28. September 2015

Das Duell um Wien wird abgesagt!

2015-09-29T21:18:37+02:0028.09.15, 18:37 |Kategorien: Parteien, Wahlkampf|Tags: , , |

nofutureDer Ausgang der gestrigen Landtagswahlen ist nicht erfreulich. Wer aber behauptet, das Ergebnis wĂ€re in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar gewesen, weiß es entweder nicht besser oder setzt bereits am Wahltag das alte Spiel fort, die WĂ€hlerInnen fĂŒr dumm zu verkaufen. Und wer behauptet, die „FlĂŒchtlingsproblematik“ sei „schuld“ am Zugewinn der FPÖ,  hat selbst ein Problem. Mit dieser Feststellung bin ich keineswegs alleine, die seriöseren KommentatorInnen teilen diese Analyse.

Bei vielen Wahlen, so auch in Oberösterreich, wĂŒrde die FPÖ wohl auch ohne das FlĂŒchtlingsthema dazugewinnen, genĂ€hrt von Politikverdrossenheit und AbstiegsĂ€ngsten. Aber die Anbiederung der Mitte-Parteien an ihre WĂ€hler stĂ€rkt sie zusĂ€tzlich. (Ruth Eisenreich, SĂŒddeutsche Zeitung)

Wir haben in Österreichs Bevölkerung schon ĂŒber Jahrzehnte ein autoritĂ€res Potenzial von etwa 30 Prozent. Jörg Haider erreichte bei den Nationalratswahlen 1999 fast 28% der Stimmen, in KĂ€rnten lag er weit darĂŒber. Bei den Nationalratswahlen 2013 kamen FPÖ, BZÖ und Team Stronach zusammengerechnet auf knapp 30%. Nach einer 2014 publizierten Studie des Österreichischen Zukunftsfonds stimmen 29% aller ÖsterreicherInnen der Aussage „Man sollte einen starken FĂŒhrer haben, der sich nicht um Wahlen und Parlament kĂŒmmern muss“ voll oder ziemlich zu. Selbst 21 Prozent jener Personen, die eine Matura oder einen höheren Abschluss aufweisen, befĂŒrworten diese Aussage. Daran hat ĂŒber die Jahre hinweg die Politik nichts geĂ€ndert, auch wir GrĂŒne nicht – leider! Strache hat den Rahmen ausgeschöpft, nicht mehr aber auch nicht weniger. Wenn ÖVP und SPÖ jetzt im Katzenjammer versinken, um gleichzeitig die supranationale FlĂŒchtlingskrise fĂŒr das Resultat verantwortlich zu machen, dann ist das ebenso falsch wie dumm.

Der Versuch der SPÖ, die kommenden Wiener Wahlen mit UnterstĂŒtzung vieler Medien und BerufskommentatorInnen zu einem Duell „HĂ€upl gegen Strache“ zu stilisieren, ist durchsichtiges WahlgeplĂ€nkel. Die SPÖ droht mit dem Verlust von Platz eins, um wankelmĂŒtige WĂ€hlerInnen zu gewinnen, und Strache hat das Duell bereits 2005 erstmals ausgerufen, um potentielle FPÖ-WĂ€hlerInnen zu mobilisieren.

Die GrĂŒnen wurden 1982 (als Alternative Liste Österreich) aus der Taufe gehoben. Damals, als es noch Kreisky gab und als (angeblich oder auch wirklich) ĂŒberhaupt alles noch besser war. Die Unzufriedenheit mit der etablierten Politik – auch mit jener von Kreisky – war aber schon so groß, dass ihr 1983 vor den Nationalratswahlen „No Future“ prophezeit wurde. Kreisky ist zurĂŒckgetreten, weil er die absolute Mehrheit verloren hatte. Und Kreisky legte den Ehrenvorsitz der SPÖ zurĂŒck, weil 1987 das Außenministerium der ÖVP ĂŒberlassen wurde. Was er heute tun wĂŒrde, kann nur erahnt werden. Dennoch höre ich seit 1983 von an sich vernĂŒnftigen Menschen bei jeder Wahl, „diesmal“ mĂŒsse man „ein allerletztes Mal“ die Sozialdemokratie wĂ€hlen, um Schlimme(re)s zu verhindern. Liebe Freunde und Freundinnen: Genau deshalb wurde es immer schlimmer! SPÖ und ÖVP haben seit Jahrzehnten krĂ€ftig jenen Boden gedĂŒngt, auf dem die braun-blauen Sumpfpflanzen gedeihen konnten. Wer sozialdemokratische Politik will, die ihren Namen verdient, wird sie sicher nicht bekommen, wenn per Stimme an der Urne eine fĂŒr jene Politik abgegeben wird, die eben nicht sozialdemokratisch ist.

