ist es zudem hoch an der Zeit, grundsĂ€tzlich ĂŒber sicherheitspolitische Herausforderungen zu diskutieren. Und die zentralen Fragestellungen sind schnell aufgezĂ€hlt: Welche Bedrohungsszenarien gibt es ĂŒberhaupt? Und wie kann ein kleines und neutrales Land darauf reagieren?

Trauttenberg ist BefĂŒrworter einer „Freiwilligenarmee“, die aus einem schmalen Kader an Berufssoldaten sowie aus freiwilligen Zeitsoldaten bestehen soll. Letztere sollten sich fĂŒr mehrere Jahre verpflichten, in dieser Zeit auch eine weitere Berufsausbildung erhalten und danach auf den Arbeitsmarkt zurĂŒckkehren.

Die BefĂŒrchtung, dass durch den Wegfall von Wehrpflicht und Zivildienst sowohl der Katastrophenschutz als auch das Rettungswesen ins Wanken geraten könnten, wird von den ReformbefĂŒrwortern nicht geteilt. Sie verweisen darauf, dass bei Überschwemmungen oder anderen Naturereignissen Hilfe in erster Linie von den örtlichen Feuerwehren kommt. Dort gebe es Spezialisten und die entsprechenden GerĂ€te, wĂ€hrend Wehrpflichtige kaum ĂŒber eine angemessene Ausbildung verfĂŒgen. Bei etwa 15.000 entsprechend ausgebildeten und trainierten Profisoldatinnen und – soldaten hingegen sei im Katastrophenfall professionelle UnterstĂŒtzung gewĂ€hrleistet. FĂŒr Rettungsdienste und andere Organisationen wird ein „Freiwilligenjahr“ angedacht.

Mehr QualitĂ€t erwarten sich die ReformbefĂŒrworter zudem im Kampf gegen die immer massiveren und kĂŒnftig wohl zunehmenden Cyberangriffe. Hier braucht es im Bundesheer hochqualifizierte FachkrĂ€fte und eine ĂŒber das jetzige Ausmaß hinausgehende Schwerpunktsetzung.

Und auch das „heiße Eisen“ NeutralitĂ€t muss angefasst werden – und zwar unter BerĂŒcksichtigung aller Aspekte und ohne vorschnelle Beitrittsbekundungen zur NATO wie in Finnland oder Schweden. Schließlich kann der Beitrag eines neutralen Landes zur europĂ€ischen Sicherheit durchaus auch in einem nichtmilitĂ€rischen Bereich liegen.

FĂŒr Ho-Ruck-Aktionen bei der Umgestaltung unseres Verteidigungssystems eignet sich die Thematik jedenfalls nicht. Eine alle Aspekte berĂŒcksichtigende sachlich gefĂŒhrte Diskussion hingegen ist ebenso notwendig wie ĂŒberfĂ€llig und sollte von der neuen Regierung initiiert werden – unter Einbeziehung aller KrĂ€fte aus Politik, Blaulicht-Organisationen und der Zivilgesellschaft. Dazu braucht es von allen die Bereitschaft, alte ideologische Trampelpfade zu verlassen!

11. April 2022

Österreichs „Moraldefizit“

2022-04-11T08:06:38+02:0011.04.22, 8:06 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , , |

Es ist oft nur noch peinlich, wenn sich Österreich außenpolitisch zu Wort meldet oder etwa ohne GefĂ€hrdungsanalyse eine milliardenschwere AufrĂŒstuing des Bundesheeres ankĂŒndigt, es in Sachen Konsequenz fĂŒr die Ukraine-Hilfe aber bei warmen Worten belĂ€sst. Unter dem Titel „Moraldefizit“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Wer Österreichs Haltung zum verbrecherischen Ukraine-Krieg beschreiben will, landet schnell bei Bertolt Brecht und der „Dreigroschenoper“: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Das „Fressen“ sind derzeit jene Gasimporte aus Russland, von denen Österreichs Wirtschaft dank einer seit Jahrzehnten verfehlten Energiepolitik abhĂ€ngig ist.

