Kurz-Chronik einer Demontage
AuĂen- und Integrationsminister Kurz ist schwer beschĂ€ftigt: Am Montag lieĂ er sein Sanktionspaket gegen FlĂŒchtlinge und andere Drittstaatangehörige durch den auĂenpolitischen Ausschuss peitschen. Nebenbei wurde der ihm unterstehende Integrationsfonds, der sich mehr durch die kriminellen Verstrickungen unter dessen Ex-Chef in den Medien findet als durch Glanzleistungen im Integrationsbereich, in Richtung Monopolisierung der DeutschprĂŒfungen, die mit Werten angereichert werden sollen, gestĂ€rkt. Fachliche Kritik daran, so ist es Kurz gewohnt, wurde nicht zur Kenntnis genommen.
Am Dienstag trieben ihn seine Verpflichtungen nach Vorarlberg, hatte er doch zusammen mit Landeshauptmann Wallner am Vormittag einen Live-Chat zu absolvieren, um dann am Nachmittag einer Einladung der SchĂŒlerunion Folge zu leisten und am Abend beim Vorarlberger ĂAAB aufzutreten. Dass er dem Ministerrat fernblieb â zum 18. Mal bei 42 Sitzungen â empörte die SPĂ. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ĂVP) verteidigte hingegen die Abwesenheit von Kurz und Sobotka. Auch er sei manchmal abwesend, wenn er beim Ecofin in BrĂŒssel sei. Wir verstehen: Ein Live-Chat in Bregenz samt nachfolgender Promotionstour bei ĂVP-Organisationen ist dem EU-Finanzministerrat offenbar gleichzusetzen. Aus dem LĂ€ndle lĂ€sst Kurz ausrichten, dass er die ĂVP im derzeitigen Zustand nicht ĂŒbernehmen wolle.
Derweilen brodelt es in Wien: Der Innenminister erledigt die Drecksarbeit und desavouiert stakkatoartig nicht nur die SPĂ, sondern die Regierung insgesamt: Am Sonntag richtete Sobotka Kanzler Kern aus, dass der versagt hĂ€tte und drohte, einem der derzeitig wichtigsten Vorhaben der Regierung, nĂ€mlich eine Bildungsreform auf die Beine zu stellen, gleich einmal ein Veto an. Nur einen Tag spĂ€ter kĂŒndigte er an, ein Ăberwachungspaket ohne Absprache mit dem Regierungspartner in Begutachtung schicken zu wollen. Nach getaner Destruktion trĂ€llerte Sobotka dann am Fest der Freude am Heldenplatz noch inbrĂŒnstig die âOde an die Freudeâ und vertschĂŒsste sich in die Schweiz. Beim Ministerrat glĂ€nzte er daher â so wie Kurz auch â durch Abwesenheit. Den Scherbenhaufen ĂŒberlieĂen beide ihrem damaligen Noch-Parteichef Mitterlehner.
Gestern wurde dann auch noch ĂŒber einen Teil der VP-Jugend, der Aktionsgemeinschaft auf der juristischen FakultĂ€t in Wien â just jener, der auch Kurz entstammt â, bekannt, dass sie ein besonders âhumorigesâ VerstĂ€ndnis von nationalsozialistischen GrĂ€ueltaten pflegt und auch Sexismus zum Unterhaltungsrepertoire der schwarzen Nachwuchskaderschmiede gehört. Das ist an sich schon verabscheuungswĂŒrdig, grauenhaft wird es aber bei der Vorstellung, dass diese Leute einmal Teil des österreichischen Justizapparats sein oder ĂŒber Kurz in diversen politischen Ămtern versorgt werden könnten. Kurz lieĂ zwar via Twitter vermelden, dass er den Ausschluss der betreffenden Personen begrĂŒĂe, wir warten allerdings noch auf die AnkĂŒndigung von verpflichtenden Wertekursen samt Sanktionen bei NichterfĂŒllung.
Nun heiĂt’s: Etappenziel erreicht. Reinhold Mitterlehner hat entnervt das Handtuch geworfen, und Kurz muss die Partei wohl ĂŒbernehmen. Die Arbeit, die nun fĂŒr Kurz, Sobotka & Co bevorsteht, ist, die Regierung zu sprengen â möglichst ohne selbst die Koalition aufkĂŒnden zu mĂŒssen. Daher zĂŒndelt GeneralsekretĂ€r Amon bereits fleiĂig weiter.
Auf der Strecke bleibt die Regierungsarbeit. Das ist den beteiligten Akteuren jedoch egal. Wer an die Macht will, hat auf solche âNebensĂ€chlichkeitenâ nĂ€mlich nicht zu achten. Aber: So eiskalt, wie hier kalkuliert, demontiert und zerstört wird, könnte es bald auch im Land werden. Unter Blau-Schwarz mĂŒssen wir uns wohl warm anziehen. Besser: mĂŒssten wir uns warm anziehen. Denn das können wir verhindern!
Im vorletzten Jahr habe ich anlÀsslich der Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien das Bildungsprogramm jener Partei nÀher angesehen, die unentwegt den Niedergang der Bildung beklagt.
Wir erfahren nicht, was die FPĂ unter âfremdsprachigen Volksschulkindernâ versteht. Vermutlich sind alle gemeint, in deren Elternhaus auch noch eine andere Sprache als Deutsch gesprochen werden könnte, also auch alle Kinder, die vielleicht perfekt mehrsprachig aufwachsen. Und, so suggeriert es die FPĂ, die seien ein Sicherheitsrisiko, das âzu einer Katastrophe fĂŒhrenâ** wĂŒrde: âTatsĂ€chlich aber werden viele Kinder und Jugendliche bereits in der Familie im Stich gelassen und auf dem spĂ€teren Bildungsweg mit Parallelgesellschaften, Ghetto- und Bandenbildung, KriminalitĂ€t und Drogen konfrontiert. Wir stehen dafĂŒr ein, dass die Jugend gerade in den sensiblen Jahren in Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen kann. (…) Daher dĂŒrfen wir uns gewissen Wahrheiten nicht verschlieĂen.â