Wie unklug die Strategie ist, zeigen die GrĂŒnen, die anders als SPÖ und ÖVP nicht in die Populismusfalle tappen. Wie die FPÖ gewannen auch sie in diesem Jahr bei jeder Landtagswahl dazu – nur ein oder zwei Prozentpunkte zwar, aber im Vergleich zu den TotalabstĂŒrzen der traditionellen Großparteien ist das schon ein Erfolg. (Ruth Eisenreich, SĂŒddeutsche)

Das Duell um Wien wird es in zwei Wochen nicht geben. Die SPÖ wird wieder als erste durch die Ziellinie gehen. Wie die Politik in Wien danach aussehen wird, wird aber mit dem Ergebnis der GrĂŒnen zusammenhĂ€ngen: Wer eine konsistente Politik fernab jeder Anbiederung an den rechtspopulistischen Mainstream will, ist mit den GrĂŒnen gut bedient. Und nur mit ihnen. Wie sagte doch der Schauspieler Otto Tausig 2008? „Ich war mein ganzes Leben lang ein Roter. Und deswegen wĂ€hl ich jetzt grĂŒn.“

24. September 2015

FPÖ und Korruption – Herr Kickl, ich hĂ€tte da ein paar Fragen!

2015-09-24T15:27:05+02:0024.09.15, 15:27 |Kategorien: Gesellschaft, Nationalrat, Parteien|Tags: , , |

Es war eine heftige Sitzung im Nationalrat. Thema: FPÖ und Korruption. Die Blauen wollen ja wieder regieren. Kommt es erneut zum anscheinend ewigen blauen Kreislauf „Opposition – Regierungsbank – Anklagebank“?

Im Zentrum der FPÖ-Korruptionsskandale sitzt GeneralsekretĂ€r Herbert Kickl. Florian Klenk hat im „Falter“ Anfang Juni Dokumente vorgelegt, die Kickl schwer belastet haben: „Kicklgate“ war geboren. Es ging um dreiste Kick(l)-Back-Zahlungen. Wir hĂ€tten gerne Antworten, warum fĂŒr AuftrĂ€ge an die (einstige?) Kickl-Firma „ideen.schmiede“ jeweils 20 Prozent an die FPÖ gingen. Zitat aus dem Vertrag:

Bei AuftrĂ€gen von FPÖ-LandesregierungsbĂŒros sowie ihnen angegliederten oder zuzurechnenden Gesellschaften etc.) bekommt die FPÖ 20 % des Auftragsvolumens von der Agentur gutgeschrieben.

Und wofĂŒr wurde das Geld verwendet. Ich zitiere den „Falter“:

Die Ermittler haben dubiose AusgĂ€nge in der Höhe von jĂ€hrlich bis zu 500.000 Euro auf den Konten der Ideenschmiede festgestellt. Ein Agenturmitarbeiter sagte als Zeuge, Agenturchef Sila habe ihm anvertraut, Sila habe Geld im Koffer an Heinz-Christian Strache „außibracht“.

Gerne hĂ€tte ich auch eine Antwort auf die Frage, warum Kickl nach seinem angeblichen Ausscheiden mit dem GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Firma einen Treuhandvertrag abgeschlossen hat, wonach Kickl eine Firmen-Liegenschaft „unentgeltlich“ zu ĂŒberlassen ist, wenn Kickl es will.