Aber soll sich Österreich aus moralischen GrĂŒnden durch einen Importstopp wirklich ins eigene Knie schießen? Ganz so schlimm wĂ€re es nicht, meinte am Freitag im ORF Walter Boltz, der ehemalige Chef der Regulierungsbehörde E-Control: Ein Importstopp fĂŒr russisches Gas sei „schwierig, aber bewĂ€ltigbar“.

In einer heute veröffentlichten gemeinsamen ErklĂ€rung von 31 Organisationen wird Österreich scharf kritisiert. Es ist natĂŒrlich leicht, von einem moralischen Standpunkt aus jene zu kritisieren, die in der Verantwortung stehen und das Wohl des Staatsganzen im Auge behalten mĂŒssen. Die Kritik trifft aber wunde Punkte der heimischen Politik.

AufrĂŒstung ohne Plan?

Wie kann beispielsweise eine Verteidigungsministerin zehn zusĂ€tzliche Milliarden fĂŒr das Bundesheer fordern, ohne auch nur ansatzweise erklĂ€ren zu können, wie das Geld eingesetzt werden soll, um die Sicherheit Österreichs zu erhöhen? NatĂŒrlich muss ĂŒber die desaströse Situation des Bundesheeres diskutiert werden. NatĂŒrlich muss der Staat auch bereit sein, dafĂŒr Geld in die Hand zu nehmen. Aber dem muss zuallererst eine Analyse der GefĂ€hrdungslage und der sich daraus ergebenden notwendigen Reformen und Investitionen vorausgehen − Stichworte Cybersicherheit, Drohnenabwehr, internationale Einbindung und NeutralitĂ€t etc.

Klimakrise und Krieg

Und auch das gilt es zu bedenken: Die 31 Organisationen warnen vor einer AufrĂŒstung, die zu weiteren kriegerischen Eskalationen fĂŒhren kann und gleichzeitig die dramatische Klimakrise verschĂ€rft und beschleunigt. Gefordert wird daher unter anderem auch das, was seit Jahren auf der Agenda verantwortungsbewusster und enkeltauglicher Politik stehen sollte: schneller Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und eine globale Agrar- und ErnĂ€hrungswende. Das alles hĂ€ngt eng zusammen.

Es ist moralisch nicht zu verantworten, wertvolle Agrarprodukte als Tierfutter oder fĂŒr Agrartreibstoffe zu verwenden. Und in Sachen Klima- und ErnĂ€hrungspolitik muss sofort gehandelt werden und nicht irgendwann. Doch den Menschen in der Ukraine hilft das nicht. Derzeit ĂŒberweist die EU fĂŒr Öl und Gas tĂ€glich eine Milliarde Euro an Putin, der mit diesem Geld seinen Krieg finanziert.

Wer es also ehrlich meint mit der Hilfe fĂŒr die Ukraine, darf nicht ohne jeden Plan Milliarden in das Bundesheer pumpen, um die Menschen hierzulande zu beruhigen, sondern muss die Finanzierung des russischen Angriffskrieges beenden. „Falter“-Herausgeber Armin Thurnher spricht in Bezug auf die österreichische Haltung zum Ukraine-Krieg daher von einem „Moraldefizit“. Dem ist nichts hinzuzufĂŒgen.

20. Oktober 2016

Doskozil plant Remilitarisierung des öffentlichen Raumes

2016-10-20T19:16:52+02:0020.10.16, 8:23 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , , , , |

bundesheerdenkmal_anfrageDer Plan hat’s in sich! Das Verteidigungsministerium schwimmt derzeit bekanntlich im Geld, und da können dem Minister schon auch absonderliche Ideen kommen: WĂ€hrend rundherum der GĂŒrtel in den diversen Ressorts enger geschnallt wird, die Mindestsicherung gekĂŒrzt werden soll, im Bildungsbereich gespart werden muss (Teamteaching, KlassenschĂŒlerzahlen), gibt es beim Bundesheer locker mal 1,06 Millionen Euro fĂŒr die Remilitarisierung des öffentlichen Raums. Am Heldenplatz soll wohl als GegenstĂŒck zum „Deserteursdenkmal“ am Ballhausplatz ein Bundesheer-Denkmal am Äußeren Burgtor errichtet werden. Vorgesehen ist es fĂŒr Gefallene des Bundesheers in der Zweiten Republik und gleich auch vorsorglich fĂŒr jene in der Zukunft.

