21. Dezember 2020

Apokalypse in Europa

2020-12-21T11:25:31+01:0021.12.20, 11:23 |Kategorien: Allgemein, Menschenrechte|Tags: , |

Kinder, die von Ratten angeknabbert werden? Mitten in Europa? Und Österreich schaut zu? 

In meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich diese „Schande fĂŒr Europa“ thematisiert. Es ist auch eine Schande fĂŒr Österreich. Hier fĂŒr Nicht-Abonnenten zum Nachlesen:

„Maden im Essen, Stacheldraht ums Lager. Es ist die Hölle“, das berichtet völlig fassungslos der Kölner Pfarrer Hans Mörtter von einem Lager auf der Insel Samos. „Apokalypse in Europa“, schreibt dazu die Tageszeitung „taz“. Es sind erschĂŒtternde Berichte, die uns von den FlĂŒchtlingslagern in Griechenland erreichen.

Die Angaben ĂŒber die Zahl der FlĂŒchtlinge sind widersprĂŒchlich. Im Lager auf Samos sind es etwa 4.300, ein Drittel davon Kinder.

Unhaltbare VerhÀltnisse

„Ich habe mit auf der Flucht vergewaltigten afrikanischen Frauen gesprochen, die auf dem nackten Boden saßen und auf die Geburt ihrer Kinder warteten. Ohne Hygiene oder Ă€rztliche Versorgung.“ Das sagte niemand geringerer als der deutsche Entwicklungsminister Gerd MĂŒller von der CSU. Er machte sich auf den Inseln schon frĂŒher selbst ein Bild von den VerhĂ€ltnissen auf Samos.

Am Samstag verwies auf ehrenamtlich tĂ€tige Ärzte , die auf Samos eine Tetanus-Impfaktion gestartet haben, weil Babys in nassen Zelten von Ratten gebissen worden sind.

Und Österreich?

Bundeskanzler Sebastian Kurz entzieht sich seit Monaten der Verantwortung. Es sei sinnvoller, „Hilfe vor Ort“ zu leisten, statt FlĂŒchtlinge bei uns aufzunehmen. DarĂŒber kann man diskutieren.

Es gelingt aber offenkundig nicht, Hilfe „vor Ort“ zu organisieren. Die rechtsnationale griechische Regierung hat viel Geld fĂŒr die Betreuung von FlĂŒchtlingen erhalten. In den Lagern ist bislang kaum etwas davon angekommen.

Am Wochenende sprangen dem Kanzler Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer zur Seite und versprachen eine „TagesbetreuungsstĂ€tte“ fĂŒr Kinder. Das wird den Menschen nicht wirklich helfen.

Lichtblicke?

Ein Lichtblick ist die Mobilmachung etlicher prominenter ÖVP-Parteimitglieder in Tirol gegen den Kurs ihrer Bundespartei. Der BĂŒrgermeister von Sölden sprach Klartext: „Wenn die Hilfe so ausschaut, dass Kinder im Dreck liegen und erfrieren, dann ist das keine Hilfe.“ Er und andere BĂŒrgermeister sowie LandesrĂ€tin Beate Palfrader sind Teil einer Initiative fĂŒr die Aufnahme von FlĂŒchtlingen.

Auch der Koalitionspartner der ÖVP auf Bundesebene ist gefordert. Das, was derzeit im humanitĂ€ren Bereich abgeht, erinnert stark an die ZustĂ€nde unter TĂŒrkis-Blau. Und das ist es nicht, wofĂŒr die GrĂŒnen gewĂ€hlt wurden.

Diese Woche werden wir bei „Licht ins Dunkel“ viele warme Worte ĂŒber „wahre Menschlichkeit“ hören. Worte reichen aber nicht. Pfarrer Mörtter meinte: „Dass es das gibt im 21. Jahrhundert, in Europa, ist eine Schande.“

Österreich muss Teil einer EU-Initiative zur Aufnahme von FlĂŒchtlingen sein. Ansonsten ist Samos auch unsere Schande!


7. Dezember 2020

Corona und die AuslÀnder

2020-12-07T11:12:25+01:0007.12.20, 11:11 |Kategorien: Gesundheit und Pflege|Tags: , |

Warum sind die Infektionszahlen seit Herbst in Österreich derart in die Höhe geschnellt. FĂŒr Bundeskanzler Kurz ist die Sache klar: Die AuslĂ€nder waren’s!