Nicht ganz ĂŒberraschend: Herr Kickl ist nicht ans Rednerpult getreten und hat keine der Fragen beantwortet. Auch kein/e andere/r FPÖ-RednerIn war willens oder in der Lage, auf die Fragen einzugehen. Die Geschichte wird uns und die Gerichte noch lĂ€nger beschĂ€ftigen.

17. September 2015

Liebe Neos, warum pudelt Ihr Euch so auf?

2015-09-17T10:46:05+02:0017.09.15, 10:09 |Kategorien: Gesellschaft, Integration, Parteien, Wahlkampf|Tags: , |

refwelcomefestImmer regelmĂ€ĂŸiger pudeln sich Neos-Mitglieder darĂŒber auf, dass GrĂŒne die Situation der FlĂŒchtlinge „parteipolitisch“ vereinnahmen wĂŒrden, so im „Runder Tisch“ am letzten Montag:

Glawischnig Eva (GrĂŒne, G.E.): Die Welle der Hilfsbereitschaft, die jetzt durch Österreich gegangen sind. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel. Wie viele Menschen am Zentralbahnhof, am Westbahnhof nach Traiskirchen …
Strolz Matthias (Neos, S.M.): Ja, aber bitte jetzt nicht durch eine Partei vereinnahmen, das meine ich eben nicht.
G.E.: Nach Traiskirchen, nehmen wir uns an dem trotzdem – nein, ich will es nicht vereinnahmen.
S.M: Wir laufen nicht in pinken Shirts am Westbahnhof herum.
G.E.: Nein, seien Sie nicht so emotional.
S.M.: Das mag ich nicht, diese Art von Vereinnahmung.
G.E.: Ich sage nur, nehmen wir uns politisch.
S.M.: Das mag ich nicht.
G.E.: Was regen Sie sich jetzt so auf?
S.M.: Ja, aber ich mag das nicht, wenn man dieses menschliches Leid verwurstet in einen Wahlkampf hinein. Das mag ich nicht.
G.E.: Ich habe nur gesagt, nehmen wir uns daran politisch ein Beispiel …
S.M.: Ja, die Botschaft haben wir von Ihnen jetzt fĂŒnfmal gehört. Ich glaube, die ist angekommen.
G.E.: Sie haben mich noch nicht einmal ausreden lassen. Sie sind vielleicht grantig.
S.M.: Ja, da werde ich schon grantig, weil das ist nicht okay.
(ORF, Runder Tisch, 14.9.2015, ab 33’27“; Transkript APA)

Matthias Strolz ist also grantig. Gut. Aber ich frage mich, warum eigentlich? Wer die Wortmeldung von Eva Glawischnig liest (oder nachhört), erkennt unschwer, dass hier von einer parteipolitischen Vereinnahmung „dieses menschlichen Leids“ nicht einmal ansatzweise die Rede ist. Zu bemerken ist jedoch, mit welcher SelbstverstĂ€ndlichkeit Strolz eine Diskussionsteilnehmerin unterbricht und in der Folge den begonnen Gedankengang nicht mehr ausfĂŒhren lĂ€sst.

Nun hat die zukĂŒnftige Neos-Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon  einen gleichlautenden Vorwurf aufgrund eines anderen Anlasses via Twitter an uns GrĂŒne gerichtet. Und ich beginne mich langsam zu fragen, welchen Spin Neos damit verfolgt.

GrundsĂ€tzlich ist festzustellen: Zuallererst handeln wir, wenn wir helfen, als Menschen und nicht als Angehörige irgendwelcher Parteien. Ich wĂŒrde es niemandem unterstellen wollen, hier vorrangig aus parteipolitischen Strategien heraus zu handeln. Dennoch ist es Tatsache, dass innerhalb der GrĂŒnen sehr viele AktivistInnen aus Menschenrechtsorganisationen kommen, aus Sozialinitiativen und aus anderen Ă€hnlichen NGOs. Die Situation von flĂŒchtenden Menschen ist daher auch nicht erst seit zwei Wochen ein zentrales Thema meiner Partei. Dass es beispielsweise kein Zufall ist, wenn wir bereits im Juli eine Sommerkampagne zum Thema Menschenrechte gestaltet haben, werden uns selbst Neos-FunktionĂ€rInnen glauben.