Über die zweifelhafte Erinnerungskultur der Republik im Allgemeinen und des Bundesheeres im Besonderen habe ich im Parlament und auf diesem Blog schon mehrfach hingewiesen („Krypta am Heldenplatz: Republik pfeift auf historische Chance!“). Jetzt muss ich es mit einer Parlamentarischen Anfrage erneut machen.

Geld spielt keine Rolle, wie dem Protokoll einer Generalstabsbesprechung zu entnehmen ist, denn dort wird beim Finanzbedarf angemerkt, die Budgetierung mit ĂŒber einer Million Euro sei „exklusive Reserve“. Unsereins sieht das und wundert sich, „was alles möglich ist“, wenn der Herr Bundesminister eine Weisung gibt, um die Militarisierung wieder voll im Gange zu bringen.

  1. Sowohl Inhalt als auch Standort des von Doskozil per Weisung gewĂŒnschten Denkmals sind bemerkenswert: „Der militĂ€rische Charakter des Denkmals, in dessen konkreter oder abstrakter AusfĂŒhrung, soll fĂŒr den auch nicht kunstaffinen Betrachter die eindeutige VerknĂŒpfung zum MilitĂ€r schaffen“ – das ist nicht nachvollziehbar. Sind wir wieder so weit, um martialische Symbole in öffentlichen RĂ€umen zu errichten?
  2. Ich kann auch nicht nachvollziehen, was mit der oben schon angedeuteten Formulierung „sondern es muss auch fĂŒr kĂŒnftig Gefallene ‚offen‘ stehen“ bezweckt wird. Wie bekannt, bezieht sich der Begriff „Gefallener“ auf den Todesfall im (kriegerischen) Kampf. Hat Österreich respektive Doskozil diesbezĂŒgliche PlĂ€ne?

Doskozil will – wie Peter Pilz aufgedeckt hat – als „zweiter Innenminister“ das Bundesheer fĂŒr kĂŒnftige „robuste EinsĂ€tze“ im Inneren (!) aufrĂŒsten und eine Art „Schwere Polizei“ schaffen. Bemerkenswert fĂŒr einen Sozialdemokraten, dem das Jahr 1934 offensichtlich nicht mehr im GedĂ€chtnis ist. Das Denkmal fĂŒr allfĂ€llige „Gefallene“ stĂŒnde dann ja schon mal am „Heldenplatz“ – ĂŒbrigens ganz in der Tradition des gesamten Komplexes: Das Äußere Burgtor wurde In Erinnerung an die blutige Völkerschlacht zu Leipzig errichtet und erhielt wĂ€hrend des Ersten Weltkriegs die Bedeutung eines Heldendenkmals. Im Austrofaschismus wurde der Heldenmythos dann mit der Einrichtung von GedenkstĂ€tten im Inneren des Tors verstĂ€rkt. Eigentlich sollte mit der unter Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos angeordneten Umgestaltung des Heldendenkmals ein Kontrapunkt zur kritiklosen Heldenverehrung in der Form eines Lernraumes entstehen. Davon ist nun nicht mehr die Rede, dafĂŒr aber von einer Remilitarisierung des öffentlichen Raums.

Fazit: Wenn es plötzlich Geld regnet im Wiederbewaffnungsministerium, scheint dessen Chef omnipotente Phantasien zu kriegen. Dem sollte vehement Einhalt geboten werden.

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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