Einem Faktencheck hĂ€lt diese Aussage nicht stand, wie ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ und dem Titel „Waren‘s die AuslĂ€nder?“ ausgefĂŒhrt habe. Hier fĂŒr jene ohne VN-Abo zum Nachlesen:

Bundeskanzler Sebastian Kurz stellte sich letzte Woche allen Ernstes hin und behauptete: „Wir hatten im Sommer sehr, sehr niedrige Ansteckungszahlen nach dem Lockdown und haben dann durch ReiserĂŒckkehrer und insbesondere auch durch Menschen, die in ihren HerkunftslĂ€ndern den Sommer verbracht haben, uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt.“

Haben wir das wirklich? Den Faktencheck bestand diese Behauptung nicht. Darauf wiesen kopfschĂŒttelnd vor allem Fachleute, aber auch etliche auslĂ€ndische Medien hin. Im Inland war die Kritik schaumgebremst. Die meisten heimischen Medien haben dieses systematische Ablenken von den Fakten brav rapportiert – mit der rĂŒhmlichen Ausnahme von Armin Wolf in der ZiB2. Er konfrontierte den Kanzler mit dessen Aussagen und ließ kein Abschweifen und Relativieren zu.

Spott vom Ausland

Die „SĂŒddeutsche Zeitung“ spöttelte in einem Kommentar: „Wenn in Österreich etwas nicht funktioniert, kann man beginnen, von zehn herunterzuzĂ€hlen – und bevor man bei fĂŒnf ankommt, sagt meist schon der erste Politiker: ‚Die AuslĂ€nder waren‘s!‘“ FrĂŒher perfektionierten Jörg Haider und Heinz-Christian Strache diese Methode. Aber ein Kanzler?

Der angesprochene Faktencheck der Agentur fĂŒr Gesundheit und ErnĂ€hrungssicherheit (AGES) fand medial leider wenig Widerhall. Er machte deutlich, dass die Behauptung des Kanzlers keine Grundlage hat. Erstens sprach Kurz selbst im Nachhinein von „nur“ 30 Prozent der FĂ€lle. Wichtiger aber ist, dass bei positiv Getesteten die „HerkunftslĂ€nder“ gar nicht erhoben werden.

Was vor allem zu denken geben sollte: Kroatien war sehr lange kaum von der Pandemie betroffen, erst als das Land seine Grenzen fĂŒr Touristen geöffnet hatte, stiegen dort die Infektionszahlen.

Fakten statt Mythen

Im August waren laut AGES in Österreich exakt 1384 oder 23,4 Prozent von insgesamt 5916 Infektionen auf Menschen zurĂŒckzufĂŒhren, die vom Westbalkan kamen. Waren die angeblichen „Super-Spreader“ eventuell gar „bio-österreichische“ Touristen, die im Kroatien-Urlaub zu unbekĂŒmmert gefeiert hatten?

Damit wĂ€ren wir bei „Ischgl“. Der Ort war nachweisbar Ursprung riesiger Corona-Cluster in Deutschland, DĂ€nemark, Norwegen, Island und anderen LĂ€ndern. Muss ausgerechnet Österreich der Welt erklĂ€ren, dass „ReiserĂŒckkehrer“ fĂŒr Corona-Cluster verantwortlich sind? Jenes Österreich, das Ende November – und somit lange nach dem Sommer – die weltweit höchste Ansteckungsrate zu verzeichnen hatte?

Wie schreibt die „SĂŒddeutsche“? „Österreichs Kanzler Kurz sucht SĂŒndenböcke, um vom eigenen Versagen in der Corona-Krise abzulenken.“ Er wĂ€re jung genug, um dazuzulernen. Hoffentlich macht er das auch.

E-Mail wurde erfolgreich kopi
E-Mail wurde erfolgreich kopiert
E-Mail wurde erfolgreich kopiert
23. November 2020

Schule der Privilegierten

2020-11-23T09:11:27+01:0023.11.20, 9:11 |Kategorien: Bildung|Tags: |

Vergessen wir auf unsere Zukunft? Man könnte es glauben, denn das Thema „Bildung“ brennt unter den NĂ€geln, scheint aber nur im Zusammenhang mit dem Corona-Virus oder in der schwammigen Soft-Variante der Neos („beste Bildung“ 
) auf. Das Problem liegt aber tiefer: Es ist das Bildungssystem – um es mit dem Bildungswissenschaftler Karlheinz Gruber zu sagen.