Als Michel Reimon und Tina Wirnsberger am 31. August den ersten FlĂŒchtlingszug aus Wien Richtung MĂŒnchen begleitet und via Soziale Medien die Bitte nach Zureichung von Wasser und Verpflegung geĂ€ußert hatten, war innerhalb kĂŒrzester Zeit ein GrĂŒnes Netzwerk aktiviert, das an den Bahnhöfen in Linz und Salzburg reagierte. Als dann weitere ZĂŒge folgten, waren es mit Birgit Hebein, Peter Kraus, Georg Prack und vielen anderen Wiener GrĂŒne, die eine koordinierende Funktion am Westbahnhof ĂŒbernommen und geholfen haben, innerhalb von nur wenigen Stunden fĂŒr tausende FlĂŒchtlinge eine erste Grundversorgung sicherzustellen. Gleiches gilt fĂŒr Linz und Salzburg. Die kurzen Kommunikationswege innerhalb der Partei waren hilfreich, um sich zwischen Wien, Linz und Salzburg wenigstens ein Minimum koordinieren zu können.

Um es klar zu stellen: NatĂŒrlich waren es bei weitem nicht nur GrĂŒne, die von Nickelsdorf bis Salzburg halfen – da waren unzĂ€hlige andere aktiv –, aber dass viele von uns schnell und selbstverstĂ€ndlich auch da waren, nein, dafĂŒr schĂ€me ich mich nicht.

Als vor mehreren Monaten der Neos-Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn UnterkĂŒnfte fĂŒr FlĂŒchtlinge zur VerfĂŒgung stellen wollte und auf Widerstand stieß, kam doch auch niemand auf die Idee, Neos vorzuwerfen, diesen Schritt parteipolitisch zu missbrauchen, obwohl seine Initiative ĂŒber alle Neos-KommunikationskanĂ€le verbreitet wurde. Es gab breiten Applaus und Anerkennung fĂŒr Schellhorn, darunter natĂŒrlich auch (und ganz besonders) von uns GrĂŒnen. Ich persönlich habe ihm im Nationalrat dafĂŒr gedankt.

gamonMeine Gegenfrage: Warum sollen die GrĂŒnen-Mariahilf denn kein Willkommensfest fĂŒr FlĂŒchtlinge machen, warum sollen sie – gerade im Wahlkampf – nicht zeigen, wofĂŒr sie stehen?

„Die große Hilfsbereitschaft ist die beste antirassistische Praxis, die man sich vorstellen kann: Es wird signalisiert, dass den verkĂŒrzten Zuschreibungen praktisch etwas entgegengesetzt wird.“ (Matthias Quent, Soziologe mit Schwerpunkt Rechtsextremismusforschung, Standard)

Ich wĂŒnsche mir, dass möglichst viele Parteien zeigen, dass sie auf Seite der Menschlichkeit stehen und damit ein ganz klares politisches Gegengewicht zur rassistischen, hetzerischen Praxis der FPÖ bilden. Wir werden das in den kommenden Monaten auch ĂŒber die Wahltermine hinaus brauchen. Es ist dabei völlig egal, ob es Parteiinitiativen sind oder nicht. Hauptsache ist zu signalisieren, dass wir viele sind. Also, liebe Neos, zusammenreißen, fair bleiben und selber etwas auf die Beine stellen! Und dann treffen wir uns alle parteiĂŒbergreifend am 3. Oktober bei der Demonstration und anschließend beim SolidaritĂ€tskonzert am Heldenplatz.

P.S.: Birgit Hebein hat völlig unabhÀngig von mir gerade auch einen Blogbeitrag veröffentlicht: http://birgithebein.at/2015/09/fluechtlingskrise-versus-wahlkampf/

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


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