27. Oktober 2020

Wien: Machtpolitik oder Zukunftsprojekt?

2020-10-27T14:39:44+01:0027.10.20, 14:39 |Kategorien: Bildung|Tags: , |

Bürgermeister Ludwig kündigt also eine „Zukunftskoalition“ mit den Neos an. Sein gutes Recht. Dass ich damit keine Freude habe, ist eindeutig mein Problem. Der neoliberale Wind in Wien wird hoffentlich nur ein Lüftchen werden. Ob es Wien, der SPÖ und den Neos gut tun wird? Ein paar Anmerkungen meinerseits.

Man kann sich natürlich die Augen reiben, wenn eine zehnjährige erfolgreiche Koalition, bei der beide Partner aus Wahlen gestärkt hervorgegangen sind, beendet wird. Aber so sind nun mal die Spielregeln einer Demokratie.

Die zentrale Frage lautet: Was ist die inhaltliche Botschaft, die nun von der Wiener SPÖ ausgesendet wird? Was soll die „Zukunftskoalition“ anders machen als die bisherige? Und warum war dieser Wechsel des Partners notwendig?

Die Bildungspolitik? Die Neos haben ja in Sachen Bildungspolitik versprochen, dass alles besser wird mit ihnen. Konkret geworden sind sie aber leider nicht – das hat übrigens Tradition. Wie also steht es mit der zentralen Forderung nach der Gemeinsamen Schule. Wir haben das weder in Wien noch im Bund durchgesetzt. Ich habe das immer beklagt.

Aber bei den Neos ist nicht einmal klar, ob sie das überhaupt wollen. Sie haben uns diesbezüglich jedenfalls weder im Bund noch in der Stadt unterstützt und waren bei diesem Thema ziemlich kleinlaut und ist in keinem Wahl- oder Parteiprogramm zu lesen. Wenn die Gemeinsame Schule aber kommt oder zumindest Schritte in diese Richtung – prima! Mehr Wahlfreiheit bei der Schulwahl? Das würde Benachteiligte noch weiter benachteiligen. Warten wir mal die Verhandlungen ab. Ich hoffe aber, dass nicht die Privatschulbetreiber die großen Gewinner sein werden.

Übrigens: Ich gestehe: Ergebnis mit der ÖVP im Bund war ebenfalls nicht berauschend. Aber ich habe das immer deutlich gesagt und die Probleme sowie die Lösungsvorschläge sehr konkret benannt.

Oder geht es vor allem um die Verkehrspolitik? Sicher ist: Die Grünen Initiativen waren natürlich nicht jedermanns Sache. Die roten Bezirkskaiser in den sogenannten Wiener Flächenbezirken beklagten ja regelmäßig, dass das Auto zurückgedrängt wurde. Und sie hatten recht. Der Autoverkehr in Wien wurde zugunsten von Öffis und Fahrrad zurückgedrängt. Wer das nicht gut findet, hat mit Rot-Pink jetzt sicher eine Freude. Aber kann sich die SPÖ hier einen Politik-Wechsel erlauben?

Oder gibt’s andere Schwerpunkte? Wegen des weiterhin dringend erforderlichen Ausbaus von Grünflächen und Radwegen wird Ludwig wohl kaum die Neos ins Boot geholt haben. Geht’s gar um Privatisierungen? Kommt jetzt „Westbahn statt ÖBB“ auf Wienerisch? Was soll anders gemacht werden? SUV-Parkstreifen statt Begegnungszonen – das kann’s im 3. Jahrtausend wohl nicht mehr sein!

19. Oktober 2020

Vom „New Deal“ lernen!

2020-10-19T10:09:41+02:0019.10.20, 10:03 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|

Unter dem Titel „Wer zahlt die Rechnung?“ habe ich in den „Vorarlberger Nachrichten“ Stellung bezogen zum letzte Woche präsentierten Budget für das kommende Jahr. Mein Resümee: Es weist in die richtige Richtung, braucht aber noch zukunftsweisende Weichenstellungen. Und eine entscheidende Frage lautet: Wer wird das bezahlen?

Bund und Land planen für 2021 mit gewaltigen Defiziten. Vorgesehen sind Milliardenbeträge für Zuschüsse, Hilfszahlungen, Kurzarbeit und anderen Hilfsmaßnahmen. Das ist notwendig. Der soziale Frieden muss gewahrt bleiben, die Wirtschaft braucht dringend Unterstützung. Gerade in der Pandemie hat unser vielgeschmähter Sozialstaat gezeigt, dass er Krisen abfedern kann. Wer erinnert sich nicht mehr an die lautstarke Kritik vieler Neoliberaler an unserem Gesundheitssystem? Sie forderten Einsparungen nach dem Vorbild der USA, Großbritanniens oder Italiens. Jetzt in Coronazeiten ist der Irrweg dieser Länder offenkundig geworden – und die Vertreter des „schwachen Staates“ sind sehr leise.

Alles paletti?

Insbesondere auf Bundesebene sind dennoch grundlegende Reformen notwendig. Zu Recht weist der Verkehrsclub Österreich darauf hin, dass im vorliegenden Budget keine Schritte zur dringend notwendigen ökosozialen Steuerreform erkennbar sind. Auch die EU-Kommission monierte letzte Woche entsprechende Maßnahmen.

Auch der Kampf gegen die rasant steigende Langzeitarbeitslosigkeit und die Kinderarmut muss intensiver angegangen werden. Armutsgefährdete Kinder leiden meist auch unter Ausgrenzung und haben nur geringe Bildungschancen. Ihnen zu helfen, ist ein Gebot der Fairness und „rechnet“ sich zudem: Wer nach der Pflichtschule schon den Gang zum AMS antreten muss, belastet nämlich das Budget dauerhaft, statt durch Steuern etwas dazu beizutragen.