Dazu mein Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ unter dem Titel „Schule der Privilegierten“, hier zum Nachlesen:

Letzte Woche jubelte nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa: Die Firma BioNTech soll schon Ende Dezember einen Impfstoff gegen das Corona-Virus ausliefern können. Die EU hat sich 300 Millionen Dosen des Biontech-Mittels gesichert. Man spricht von einer Sternstunde der deutschen Wissenschaft.
Dabei war GlĂŒck im Spiel, denn die Schullaufbahn der beiden tĂŒrkischstĂ€mmigen Entwickler war holprig. Dr. Uğur ƞahin berichtet, dass er eigentlich nicht auf das Gymnasium hĂ€tte gehen dĂŒrfen. Sein – deutscher – Nachbar intervenierte erfolgreich fĂŒr ihn. Heute sind wir alle froh darĂŒber.
Schulsystem Àndern?
Im Rahmen der „Montforter Zwischentöne“ fand am Freitag eine Diskussion ĂŒber unser Schulsystem statt. NatĂŒrlich gibt es dazu sehr unterschiedliche ZugĂ€nge und vor allem die Frage: Soll man wirklich 150 Jahre alte Strukturen verĂ€ndern? Man soll, denn das bestehende System ist ineffizient und ungerecht, weil es Kinder aus privilegierten Familien zusĂ€tzlich begĂŒnstigt.
In Österreich spielen die Noten in der Volksschule die Hauptrolle bei der Entscheidung. Es ist aber durch Studien vielfach belegt, dass Kinder aus bildungsfernen Familien auch bei gleicher Leistung schlechter benotet werden. Das geschieht nicht aus Bösartigkeit, sondern weil die Erwartungshaltung bei der Leistungsbeurteilung unbewusst mitspielt.
Nicht nur deshalb ist die PrognosequalitÀt von Ziffernnoten bescheiden. Glaubt wirklich jemand, man könne die Bildungslaufbahn eines nicht einmal zehnjÀhrigen Kindes solide vorhersagen? Das ist schlicht nicht möglich.
In Arbeitszeugnissen wĂŒrde Manager denn auch nie einfallen, ihre ArbeitskrĂ€fte mit Ziffernnoten zu beschreiben. Dort werden erbrachte Leistungen und StĂ€rken möglichst prĂ€zise ausgefĂŒhrt. Insbesondere LehrkrĂ€fte an Volksschulen haben das auch erkannt und aussagekrĂ€ftige Beurteilungsformen eingefĂŒhrt. Leider wurde das zuletzt „von oben“ abgedreht.
ZĂ€hlt nur die Leistung?
Das PhĂ€nomen der BegĂŒnstigung schon Privilegierter ist altbekannt. In schöner Offenheit hat dies der ehemalige britische Premierminister und Literatur-NobelpreistrĂ€ger Winston Churchill beschrieben. Er schreibt in seinen Memoiren, dass er bei der AufnahmeprĂŒfung fĂŒr eine Privatschule nur ein leeres Blatt mit seinem Namen abgegeben hat. Das genĂŒgte und er wurde aufgenommen, denn sein Großvater war der Herzog von Marlborough.
Herzöge gibt es bei uns nicht mehr, aber dem Druck von wortgewĂ€ltige RechtsanwĂ€lten, Ärztinnen, Architekten oder LehrkrĂ€fte können sich LehrkrĂ€fte an Volksschulen oft nur schwer entziehen. Arbeiter oder Putzfrauen tun sich da um einiges schwerer.
In kaum einem Land gibt es noch – wie in Deutschland und Österreich – die viel zu frĂŒhe Trennung von Kindern mit zehn Jahren. Es ist Zeit, diesen Anachronismus zu beenden und Kinder in der Volksschule nicht weiterhin einem unsinnigen Druck auszusetzen.

E-Mail wurde erfolgreich kopiert
E-Mail wurde erfolgreich kopiert
E-Mail wurde erfolgreich kopiert

WofĂŒr ich stehe?

Ich stehe fĂŒr soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr


Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles ĂŒber meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, AntrĂ€ge und Ausschussarbeit.


Zur Seite des Parlaments


Downloads