Wir sind nicht die Besten

Beide Regierungsparteien sind daher gefordert, denn „die Besten“ sind wir trotz gegenteiliger Bekundungen nicht. Deutschland etwa ist uns in vielem voraus. Die Wirtschaft beim nördlichen Nachbarn bricht deutlich weniger ein als bei uns, die Arbeitslosenquote ist viel niedriger. Zudem ist unser Budgetdefizit fast doppelt so hoch, und die Verbraucherpreise steigen sogar um mehr als das Zweieinhalbfache.
Beitrag der Reichsten

Es stellt sich zudem – nicht nur, aber auch in Österreich – die Frage, wer die Folgen der Krise bezahlen wird. Angesichts der Tatsache, dass die Steuerlast für die Mittelschicht schon sehr hoch ist, braucht es eine Diskussion darüber, was künftig die Reichsten der Gesellschaft zu leisten haben.

Dabei kann man sich an historischen Vorbildern orientieren: Die USA haben in den Dreißigerjahren mit einem gewaltigen Investitionsprogramm die Folgen der Weltwirtschaftskrise überwunden. Bezahlt wurde dieser „New Deal“ durch massive Steuern auf hohe Einkommen und große Erbschaften.

Österreich ist derzeit unter den hochentwickelten Staaten eines der Schlusslichter bei vermögensbezogenen Steuern. Vernünftige Superreiche wissen das und sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Sie profitieren vom sozialen Frieden ja auch am meisten. Nur unverbesserliche Neoliberale sehen das anders.

5. Oktober 2020

Driftet die türkise ÖVP ab?

2020-10-05T09:25:27+02:0005.10.20, 9:23 |Kategorien: Gesellschaft, Menschenrechte, Parteien|Tags: , , |

Türschild ÖVP neu

Sebastian Kurz hat der ÖVP in den letzten drei Jahren einen strammen Rechtskurs verordnet und ihn mit der FPÖ in der Regierung beinhart umgesetzt. Mit den Grünen wurde das schwierig, denn irgendwann ist Schluss mit „geschluckten Kröten“.

In einem Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ bin ich unter dem Titel „Wo ist politisch die Mitte?“ auf die zunehmend schwieriger werdende Situation eingegangen. Hier zum Nachlesen:

Für eingefleischte „Schwarze“ war der Verlust des Bürgermeister-Sessels in Bregenz vor einer Woche ein schwer verdaulicher Tiefschlag.

Hat das überregionale Bedeutung? Büßte Markus Linhart gar für die rechtslastige Politik der Bundes-ÖVP?

Der Politologe Peter Filzmaier jedenfalls sieht in der Bregenzer Wahl ein Symptom für einen Trend: Die türkise ÖVP gewinnt zwar im ländlichen Bereich Stimmen dazu, das bürgerlich-liberale Klientel in den Städten aber gehe verloren – das gelte speziell bei jüngeren Menschen.

Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel sprechen von einer „anständigen Mitte-Rechts-Politik“. Was verstehen sie darunter? Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer und hochrangiger ÖVP-Funktionär, zeigte sich im „Falter“-Interview von dieser Aussage „geschockt“. Er verlangt von seiner Partei eine weltoffene Politik und vermisst die humanitäre Komponente.

„Kanzler ohne Milde“

Falter-Herausgeber Armin Thurnher nennt Sebastian Kurz den „Kanzler ohne Milde“ – eine Anspielung auf den ehemaligen Bundeskanzler Ignaz Seipel. Sogar der Wiener Boulevard zeigte sich zuletzt Kurz-kritisch. Die „Kronen-Zeitung“ spricht von einem „eiskalten Kanzler“ und „kalten Propagandisten der Emotionslosigkeit“. Der ÖVP-Chef wird daran erinnert, dass auch seine Großmutter am Ende des Zweiten Weltkriegs als Flüchtling nach Österreich kam und seine Familie in den 1990er-Jahren Flüchtlinge aus Jugoslawien aufgenommen hat.

Sogar der deutsche Innenminister Horst Seehofer und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder – beide stramm rechtskonservativ – schütteln den Kopf, wenn sie auf die österreichische Flüchtlingspolitik angesprochen werden. Sie verlangen ausgerechnet von den Grünen, auf Kurz einzuwirken. Ironie der Geschichte?

Wie auch immer: Die Forderung trifft sicher eine wunde Stelle des kleinen Koalitionspartners: Für die Grünen wird die Haltung des Kanzlers nämlich zunehmend zum Problem. Zumal sie von Sebastian Kurz noch weitere dicke Kröten serviert bekommen: Die Fortsetzung der jahrzehntelangen Reformverweigerung im Bildungsbereich, die steuerliche Verschonung einer ganz kleinen Gruppe von Superreichen oder die inakzeptable Vorsitzführung durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Untersuchungsausschuss kann die Grüne Klientel auf Dauer nicht akzeptieren.

Eine neue „Mitte“?

Man darf gespannt sein, ob sich die Einschätzung Filzmaiers bei der Wien-Wahl bestätigen wird: Verschiebt sich die „Mitte“ weiter nach rechts? Erreichen ÖVP, FPÖ und die Strache-Partei jene über 40 Prozent vom letzten Urnengang im Jahr 2015? Oder gar mehr? Ist die ÖVP zu weit nach rechts abgebogen und bleibt unter den hochgesteckten Erwartungen? Profitieren davon die Neos? Oder SPÖ und Grüne?

Eines ist klar: Im Gegensatz zu Bregenz hat die Wiener Wahl am kommenden Sonntag ganz sicher überregionale Bedeutung.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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